Ingolstadt

600 Stellen fallen weg

MediaMarktSaturn startet Neuausrichtung und informiert Beschäftigte über künftige Strategie

24.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:55 Uhr
Die MediaMarktSaturn-Zentrale in Ingolstadt: Aktuell laufen die Geschäfte beim Elektronikriesen alles andere als gut. Der Chef der Muttergesellschaft Ceconomy, Jörn Werner (oben), soll gemeinsam mit MediaMarktSaturn-Chef Ferran Reverter (Mitte) das Schiff wieder auf Kurs bekommen. Großaktionär und Freenet-Chef Christoph Vilanek (unten) bekommt wohl demnächst einen Aufsichtsratsposten bei Ceconomy. −Foto: Hauser, Reinhardt/dpa, Gambarini/dpa, Ceconomy

Ingolstadt (DK) Beim Ingolstädter Elektronikhändler MediaMarktSaturn sollen bis Ende September 600 Stellen wegfallen. Darüber informierte gestern Ferran Reverter die Belegschaft. Der neue Chef an der Spitze von Europas größtem Elektronikhändler gab den Angestellten zudem einen Einblick in die künftige Ausrichtung des Unternehmens. Dabei sollen nach Teilnehmerangaben die konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden und der Ausbau des Digital-Geschäfts zentrale Rollen spielen.

Den Worten Reverters zufolge seien bereits 200 Stellen in den vergangenen Wochen abgebaut worden, 400 weitere sollen an den Standorten Ingolstadt und München nun in kurzer Zeit folgen. Momentan arbeiten dort insgesamt rund 3500 Menschen. Das oberste Ziel sei, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, hieß es. Nach den Verhandlungen mit den Betriebsräten hätten sich drei Eckpunkte  in einem Sozialplan herauskristallisiert. Personalchef Werner Boekels hatte die Verhandlungen geführt und die Modalitäten vorgestellt. 
Neben dem  „Freiwilligenprogramm“, das Abfindungen vorsieht, haben die Betroffenen  die Möglichkeit, in einer internen Jobbörse eine neue Stelle zu finden. Über zwei Jahre hinweg besteht zudem die Chance, eine so genannte Outplacement-Beratung in Anspruch zu nehmen. Mit einer externen Beratungsagentur sollen ausscheidende Mitarbeiter unter anderem für neue Jobs qualifiziert werden. 
Auf der 90-minütigen Versammlung sprach auch Florian Gietl, der Deutschlandchef des Unternehmens. Neben Reverter  betonte auch er laut Teilnehmern die Notwendigkeit der Neuausrichtung. Man wolle den Blick nach vorne richten, um mit neuem Schwung das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Dem Vernehmen nach gab Reverter auch ein klares Bekenntnis zu Ingolstadt als Standort der Firmenzentrale ab.
 Nach Informationen unserer Zeitung soll der Media Markt in Ingolstadt zudem zu einem Vorzeige- und Testmarkt im Unternehmen ausgebaut werden.  Eine Abkehr von der Zwei-Marken-Strategie mit Media Markt und Saturn sei kein Thema im Moment, hieß es. Vielmehr klang immer wieder an, dass mit der neuen strategischen Ausrichtung  das Potenzial vollständig genutzt werden solle.  Von zu großer Komplexität und fehlender Geschwindigkeit in Prozessen war darüber hinaus gestern die Rede. 
Seit 2016 gehört MediaMarktSaturn zu Ceconomy und beschäftigt weltweit rund 60 000 Menschen.  Deren Vorstandschef Pieter Haas musste im Oktober des vergangenen Jahres seinen Hut nehmen. Nach drei Gewinnwarnungen in Folge  übernahm Reverter den Chefposten bei MediaMarktSaturn. Der  Spanier gehört seit 17 Jahren dem Unternehmen an und hat federführend die neue Strategie erarbeitet.  

Kommentar: Erforderlicher Schnitt

Seit gestern sind die Zahlen auf dem Tisch: Bei MediaMarktSaturn fallen innerhalb kurzer Zeit 600 Stellen weg. Für die über viele Jahre von einem rasanten Wirtschaftswachstum verwöhnte Region ist das wieder einmal eine schlechte Nachricht. Krisengerede ist dennoch fehl am Platz. Zum einen zeigt sich der Arbeitsmarkt in der Region immer noch robust. Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Deshalb sollten viele, die sich für eine Kündigung entschieden haben oder entscheiden werden, auch schnell wieder einen Arbeitsplatz finden. Zudem geht das Unternehmen mit dem Abbau sehr sensibel um und bietet Unterstützung an.

Zum anderen erfolgt die Neustrukturierung zu einem Zeitpunkt, in dem das Unternehmen noch alle Möglichkeiten besitzt. Klar ist nur, dass es auf keinen Fall so weitergehen kann wie bisher. Anspruch und Kaufverhalten der Kunden haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt, das Management hat das Unternehmen indes zu großen Teilen nach den lange Zeit gültigen Mustern gelenkt: personalintensiv und zu sehr auf alte Gewohnheiten bauend. Die Digitalisierung dagegen fordert Mut, Tempo und Beweglichkeit. Bei sinkenden Margen muss der Fokus zunehmend auf den Service gerichtet sein. Agilität statt Komplexität.

All das, was der Elektronikhändler gestern seinen Mitarbeitern erklärt hat, wird in Zukunft auch aus anderen Unternehmenszentralen zu hören sein. Zu allererst von Audi. Auch der Autobauer kämpft mit zunehmend komplexeren Märkten und Themen. Die Digitalisierung erfordert, alte Zöpfe rasch abzuschneiden und neue Kompetenzen aufzubauen. Dafür muss das lange bewährte Geschäftsmodell auf den Prüfstand. MediaMarktSaturn hat dies nun getan und den Blick nach vorne gerichtet. Überrascht dürften ohnehin die wenigsten gewesen sein, zu deutlich waren die Signale der vergangenen Wochen.

Der Zeitenwechsel ist aber nicht nur Aufgabe der Angestellten. Vielmehr müssen die Arbeitgeber bereit sein, ihre Mitarbeiter permanent zu fördern und über neue Entwicklungen rechtzeitig zu informieren. All dies schafft Vertrauen und steigert die Motivation. Denn das größte Gut eines Unternehmens, auch im Zeitalter der Digitalisierung, sind seine Menschen.

Stefan König

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