Altmannstein

Mit Mehrarbeit gegen den Lehrermangel

Empörter Brief des BLLV Eichstätt - Altmannsteins Schulleiter plädiert für bessere Rahmenbedingungen

09.01.2020 | Stand 23.09.2023, 9:16 Uhr
  −Foto: Ammer

Altmannstein - In Bayern gibt es gerade an Grund-, Mittel- und Förderschulen massiven Lehrermangel.

1400 Vollzeitstellen könnten laut Kultusministerium im kommenden Schuljahr unbesetzt bleiben. Durch einen Notfallplan von Kultusminister Michael Piazolo (FW) sollen Unterrichtsausfälle verhindert werden - auf Kosten der Lehrer: So sollen Grundschullehrer mehr arbeiten, sie dürfen wie ihre Kollegen aus Real- und Förderschulen nur noch in Ausnahmefällen vor dem 66. Lebensjahr in Rente gehen, bei Teilzeitverträgen steigt die Mindeststundenzahl und Sabbatjahre werden abgeschafft. Der Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) Eichstätt, Stefan Rank, hat sich in einem offenen Brief zum Thema Lehrermangel an Landrat, Kreistag und Bürgermeister gewandt. Er spricht von einer "massiven Unterversorgung an Lehrern". Altmannsteins Schulleiter Richard Feigl plädiert vor allem für bessere Rahmenbedingungen und mehr Wertschätzung, um den Beruf auch für junge Leute wieder attraktiver zu machen.

"Der Lehrermangel ist dramatisch", weiß auch Altmannsteins Bürgermeister Norbert Hummel (CSU). Als Gemeindechef sei er aber zuständig für die Gebäude und nicht für die Einstellung der Lehrer, das ist Sache des Freistaats. Doch was er sehe ist, dass immer wieder Neues draufgepackt werde auf die Schulen, auf die Rücken der Lehrer, gerade im Bereich Integration und Inklusion - das mache es sicher nicht leichter.

Richard Feigl, Rektor der Altmannsteiner Grund- und Mittelschule, sagt auf die Frage nach dem Lehrermangel: "Wir haben die Grundversorgung. " An seiner Schule sind genau die Lehrerstunden vorhanden, die die Schule - berechnet nach Schülerzahl - bekommt. Der Lehrermangel hat also in Altmannstein noch nicht durchgeschlagen, dennoch sei er zu spüren, fügt Feigl hinzu. Früher habe es Neigungsgruppen gegeben, mehr Differenzierungsstunden für die Schüler. Etwas, das gerade in der aktuell großen ersten Klasse mit 27 Kindern wünschenswert wäre, so Feigl: Mehr Möglichkeiten, die Schüler aufzuteilen, sie nach Leistungsstand individueller zu fördern. Doch damit sieht es momentan schlecht aus.

Eine der Maßnahmen, die Piazolo gegen die Lücke in der Lehrerversorgung an Grund-, Mittel- und Förderschulen vorsieht, betrifft die bisherigen Teilzeitmöglichkeiten. Wer künftig ohne Kind einen Antrag auf Teilzeit stellt, muss nach Piazolo mindestens 24 Wochenstunden arbeiten. Rank schreibt dazu in seinem Brief: "Ich kenne in meinem Umfeld viele Kolleginnen und Kollegen, die beispielsweise ,nur' 20 Stunden unterrichten, gleichzeitig aber Woche für Woche weit über das bezahlte Maß hinaus ihre Arbeit verrichten, um dem eigenen Anspruch gerecht werden zu können. Bei Vollzeit müssten diese Abstriche machen. Das können oder wollen sie mit ihrem Berufsethos aber nicht vereinbaren. " Feigl kann dieses Argument gut nachempfinden. Für ihn ist die Einschränkung der Teilzeitmöglichkeiten eine weitere Maßnahme, mit der die Attraktivität des Berufs geschmälert und die Frustration gesteigert wird. Viele Lehrer, die ihre Arbeit besonders gut und gründlich machen wollen und die vielleicht sogar in einer Anfangsklasse oder mit der Übertrittsproblematik beschäftigt seien, würden mit ihren Stunden einfach nicht über die Runden kommen. Es sei wirklich so, dass Lehrer häufig in Teilzeit seien und damit auch weniger verdienen, weiß Feigl - und zwar, um den Anforderungen gerecht zu werden. Er spricht von 70 Stunden die Woche, die ein Lehrer schon mal arbeite mit Unterricht, Vorbereitung und Nachbereitung. Und die Anforderungen würden nicht geringer. "In einem sozialen Beruf ist man für den Menschen da - und für den macht man die Überstunden", weiß Feigl. Doch irgendwann gehe das auch bei den Lehrern nicht mehr so weiter. "Gerade an Grund- und Mittelschule wird im Bereich Inklusion und Integration vieles kostengünstig auf uns abgeschoben. " Ein Problem, das Feigl mit darin begründet sieht, dass die Förderzentren, an denen hervorragende Arbeit geleistet werde, oft nicht weiter ausgebaut würden. Wenn er dann wegen eines Schülers, der an einer Förderschule besser aufgehoben wäre, dort anrufe, heiße es: Wir sind voll. Etwas, das sich mit der geplanten Förderschule in Kösching verbessern könnte. Bislang werde die Grund- und Mittelschule als Grundversorger häufig mit schwierigen Fällen alleine gelassen.

