Ingolstadt

Ein Abend unter Freunden

Veriko Tchumburidze beim Abokonzert des Georgischen Kammerorchesters

18.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:04 Uhr
Veriko Tchumburidze war zu Gast beim GKO. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Wie gut das Georgische Kammerorchester und Ruben Gazarian miteinander harmonieren, muss zwar längst nicht mehr eigens notiert werden, es war jedoch auch beim 8. Abo-Konzert des GKO augen- und ohrenfällig feststellbar.

Die erste Konzerthälfte gehörte zunächst der 24-jährigen Geigerin Veriko Tchumburidze, die mit technischer Perfektion und expressiver Klangdramaturgie zu überzeugen wusste. Dabei gibt sich Jean Sibelius' (nachgelassene) Suite für Violine und Streichorchester op. 117 noch gänzlich heiter und - Getreidefelder scheinen im Streicherglanz zu wogen - behaglich folkloristisch angehaucht; kein großes Werk für die Ewigkeit, aber in drei kurzen Sätzen für die Solistin u. a. mit jagenden Spiccato-Sechzehnteln finger- und für das Publikum entsprechend herzerwärmend.

So war die Bühne bereitet für Wolfgang Amadeus Mozarts A-Dur-Violinkonzert KV 219, dessen Solopart die junge Georgierin mit ganz eigener Stimme ausfüllte. Changierte die Geige im Kopfsatz in Abstufungen zwischen aufmüpfig-keck, vergnügt und nachdenklich, so gestaltete Tchumburidze das Adagio dramaturgisch zu einer kleinen von der Solovioline beinahe introvertiert bestimmten Szene, die die Georgier fast überirdisch schön begleiteten. Ruben Gazarian ließ das GKO ansonsten seine Position in den Tutti-Passagen, nicht nur in der kraftvollen Alla-turca-Episode im Schlusssatz, klar akzentuiert, doch ohne übermäßige Schärfe behaupten. So ergab sich eine insgesamt stimmige, technisch beeindruckende Interpretation, die manchmal fast objektiv zu zeigen schien, welche subjektiven Wirkungen erzeugt wurden (wäre der große Schauspieler Alec Guinness Violinist gewesen, er hätte ähnlich gegeigt). Großer Beifall des Publikums im relativ gut besetzten Festsaal für Solistin und Orchester, der sich zum Jubel steigerte, als Tchumburidze - unter Schlagwerkbegleitung von Cellist Surab Shamugia - den furiosen Trommel-Tanz "Doluri" von Alexej Matschavariani zugab.

Nach der Pause zelebrierte das GKO zwei seiner Leib- und Magenstücke und präsentierte sich bei der dritten Kammersinfonie von Sulchan Nassidse und den "Miniaturen" von Sulchan Zinzadse ernst und heiter gleichermaßen in großer Form. Die 1969 komponierte, dem GKO gewidmete Kammersinfonie ist ein Werk mit schier unglaublicher Detailfülle auf engstem Raum, dabei spieltechnisch überaus anspruchsvoll gehalten. Wie es dem Komponisten Nassidse gelingt, vielfach wechselnden Ausdruck ohne Spannungsabfall unter einen großen, zwanzigminütigen Bogen zu bringen, wäre eine eigene Betrachtung wert. Mit größter Präzision, rhythmischer Exaktheit und durchweg intensivem Einsatz widmete sich das GKO unter Ruben Gazarian dem Werk, von dessen meditativem Beginn und einem aggressiv-stampfenden Mittelteil bis zum fast resignativem Verdämmern zweier Violinen über einem Bratschentremolo und vermittelte so den musikalischen Reichtum dieser Orchester.

Als heiterer Kontrapunkt dienten schließlich zehn der "Miniaturen für Streichorchester" von Sulchan Zinzadse. Dass diese unbeschwerte, im Vergleich zur Kammersinfonie sozusagen ungefilterte Folklore, die sich praktisch auf Anhieb erschließt, selbst beim Konzert des GKO in der Hamburger Elbphilharmonie mehrfach durch Zwischenapplaus unterbrochen wurde, verwundert ebensowenig wie die schon traditionelle Mitwirkung der Zuhörer beim seelenvollen "Suliko" (nächste Mitsumm-Gelegenheit beim Jubiläumskonzert Anfang November).

Gazarian befeuerte seine Musiker auch hier auf das Angeregteste, und das Orchester folgte seinem stets plastischen Dirigat bereitwillig. Hörbare Spielfreude und sichtbare Dirigierfreude, die sich unmittelbar auf das Publikum übertragen - wahrlich ein gelungenes Ergebnis eines Abonnementkonzerts.

Florian Erdle

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