Ingolstadt

Ein stetes Ringen

Handwerksbetriebe in der Region suchen Nachwuchs - Bäcker und Friseure kämpfen schwer

16.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:40 Uhr
Brezenbacken ist noch richtiges Handwerk. Bäcker gilt als anspruchsvoller Beruf, doch die Zunft kämpft mit Nachwuchssorgen. −Foto: Richter

Ingolstadt (DK) Das Handwerk hat goldenen Boden, obwohl es da und dort ordentlich holpert - vor allem wenn es um die Rekrutierung von Nachwuchs geht. Auch in der Region Ingolstadt läuft gerade das Werben um junge Kräfte auf Hochtouren. Pro Jahr werden hier knapp 1100 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Aktuell sind aber erst 240 "eingetütet".

Der Präsident der Handwerkskammer (HWK) für München und Oberbayern, Franz Xaver Peteranderl, hatte es kürzlich beim Besuch unserer Zeitung angesprochen: "Ohne uns ist Hightech nicht möglich", möchten er und seine Mitstreiter das Image des Handwerks ins richtige Licht rücken. Ingenieure und Konstrukteure könnten entwickeln was sie wollen, ohne die Umsetzung ihrer Pläne durch kompetente Handwerker wäre alle Mühe vergebens.

Und doch streben viele Menschen lieber ein Studium an, vielleicht auf Druck aus dem familiären Umfeld heraus. Ernst und Sonja Kaltenstadler von der gleichnamigen Bäckerei in Neuburg kennen das Problem. "In den vergangenen zehn Jahren ist es zunehmend schwerer geworden, Lehrlinge zu finden", sagt die Geschäftsfrau. "Zuletzt haben wir aber eine leichte Besserung festgestellt, auch weil manche Studienabbrecher ins Handwerk gehen." Sie hätten mit einem solchen sehr gute Erfahrungen gemacht, ebenso wie mit einem afrikanischen Migranten, der dem Betrieb nach der Ausbildung geblieben sei. "Sie sind mit Herzblut dabei."

Mehr als 5400 Lehrverträge waren bis Ende 2018 mit Flüchtlingen im bayerischen Handwerk abgeschlossen. Ein guter Anfang, man gebe diesen Menschen damit eine Perspektive, sagt HWK-Präsident Peteranderl. Zugleich sei "der Bedarf da, 2018 konnten 7400 Lehrstellen nicht besetzt werden". Allein mit Flüchtlingen ließen sich offene Stellen im Handwerk - auch bei den Fachkräften - aber nicht decken. In Ingolstadt und den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen befinden sich zurzeit 153 Migranten in Ausbildung (Stand 15. April). Die meisten von ihnen stammen aus Afghanistan (73), Syrien (27) und Eritrea (21).

Was die im Herbst beginnende Lehrzeit betrifft, sind im Raum Ingolstadt bisher gerade einmal 240 neue Verträge abgeschlossen, 2018 waren es im selben Zeitraum 288, im Jahr davor 269. Jens Christopher Ulrich von der HWK für München und Oberbayern zeigt sich dennoch zuversichtlich, heuer noch die Zahl des Vorjahres (1062) zu erreichen. "Wir bewegen uns seit Jahren etwa auf diesem Niveau, 2017 waren es 1097." Sein Tipp: Bewerber sollten sich nicht zu sehr auf den 1. September als Ausbildungsbeginn versteifen. "Wer bis Ende August nichts hat, soll sich nicht im Kämmerlein einsperren, sondern weitersuchen. Man kann auch im Oktober, November, Dezember oder noch später anfangen. Da sind wir flexibel." Um junge Leute über die Ausbildung zu informieren, gehe die Handwerkskammer auf Messen, Berufsinfoabende in Schulen und Infoveranstaltungen zur Berufsausbildung in Schulklassen.

Die Handwerkskammern setzen zudem auf moderne Kommunikation, wenn es sich um den Nachwuchs dreht. Im Internet können Interessierte sich unter handwerk.de oder lehrlinge-fuer-bayern.de informieren, außerdem läuft nun schon im zehnten Jahr eine Imagekampagne. Die Botschaft lautet: Handwerk ist keine Sackgasse, alles ist offen, der Meisterbrief beinhaltet sogar die Hochschulreife.

Trotzdem kämpfen manche Branchen. "Es ist eine mittlere bis schwere Katastrophe", findet etwa Gabi Pehr vom Ingolstädter Friseur Treubel. "Fast jeder will auf eine höhere Schule." Zehn Lehrstellen haben sie und ihr Bruder als Betreiber von sechs Filialen frei, "für heuer sind gerade zwei Verträge unterschrieben". Aber sie geben nicht auf.

Die Metzger kennen das Problem, in Ingolstadt jedoch weniger. "Hier ist das nicht so aufgefallen, denn wir haben nur noch fünf, sechs alteingesessene Betriebe", sagt Innungsobermeister Richard Huber. "Auf dem Land scheint es schon schwieriger zu sein. Ich habe aber das Gefühl, dass ein kleines Umdenken stattfindet und Handwerker gerade an Ansehen gewinnen."
 

Horst Richter

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