Ingolstadt

Der unbekannte Teil des Krieges

"Die Belagerung in der frühen Neuzeit": Vortrag von Daniel Hohrath im Bayerischen Armeemuseum beleuchtet Thema der neuen Dauerausstellung

19.09.2019 | Stand 02.12.2020, 13:01 Uhr
Spezialist für den Belagerungskrieg: Daniel Hohrath, Kurator am Armeemuseum.Pehl −Foto: Hammer, Pehl

Ingolstadt (peh) Es sind die Schlachten, die die Erinnerung dominieren.

Dabei gab es in der Geschichte wesentlich mehr Belagerungen als große Zusammenstöße feindlicher Heere auf offenem Feld. Deshalb widmet sich auch ein Teil der neuen Dauerausstellung des Bayerischen Armeemuseums, der die Formen des Krieges in der frühen Neuzeit (1600 bis 1815) zum Gegenstand hat, dem Belagerungskrieg, wie er in einem der Räume gezeigt wird.

Dabei befassen sich nur wenige Historiker mit dem Festungskrieg. Einer dieser Spezialisten ist Daniel Hohrath, Kurator am Armeemuseum (kleines Foto). Begleitend zur Ausstellung referierte er jetzt über "Die Belagerung in der frühen Neuzeit".

Festungen haben in den Kriegen Europas stets eine große Rolle gespielt, etliche Auseinandersetzungen wurden nur geführt, um in ihren Besitz zu kommen. Mit dem Aufkommen der schweren Feuerwaffen am Beginn der frühen Neuzeit boten die alten Verteidigungsanlagen mit ihren hohen Mauern jedoch kaum noch einen Schutz. Die Konsequenz: Die Festungen mussten ausgebaut werden, was später fast schon einen wissenschaftlichen Charakter annahm. Dies erforderte laut Hohrath jedoch einen enormen finanziellen Einsatz, so dass die jeweiligen Landesherren sich bei der Modernisierung nur auf wenige Städte konzentrierten. Kleinere Fürsten konnten sich das überhaupt nicht mehr leisten. In der Folge versanken etliche Städte, die als Zentren des Handels und des Verkehrs nicht zuletzt auch für die Heere wichtig waren, in der Bedeutungslosigkeit.

Im Neuen Schloss ist ein Raum dem Belagerungskrieg gewidmet. In dessen Zentrum steht das einzigartige Planungsmodell der Festung Ingolstadt aus dem Jahr 1570. Das große Holzbrett ist wohl die älteste oder eine der ältesten derartigen Miniaturen in Europa. Wie unschwer zu erkennen ist, wurde der Entwurf aber in dieser Form nicht ausgeführt. Ingolstadt hatte allerdings den Vorteil, eine annähernd halbkreisförmige Gestalt zu besitzen, was den weiteren Ausbau erleichterte.

Im Falle einer Belagerung wurden die Festungen möglichst rasch ausgebaut und verstärkt, wobei die Verteidiger ein freies Schussfeld benötigten. Als Faustregel galt: Auf einen Kanonenschuss alles offen. Nicht selten wurden in diesem Zuge die Vorstädte zerstört, was gerade die ärmere Bevölkerung am schlimmsten traf. Die Wohlhabenden dagegen versuchten, sich und ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Groß waren die Lasten, die die Stadtbürger durch die Einquartierung von Soldaten zu tragen hatten. Und nicht selten waren die Verteidiger ausländische Truppen. Als Ingolstadt während des Österreichischen Erbfolgekriegs belagert wurde, bestand die Besatzung aus 4000 Franzosen und 400 Bayern. Wie in den meisten derartigen Fällen kapitulierte Ingolstadt nach einigen Wochen und war bis 1745 besetzt.

Umgekehrt war aber eine Belagerung auch für die Angreifer eine große logistische Herausforderung. Es galt, Laufgräben anzulegen, um die Wälle zu stürmen, und die Soldaten mussten verpflegt werden. Hauptleidtragende solcher Belagerungskriege waren laut Hohrath fast immer die "unterbürgerlichen Schichten".

BEFESTIGUNGEN

Die Ingolstädter Festungsgeschichte lässt sich bis etwa 1250 zurückverfolgen: Damals gab es eine erste rechteckige Umwallung, von der aber nur noch der Herzogskasten erhalten ist. Gut 100 Jahre später wird mit der zweiten Befestigung begonnen, die 1430 fertiggestellt ist. Große Teile, darunter das Kreuztor, prägen noch heute die Altstadt.

Wiederum gut 100 Jahre später dann die Grundsteinlegung zur Renaissance-Festung mit ihren Basteien. Um 1650 wird dann für einige Jahre an der Barockfestung gearbeitet. Im Jahr 1800 wird die Festung Ingolstadt geschleift, aber 1828 mit dem Bau der klassizistischen Landesfestung begonnen (Reduit Tilly, Turm Triva).

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