Eichstätt

Sternenbanner am Rathaus

Am 25. April 1945 rücken amerikanische Soldaten in Eichstätt ein - Weltuntergangsstimmung

24.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:29 Uhr
Lastwagen der amerikanischen Armee standen 1945 rund um die Mariensäule auf dem Residenzplatz. −Foto: Archiv Ettle

Eichstätt - Die letzten Kriegstage in Eichstätt: Maschinengewehrfeuer aus Tieffliegern, Bombenabwürfe, Granateneinschläge.

Deutsche Soldaten sorgen für Chaos und zerstören Brücken in Stadt und Land. Die Bevölkerung der Stadt sei durch den Zuzug von Bombengeschädigten und Flüchtlingen von rund 8000 auf etwa 20000 gestiegen, schreibt der Chronist der Kolpingfamilie Eichstätt, Martin Egner.

Am 23. April sei "Großalarm" gegeben worden, berichtet er weiter, und die Stadt sei ohne Strom gewesen. Wegen des heftigen Artilleriefeuers habe Weltuntergangsstimmung geherrscht, zahlreiche Gerüchte seien verbreitet worden.

Tags darauf, am 24. April, erhängen unmenschliche, fanatische SS-Leute zwei Männer am Leonrodplatz. Die Opfer sind Valentin Kriegl (37) aus Eichstätt und Ludwig Lamour (39) aus Saarbrücken. Sie wollten verhindern, dass die Spitalbrücke gesprengt wird, und hatten die Zündkabel der gelegten Fliegerbomben durchtrennt.

Am Mittwoch, 25. April, sind amerikanische Soldaten kurz davor, in die Stadt einzurücken. Nachts um 2 Uhr jagen deutsche Soldaten die Spitalbrücke in die Luft. An der Spitalkirche und den umliegenden Häusern gibt es schwere Schäden. Egner: "Eilig verließen nun Gestapobeamte, Parteigrößen und die letzten deutschen Soldaten die Stadt. " Der nationalsozialistische Eichstätter Bürgermeister Hans Rösch hat die Stadt bereits im Stich gelassen und Oberinspektor Josef Kleber mit den Amtsgeschäften betraut.

Auf der Willibaldsburg und im Rosental verschanzen sich SS-Soldaten, es wird geschossen, ein paar Granaten schlagen in der Stadt ein, in die Mauer der Frauenbergkapelle und in Wohnhäuser.

Einige in Eichstätt bemühen sich darum, die Stadt kampflos zu übergeben. Dazu gehört auch der Amtsoffiziant im Rathaus, Anton Halbich, der seinen Bericht dem Eichstätter Stadtforscher Franz Ritter von Hofer diktiert: "Am 25. April bekam ich von einem Beamten den Auftrag, den Amerikanern mit einer weißen Fahne entgegenzugehen. Da wurde von der Willibaldsburg her noch von der SS (nationalsozialistische Schutz-Staffel) geschossen. Ich ging durch das Tiefe Tal und über die heutige Bundesstraße zur Wegscheid. " Dort erklärt er dem US-Kommandanten: "Ich melde, der Bürgermeister übergibt die Stadt. Diese ist von Truppen frei. "

Auf den Weg macht sich auch der Fahrbereitschaftsleiter Georg Brummer. Nach seinen Angaben soll er einen Brief von Äbtissin Maria Anna Spiegel von und zu Peckelsheim übergeben. In dem Schreiben sei um Verschonung der Stadt gebeten worden, berichtet Brummer später, und er habe den Umschlag an die richtige Stelle gebracht. 1989 wird den EICHSTÄTTER KURIER ein Brief von George Schriever aus New York erreichen, wo er berichtet, dass er als Geheimagent der US-Streitkräfte zur Äbtissin geschickt worden sei, um über den Widerstand gegen die Nationalsozialisten und andere Themen zu sprechen. Aufzeichnungen darüber gibt es nicht, aber Schriever fordert in dem Brief dazu auf, der Äbtissin in Eichstätt ein ehrendes Andenken zu bewahren.

Auch Oberst Otto Marschall kommt ein großes Verdienst dabei zu, dass Eichstätt von schlimmen Kampfhandlungen in den letzten Kriegstagen verschont wird. Er war von der Wehrmacht nach Eichstätt entsandt worden, um eine Abwehrlinie aufzubauen; die Verteidigung der Stadt war von Gauleiter Karl Holz angeordnet worden. Nach der Schilderung von Josef Kürzinger, der engen Kontakt zu Oberst Marschall hatte, gibt dieser quasi in letzter Stunde einen gegenteiligen Befehl heraus.

