"Politisch Andersdenkende werden diffamiert"

23.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:41 Uhr

Leserbrief zu dem DK-Artikel "Neue Mehrheiten im Rathaus möglich" vom 17. März und "Schulsanierung schlägt auf Etatplan" durch vom 10. März:

In ungewöhnlicher Weise wurden nach nur einmaliger Vorberatung im Hauptverwaltungsausschuss die geplanten Haushaltszahlen für das Jahr 2020 am 10. März, also noch kurz vor der Wahl über den DONAUKURER der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach einer ersten fraktionsinternen Prüfung durch die Bürgerliste muss man feststellen, dass dieser Haushaltsentwurf noch nicht einmal das Wort "Entwurf" verdient, geschweige denn "Haushalt". Dieses Papier hatte offensichtlich nur das Ziel, die Wiederwahl des CSU-Bürgermeisterkandidaten zu befördern. Dabei ist ein Großteil der CSU-Kandidaten für den Stadtrat nicht davor zurückgeschreckt, als Trittbrettfahrer des Bürgermeisters politisch Andersdenkende zu diffamieren und am Ende hartnäckig und in aller Öffentlichkeit zu behaupten, die von den politischen Mitwettbewerbern genannten Zahlen seien falsch.

Gegenüber dem DONAUKURIER äußerte sich Bürgermeister Siegfried Lösch wortwörtlich und nachweislich wie folgt: "Riedenburg hat bis dato keine Schulden, sondern verfügt über 2,4 Millionen Euro an Rücklagen". CSU-Stadtrat Maximilian Sedlmeier behauptete zwei Tage nach der Wahl "es sei nicht fair gewesen einen alten Etatplan zu zitieren, der mit der Realität nichts zu habe" und "er frage sich, inwieweit man derlei Unwahrheiten verbreiten darf".

Offensichtlich wurde Sedlmeier bisher nicht darüber aufgeklärt, dass eine vom Stadtrat beschlossene Haushaltssatzung solange gilt, bis mit einem neuen Satzungsbeschluss die Haushaltssatzung vom Vorjahr außer Kraft tritt und gleichzeitig eine neue zur Rechtskraft geführt wird. Da der Stadtrat bisher keinen Haushaltsbeschluss für das Jahr 2020 gefasst hat, gilt logischerweise der Haushalt von 2019 mit Fortschreibung für die Jahre 2020 und 2021. Wahrscheinlich war es ihm und den Damen und Herren der CSU gar nicht der Mühe wert, diese Zahlen, einschließlich der geplanten und vom Landratsamt genehmigten Schuldenaufnahme, wenigstens einmal anzuschauen. Denn ansonsten hätte er nicht eine derart unsinnige Aussage treffen können, der "Etatplan sei veraltet und hätte mit der Realität nichts zu tun". Fakt sind und bleiben die geplanten Zahlen für den "Rekordhaushalt" 2019. Zur Erinnerung besonders an die Stadtratsmitglieder der CSU: Die aktuell immer noch gültige Haushaltssatzung für 2019 sollte einen Rekordinvestitionsumfang in Höhe von 11,2 Millionen Euro umfassen - mit einer Deckungslücke von fast sechs Millionen Euro. Durch die geplante Auflösung der letzten Rücklagen und durch Zuführung von 900000 Euro vom Verwaltungshaushalt in den Investitionshaushalt sollte diese Summe auf knapp drei Millionen Euro reduziert werden. Für die Finanzierung dieser Haushaltsfehlsumme sollte 2019 ein Kredit in Höhe von knapp drei Millionen Euro und im aktuellen Jahr 2020 dann nochmals knapp vier Millionen Euro, also in Summe rund sieben Millionen Euro an Schulden aufgenommen werden.

Dass diese Zahlen aktuell noch nicht erreicht worden sind, liegt nicht primär daran, dass der amtierende Bürgermeister besonders sparsam gewirtschaftet hätte, wie von seinen Parteikollegen gerne dargestellt wird, sondern dass die geplanten und beschlossenen Projekte einfach noch nicht umgesetzt werden konnten.

