Ingolstadt

Mitten durch die Wand

Pilotprojekt: Das Bürohochhaus neben dem Kavalier Dalwigk wird komplett digital geplant

28.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:25 Uhr
Rohre und Leitungen auf dem Reißbrett der Moderne: das Bürogebäude mit Restaurant in der reinen Haustechnik-Ansicht. −Foto: INKo Bau

Ingolstadt (DK) Im Mai beginnt auf dem Gießereigelände der Erdaushub für das achtgeschossige Gebäude neben dem Kavalier Dalwigk. 10000 Kubikmeter Masse müssen bewegt werden, bevor es langsam in die Höhe geht. Doch digital ist der künftige Funktionsbau für das Gründerzentrum brigk, die THI und ein Restaurant längst fertig - komplett durchgeplant. Das Großprojekt der städtischen INKo Bau GmbH dient als Pilotversuch zur Etablierung und Weiterentwicklung der digitalen Arbeitsmethode Building Information Modeling (BIM). Oberste Ziele: die Abläufe optimieren und Fehlplanungen vermeiden.

Im Parterre hält es Stefan Mayer nicht lang. Der Technische Leiter der INKo Bau betritt das monumentale Bürohaus neben dem historischen Festungsbau lieber über die handballfeldgroße Dachterrasse, vorbei am Panoramarestaurant, steigt eine Treppe hinunter, streift durch hohe, helle Räume, inspiziert auf seinem Weg kurz einen Lüftungsschacht und schaut aus dem Fenster. Dann setzt er die Tour durch diese Beletage des digitalen Ingolstadt fort.

Und das alles im Sitzen. Am Laptop. Mayer könnte den gleichen Rundgang durch das Renommiergebäude für das digitale Gründerzentrum brigk und die Technische Hochschule auch in der Realität absolvieren - zumindest, was das Gehen betrifft: mit einer Virtual-Reality-Brille im Gesicht. Aber dieser Weg würde im kleinen Konferenzraum des städtischen Presseamts, wo der Technikchef der INKo Bau das Planungssystem Building Information Modeling (BIM) am Beispiel des brigk vorführt, nicht allzu weit führen.

Der virtuelle Marsch durch den Zukunftsbau auf dem Gießereigelände verläuft in fließenden Übergängen. Alle drei Dimensionen wirken harmonisch zusammen, keine der softwaregenerierten Wände ruckelt, die digitalen Treppen halten.

Mayer klickt ins Dropdown-Menü. "Und jetzt lassen wir alle Mauern verschwinden!" Plötzlich ist von dem riesigen Gebäude nur noch die Haustechnik übrig. Auf dem Bildschirm erscheint ein buntes Gerippe aus Rohren, Schächten, Kästen und Leitungen. So also schauen Heizung-Lüftung- Sanitär im Digitalzeitalter aus. Die Abluftrohre sind lila gefärbt, die Zuluft grün, die Zirkulationsleitungen hellblau, die Wasserrohre rot und blau - also warm und kalt. Rote Platten markieren die Positionen der Heizkörper, jeder Lichtschalter ist in dieser dreidimensionalen Animation bereits am vorgesehenen Platz. Alles maßstabsgetreu. Auf den Millimeter genau. "Das ist für die Industrie natürlich von Vorteil", sagt Nicolai Fall, der INKo-Bau-Chef, "denn sie kann viele Teile vorfertigen." Das beschleunigt den Baufortschritt, senkt die Kosten und reduziert das Risiko einer Fehlplanung, die böse ins Geld gehen kann. Bauherren können ihre Vorhaben nicht zuletzt den beauftragten Firmen, Gemeinde- und Stadträten sowie der gesamten Öffentlichkeit anschaulich erläutern.

Das ist der Sinn des BIM. Das Bürohaus für die digitale Gründerszene dient als Ingolstädter Blaupause. "Es wird ein Musterprojekt für digitales Planen und Bauen", erklärt OB Christian Lösel bei der Demonstration der neuen Methode. "Mit BIM bekommt man ein korrektes digitales Abbild des geplanten Gebäudes. Man weiß alles schon im Vorfeld." Jedes Rohr, jeden Kabelbaum, alle Materialien. "Man erkennt auch sofort Kreuzungsprobleme, etwa zwischen einer Elektroleitung und einem Wasserrohr." Die Ingenieure können mit dieser digitalen Gebäudemodellierung den Entwicklungsprozess jederzeit und von jedem Ort aus analysieren, modifizieren und weiterführen. Sie schaffen ihre Bauwerke vernetzt, in ständigem Austausch.

Zumindest besteht die Möglichkeit. "Bisher hat jeder Fachplaner sein Gewerk optimiert, um im Kostenrahmen zu bleiben", sagt Fall. "Jetzt können sich die Fachplaner schnell mit den Projektplanern abstimmen - alle greifen auf den selben Datenbestand zu."

Noch operiert die INKo Bau in der Testphase, Fehler nicht ausgeschlossen, das ist Fall klar. Aber er glaubt fest daran, mit der digitalen Technik dem Ziel der "kollisionsfreien Planung" immer näher zu kommen. "Das ist keine Spielerei!" Wenn die Kosten öffentlicher Bauprojekte nicht mehr durch die Decke gehen, ergänzt Lösel, "hat auch der Bürger sehr viel davon".

Stefan Mayer kann sogar nur alle Betonelemente darstellen, sagt er. Oder eine Elektrotechnikversion auf den Bildschirm zaubern. Dann besteht die achtstöckige Animation aus Kabelrohren, Sensoren, Schaltern, Leuchten, Isolatoren, Verteilerkästen und anderen Installationen. Digital ist eben schon alles vollständig auf dem Reißbrett eingezeichnet. Bis hin zur abgelegensten Leitung und hinunter zum letzten Abwasserrohr.

Jetzt muss der Kasten nur noch gebaut werden.

Christian Silvester

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/mitten-durch-die-wand-2692008
© 2024 Donaukurier.de