Riedenburg

"Alle Hiebe sichtbar"

Der Riedenburger Steinbildhauer Günter Schinn wird für vier Grabmale ausgezeichnet

09.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:54 Uhr
Dreimal Bronze, einmal Silber: Vier Ehrenurkunden hat der Riedenburger Steinbildhauer Günter Schinn beim Gestaltungswettbewerb Grabzeichen erhalten. −Foto: Schmied

Riedenburg (DK) Schlicht, dafür mit umso intensiverer Oberflächenbearbeitung, aus einfachsten Mitteln oder auch mit durchdachten Details, die zusammen eine große, eine Lebensgeschichte ergeben: In diesem Spektrum bewegen sich die Grabmale, die der Riedenburger Steinbildhauer Günter Schinn anfertigt.

Vier davon sind nun ausgezeichnet worden. Beim Gestaltungswettbewerb Grabzeichen hat der 35-Jährige dreimal Bronze und einmal Silber erhalten.

Bronze, Silber, Gold - für ihn nicht ausschlaggebend, weil ein Grabmal viel mit Individualität zu tun hat. "Es ist und bleibt eine persönliche Anschauung", sagt Günter Schinn mit Blick auf das Gefühl, das so ein Erinnerungszeichen im Betrachter auslöst. Seine Freude über die vier Ehrenurkunden an sich ist einfach groß. Gerade deshalb, weil es bei dem Wettbewerb, den der Landesinnungsverband Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk Baden-Württemberg seit 1965 jährlich ausruft, nicht um Quantität, sondern eben um Qualität, um die individuelle Formsprache gehe.

Bei dem bundesweiten Wettbewerb sind 69 Arbeiten eingereicht worden, alle davon wurden von einer Jury bewertet. Denn dieser steht es frei, Bewerbungen abzulehnen, wie Schinn erklärt. Darüber hinaus ist die Teilnahme kostenpflichtig. "Das macht das Ganze wertiger", findet der Riedenburger. Die Voraussetzungen sind klar definiert: Das Grabmal muss bereits verkauft sein oder auf einem Friedhof stehen und aus einem europäischen Stein gefertigt sein. Importe aus China oder Indien sind ebenso tabu wie Fertigsteine aus dem Katalog. "Politur zum Beispiel soll nur als Akzent eingesetzt werden", beschreibt Schinn. Die Kriterien zur Bewertung waren dann die Form, die Bearbeitung, Schrift, Symbolik und der Gesamteindruck.

Bis zu fünf Arbeiten samt Fotos und Beschreibung der Entstehung und der Symbolsprache konnten eingereicht werden, Schinn hat sich für vier Grabmale entschieden. Zwei stehen auf dem Riedenburger Friedhof, eines in Schambach und eines im Altmannsteiner Ortsteil Sandersdorf. Dass die ausgezeichneten Erinnerungszeichen so eng beieinander stehen, sei eine besondere Ehre - für ihn, für die Stadt Riedenburg und vor allem auch für die Hinterbliebenen, die das Grabmal einst für ihren gestorbenen Angehörigen anfertigen ließen.

Wie wählt man also aus, wenn jeder Stein seine ganz eigene Sprache spricht? "Ich habe über alle Steine nachgedacht, die ich gemacht habe. Es ging mir auch darum: Wo stand ich damals, wo stehe ich jetzt? Wie habe ich mich entwickelt? ", beschreibt Günter Schinn. Eine minimalistische Gestaltungssprache sei es, die seine Arbeiten ausmache. Es sei viel schwieriger, eine Aussage auf reduzierte Art auf den Punkt zu bringen - eine Herausforderung, der er sich mit Herz verschrieben hat. "Man muss sein ganzes Wissen über das Handwerk abrufen", sagt er. Und: "Ich habe die Grabmale nach ihrer Einfachheit ausgesucht, die gerade deshalb die Symbolik nach vorne bringen. " Auch der Entstehungsprozess der ausgewählten Erinnerungszeichen habe eine Rolle gespielt. Wie war das, als die Angehörigen damals da waren? Wie intensiv war der Prozess? "Dann war ganz klar, für was ich mich entscheide. "

Da ist das Grabzeichen in Schambach, das aus einer alten Zaunsäule, dem Reststück eines anderen Grabsteins und einer Metallplatte besteht. In diesem Fall habe das Budget eine Rolle gespielt - oder auch nicht. Denn gerade über das Upcycling - die Umwandlung scheinbar nutzloser Stoffe in neue Produkte - kann für wenig Geld eine große Botschaft entstehen. Davon ist der Steinbildhauer überzeugt. Zu sagen "Ich suche, was gerade so umeinander liegt" sei zwar weder feinfühlig noch romantisch. Doch genau so und über zufällig passende Entdeckungen ist ein schlichtes Grabmal entstanden, das die Wünsche der Hinterbliebenen und auch des Verstorbenen erfüllt hat. "Das ist das Interessante an dem Wettbewerb, dass auch solche Sachen eine Chance haben. "

Eines der intensivsten und interessantesten Kundengespräche stehe in Zusammenhang mit dem Grabstein in Sandersdorf. Man sei sofort auf einem Nenner gewesen. "Die Frau wollte das Einfachste vom Einfachsten, dafür eine ausdrucksstarke Oberflächenbearbeitung", beschreibt Schinn. Nur dort, wo der Name des Verstorbenen eingraviert ist, ist die Stele poliert. Rundherum erkennt man die Spuren des Handwerks, wenn man sich auf die Suche begibt. "Vom gröbsten bis zum feinsten Eisen sind alle Hiebe sichtbar. "

Bei den beiden Erinnerungszeichen auf dem Riedenburger Friedhof war Familie das bestimmende Thema. Bei dem einen galt es, die Wünsche zweier Familien - eine sehr gläubig, die andere weniger - zu vereinen. Und der andere? "Das war der schwierigste Stein, den ich jemals gemacht habe. " Der für seinen Großvater, Michael Schinn, selbst Steinmetz, Handwerker durch und durch, Musiker, vor allem: Familienmensch. Frau, Kinder, Enkel - aus diesen Bestandteilen setzt sich die Gestaltung zusammen. Einmal den Zugang gefunden, ergab sie sich für Günter Schinn wie von selbst.

Die Wünsche des Verstorbenen mitdenken: Das ist nach Ansicht Schinns das Wichtigste, wenn sich die Hinterbliebenen für ein Grabmal entscheiden. "In ein Stück Stein kann man wahnsinnig viel Wärme reinbringen", ist er überzeugt. In einer Zeit, in der alles anonymer werde, sei es schön, wenn es so einen Ort der Trauer und Erinnerung gibt. "Egal, ob es eine Urnenplatte oder ein großer Grabstein ist. "
 

Kathrin Schmied

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