Sein scheidender Fraktionskollege Friedrich Riemhofer und wiederum Lösch hatten sich bei der Wahlkampfauftaktveranstaltung in Buch darüber lautstark ereifert, dass eine politische Gruppierung in ihrem Wahlflyer geschrieben hätte, "die erste Haushaltssatzung für 2019 wurde vom Landratsamt als nicht genehmigungsfähig zurückgewiesen". Das sei falsch, der Haushalt sei nicht vom Landratsamt abgelehnt worden, wurde mantrahaft auf jeder CSU-Wahlveranstaltung wiederholt. Wahrscheinlich haben sie es irgendwann selbst geglaubt. In der Sitzung des Stadtrates am 2. März hat dann der Kämmerer wortwörtlich zu diesem Thema Stellung genommen: "Wir waren im Landratsamt und dann ist uns mitgeteilt worden, dass der Haushalt 2019 so nicht genehmigungsfähig sei" - mehr muss man an dieser Stelle gar nicht hinzufügen, diese ehrliche Aussage spricht eindeutig für sich.

Da wir als BGR-Fraktion die Arbeit im Stadtrat sehr ernst nehmen, haben wir für uns selbst einen Berechnungsalgorithmus erstellt, in dem die wesentlichen Haushaltseckpunkte mit weit über 100 Einzelpositionen abgebildet werden und mit dessen Hilfe dann natürlich auch ein ungefährer Kassenstand berechnet werden kann. Ungefähr deshalb, da wir von der BGR-Fraktion im Gegensatz zur Kämmerei nicht über tagesaktuelle Buchungsdaten verfügen können, die den Fertigstellungsfortschritt der einzelnen Investitionsprojekte beinhalten. Wir wissen aber, welche Projekte begonnen wurden und welche nicht. Daraus konnten wir errechnen, dass der derzeitige Kassenstand der Stadt Riedenburg, wie von Bürgermeister Lösch am 10. März öffentlich verkündet, nie und nimmer bei 2,4 Millionen Euro liegen kann.

Da wir diese Aussage von Anfang an als Wahlkampfmasche der CSU durchschaut haben, und um für die neue Haushaltsplanung eine verlässliche Aussage über den Kassenstand der Stadt Riedenburg zu bekommen, haben wir den aktuellen Kassenstand schriftlich bei der Stadtverwaltung angefragt und gleichzeitig die Rechtsaufsicht am Landratsamt Kelheim davon in Kenntnis gesetzt. Nach schriftlich vorliegender Auskunft durch den Stadtkämmerer beträgt der Kassenstand der Stadt Riedenburg zum 20. März nicht 2,4 Millionen Euro - wie von Bürgermeister Lösch noch kurz vor der Wahl behauptet - sondern nur noch rund 1,1 Millionen Euro.

Und diese 1,1 Millionen Euro sind nach unserer Berechnung nicht als Rücklagen zu betrachten, die in den neuen Haushaltsansatz für 2020 bis 2022 so einfach übernommen werden könnten. Hier muss man genau differenzieren, welche Rechnungsbeträge aus laufenden Projektabwicklungen noch bedient werden müssen. Dies haben wir ebenfalls bei der Kämmerei angefragt, aber keine konkrete Antwort dazu erhalten. Nach unserer eigenen Berechnung dürfte aber so gut wie keine Rücklagenüberführung in das Haushaltsjahr 2020 möglich sein, da der aktuelle Kassenstand innerhalb der kommenden Monate weitgehend durch noch laufende Projektkosten aufgezehrt werden wird.

Der kurz vor der Kommunalwahl Bürgermeister Lösch vorgestellte "Märchenhaushalt" mit 2,4 Millionen Euro Rücklagen, die nachweislich in der Höhe nicht vorhanden sind, und einer weiteren Schuldenmacherei in Höhe von mindestens 3,5 bis vier Millionen Euro entspricht leider in keiner Weise dem Gebot einer soliden Haushaltsplanung. Dieser Plan hatte aus unserer Sicht von Anfang an nur das eine Ziel, mit Hilfe von frisierten Zahlen, die Wiederwahl des Bürgermeisters zu befördern. Die Mehrheitsverhältnisse im neuen Stadtrat haben sich jedoch so weit verändert, dass ein Durchwinken des erstellten Haushaltsentwurfs als nicht mehr möglich erscheint.

BGR-Stadtrat

Martin Schwarzmeier,

Altmühlmünster

 

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