Dazu komme, wie Feigl ebenfalls anführt, dass Grund- und Mittelschullehrer von der Bezahlung her nachgestellt seien und zusätzlich zum geringeren Gehalt weniger Beförderungsmöglichkeiten hätten als Gymnasial- oder Realschullehrer. "Man wird nicht Lehrer, wenn einem das Geld sehr wichtig ist", ist sich Feigl sicher. Dennoch sei eine angemessene Bezahlung wichtig, gerade in einer Region, in der man beim Wohnraum mit Ingenieuren konkurriert.

Dass der Beruf des Lehrers für junge Leute derzeit wenig attraktiv ist, wundert weder Feigl noch seine Kollegen. Zu hohen Anforderungen und mäßigem Gehalt kämen noch blöde Sprüche wie: Ihr mit euren Ferien. Dabei sei eine Wertschätzung der Arbeit so wichtig, gerade auch durch die Politik. Doch Feigl erinnert sich noch genau an den Satz des ehemaligen CSU-Parteichefs Erwin Huber im Bezug auf den Abbau des Beamtenapparates in Bayern: "Wer einen Sumpf trockenlegen will, darf nicht vorher die Frösche fragen. " Diese Meinung der Politik gegenüber Lehrern habe sich eingeprägt. Und gerade hier, beim Ansehen des Lehrerberufs, müsse man ebenfalls ansetzen, um diesen wieder attraktiver zu machen. Denn: "Meine Kollegen leisten hervorragende Arbeit, da steckt viel Herzblut drin", lobt Feigl. "Aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen. "

Eine Maßnahme, mit der laut Rank Schulen auf Versorgungslücken reagieren würden, sind jahrgangskombinierte Klassen. Eine Option, die Feigl für problematisch hält - zumindest an Schulen normaler Größe, an denen die Lehrer nicht hinter dem Prinzip stehen würden. Für sehr große Einrichtungen, an denen man im Rahmen einer flexiblen Grundschule den Eltern eine Kombiklasse als Option anbieten könne, ist es für Feigl ein sinnvolles Modell, ebenso an kleinen Schulen wie Pondorf, in der es derzeit zwei Kombiklassen gibt.

Über Kleinschulen schreibt Rank in seinem Brief: "Manch zusätzlicher Standort wird nicht zu halten sein. " Die Großgemeinde Altmannstein hat drei Schulen und bisher war die Ansage der Regierung, dass keine Schulen geschlossen werden sollen. Bürgermeister Hummel ist klar, dass die Schulen nur mit Zuschüssen der Regierung saniert werden können - und werden diese Gelder genehmigt, sei es auch sinnvoll und so gewollt, dass es die Schulen weiter gibt. Dazu kommen die Breitensportler, die ebenfalls die Gebäude nutzen. Auch Feigl hält es mit dem Satz: "Kurze Wege für kurze Beine. "

Rank schreibt in seinem Brief außerdem: "Wir Schulen arbeiten hart daran, den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung zu tragen: Durch neue Lehr- und Lernformen, durch neue Unterrichtsinhalte, durch neue Formen der Kommunikation und Bewertung, aber beispielsweise auch durch verschiedene Betreuungsangebote am Nachmittag. " Feigl geht in dem Bereich auf die Ausstattung im Feld der Digitalisierung ein. Es gebe zwar Förderzusagen, doch: Wer installiert die Programme? Wer wartet die Technik? All das bleibe einmal mehr am Lehrer hängen. Es werde immer mehr, was man bewältigen müsse, zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben, beschreibt Feigl. "Es wird viel verlangt und wir werden oft alleine gelassen. "

DK

Isabel Ammer

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