Dann rücken die Amerikaner ein. Gretl Schön, geborene Zeitlinger, schreibt: "Die Soldaten kamen von der äußeren Westenstraße her. Durch Schläge an die Haustüren verschafften sie sich Einlass. Verschreckte Frauen kamen aus den Kellern und öffneten die Türen. Die US-Kämpfer suchten nach deutschen Soldaten. Später unternahm ich einen Gang zur Volksbank, wo ich beschäftigt war. Im Innenhof der Bank standen deutsche Soldaten dicht gedrängt und wurden von US-Soldaten bewacht. " Wehrmachtsangehörige und SS-Soldaten, die nicht rechtzeitig fliehen, geraten in Gefangenschaft. "Gegen 9 Uhr kam ein Bote zu uns, der die von uns verfertigte weiße Fahne holen wollte", steht in der Chronik der Benediktinerinnen, die die Klosterarchivarin von Sankt Walburg, Schwester Maria Brigitta zu Münster, herausgegeben hat. Die Fahne wird später auf dem Turm des Rathauses gehisst.

Nach Angaben von Zeitzeugen kommen die US-Soldaten etwa um 10 Uhr vor dem Rathaus an. Dazu schreibt der Obermonteur Anton Baumeister: "Ich leitete die Amerikaner durch die Stadt. Als weiße Fahne diente mir ein Kissenbezug. Rund zehn Meter vor den Soldaten gehend, musste ich die Bevölkerung anweisen, Türen und Fenster zu öffnen. Der Weg führte durch die Große Marktgasse in Richtung Buchtal, Antonigasse und Hindenburgstraße. "

In der Chronik der Benediktinerinnen heißt es über die Äbtissin Spiegel, die den Brief abgeschickt hat: "Hochwürdige Mutter Benedicta wurde gebeten, gleich mit ins Rathaus zu kommen, um verhandeln zu können. Der Fahrer Jägle brachte sie und Schwester Brigitta zum Rathaus. Dort herrschte ziemliche Verwirrung. Etliche Amerikaner standen vor der Tür und nickten Mutter Benedicta freundlich zu. Kinder umstanden die Panzer. Im Saal hängte Stadtkämmerer Joseph Meier schnell Bilder von Hitler und Gauleiter Streicher ab und ließ sie in einer Kommode verschwinden. Währenddessen wurde immer noch geschossen und es musste Schutz im Keller gesucht werden. "

Die US-Militärregierung habe sich im Rathaus eingerichtet und das Sternenbanner gehisst, "ein gütiges Geschick hat die Stadt vor der Zerstörung bewahrt", schreibt Martin Egner. Mit dem Einrücken der amerikanischen Soldaten geht für Eichstätt und eine Reihe der Kreisgemeinden der Krieg zu Ende.

Das US-Regiment kam danach im Eichstätter Raum rasch voran. Bereits einen Tag nach Eichstätt, am 26. April 1945, hatte es Pfünz, Inching, Pietenfeld, Hofstetten, Eitensheim, Hitzhofen, Lippertshofen und Friedrichshofen eingenommen. Um 19 Uhr hatten die Soldaten Ingolstadt besetzt und waren dabei, die Donau zu überqueren. Kipfenberg war nach wilder Schießerei der Artillerie in der Nacht zum 26. April 1945 erobert worden.

Am 4. Mai 1945 wandte sich Stadtoberinspektor Joseph Kleber "als von der alliierten Militärregierung eingesetzter Bürgermeister" an die Bewohner der Stadt Eichstätt: "Im Gegensatz zur Propaganda der Vergangenheit hat die Militärregierung weitgehendes Verständnis für unser Schicksal bewiesen. Die Hauptaufgabe der nächsten Zukunft wird die Wiedererlangung des normalen Lebens, die Lebensmittelversorgung, der Wiederaufbau des Zerstörten und Linderung der größten Not sein. "

Nach kurzer Zeit wurde Kleber wegen seiner NS-Funktionen festgenommen und verurteilt. Am 8. Mai 1945 erfolgte die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht. Am 9. Mai setzte die Militärregierung als Landrat Otto Betz von Sperberslohe und als Bürgermeister Romuald Blei ein.

EK

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