Straß-Moos

Das halbe Dorf ist verschwunden

Abbruch und Absiedlung in Straß-Moos läuft weiter - "Alles beruht auf Freiwilligkeit"

04.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:06 Uhr
Der Abrissbagger räumt wieder ein respektables Haus in Straß-Moos ab. Mittlerweile haben sich 23 Eigentümer für den Weggang aus dem "Hochwasserdorf" entschieden. −Foto: Rein

Straß-Moos (r) Es fallen wieder Häuser im "Hochwasserdorf" Straß-Moos. Ein Anwesen wird gerade abgerissen, zwei weitere Wohnhäuser folgen im Frühjahr 2019. Damit geht die vom Staat gewünschte und finanzierte Absiedlung weiter. "Es hat sich so entwickelt, wie es viele nicht glauben wollten", sagt Peter Specht.

Der stellvertretende Burgheimer Bürgermeister kennt sich bestens aus: Er hat selber seinen Heimatort Moos 2002 verlassen und ist mit der Familie ins "sichere" Straß gezogen. Die Sache ist abgeschlossen. Um Moos kümmert sich Peter Specht jetzt vorwiegend politisch. Aber er weiß: "Es ist nicht einfach, rauszugehen."

Mehr als die Hälfte der Gemeinde ist weg. Von ursprünglich 40 Anwesen sind weniger als 20 übriggeblieben. Und es gibt Verträge mit Eigentümern, deren Häuser im Todes- oder Erbfall abzuräumen. Das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt nimmt auch neue Anträge an. Die Konditionen bleiben unverändert, "alles andere wäre ungerecht gegenüber den früheren Antragstellern", sagt Bauoberrat Holger Pharion.

Zu den von Münchener Schätzern vor über zehn Jahren festgestellten Gebäudewerten erstattet der Freistaat Bayern den Eigentümern zwei Drittel, der Markt Burgheim acht Prozent und der Kreis Neuburg-Schrobenhausen 2,5 Prozent. Die Abrisskosten übernimmt der Staat, die Grundstücke kauft er nicht.

Nach Feststellung des Wasserwirtschaftsamtes hat der Freistaat Bayern - zusammen mit Gemeinde und Kreis - bisher gut vier Millionen Euro an Absiedler bezahlt. Von 23 gestellten Anträgen seien bisher 17 vollzogen worden, sechs Abbrüche stehen noch aus, so Thomas Zapf von der Fachbehörde. "Alles beruht auf Freiwilligkeit", betont Holger Pharion vom Wasserwirtschaftsamt, "wir machen keinen Druck und stehen nicht mit der Abrissbirne bereit." Die Behörde orientiere sich ausschließlich an den Wünschen der betroffenen Einwohner.

Das konnte man nach der "Jahrhundertflut" 1999 nicht sagen. Moos ist zum Überschwemmungsgebiet erklärt worden, und der Wert der Immobilien sank auf einmal drastisch. Nach dem erneut starken Hochwasser 2005 entschied sich die Dorfgemeinschaft mehrheitlich für das Thema Absiedlung - und die Staatsbehörden griffen es auf. Der Abbruch der dominanten Moosmühle vor fünf Jahren galt endgültig als Dammbruch. Die Lücken in der Ortschaft mehren sich.

Alle gehen nicht. "Solange es geht, bleibe ich", sagt Karl Zeller. Das Leben in der Idylle ist beschwerlicher geworden, "für jedes Stück Brot muss ich zum Einkaufen nach Burgheim fahren." Der Internetzugang ist miserabel langsam und das Gemeindehaus ist seit zwei Jahren geschlossen. Früher gab es noch regelmäßig einen Stammtisch und ein jährliches Dorffest.

Schriftsteller Herbert Kugler aus Berlin befasst sich seit Jahren mit dem Gedanken, einen Roman über das "sterbende Dorf" zu schreiben. Der gebürtige Stepperger muss sich beeilen, denn in einigen Jahren könnte von Moos nicht mehr viel übrig sein. "In gut zehn Jahren stehen vielleicht noch fünf Häuser", überlegt Peter Specht. Aber es gibt auch Ansiedler: Ein Grundstück hat er an eine Familie aus München verkauft, die in einem stabilen Zelt die Sommerfrische in Moos genießt.

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