Eichstätt

Mit Scharlach in die Baracke

Isolation im alten Städtischen Krankenhaus - Wellen von Infektionsleiden befielen viele Kinder

23.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:29 Uhr
  −Foto: Archiv Stadtheimatpfleger/Sammlung Hager, Sammlung Ettle

Eichstätt - Chronischer Platzmangel machte Patienten, Krankenschwestern und Ärzten im alten Städtischen Krankenhaus das Leben schwer.

Das ging sogar so weit, dass in den 1930er-Jahren eine Baracke aufgestellt wurde, um darin Leidende abgesondert unterbringen zu können. Noch lang nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieses Notquartier belegt, zum Beispiel als Isolierstation bei Ausbruch epidemischer Infektionen. "Die Baracke" war in Stadt und Land gefürchtet und wer konnte, wehrte sich mit Händen und Füßen gegen eine Verlegung dorthin.

Adelheid Treffer aus Bad Nauheim fiel jetzt in Zeiten der Corona-Krise wieder ein, dass sie im Jahr 1960 als Scharlachkranke mit sechs Jahren zusammen mit einer Reihe anderer Kinder für etwa vier Wochen ein Bett in der Baracke zugewiesen bekam. Treffer stammt aus der Eichstätter Hausmeisterfamilie an der Katholischen Knabenschule, Anna und Johann Linz. Aus ihrer Erinnerung: "Im Kinderraum waren vielleicht ein Dutzend Mädchen eingesperrt im Alter von drei bis 14 Jahren. Alle waren schwer krank und bekamen von einer Schwester jeden Tag Penicillinspritzen, sie wurden dabei festgehalten und schrieen laut. " Es habe wohl noch einen Saal für Buben gegeben und Räume für Frauen und Männer. Besuche in der Isolierstation seien nicht gestattet gewesen. Zuständiger Internist war zu der Zeit Dr. Alois Sirinek, den Pflegedienst versahen Barmherzige Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul, erkennbar an den großen weißen Flügelhauben. Die Schwestern, deren Mutterhaus in München ist, waren in Eichstätt von 1841 bis 1994 segensreich tätig.

Der sogenannte Spethsche Hof im Osten der Stadt wurde ab 1841 als Krankenhaus genutzt. Damals war das Eucharische Krankenhaus gegenüber der Maria-Hilf-Kapelle in der Westenstraße geschlossen worden. Die Räume in dem danach belegten historischen Haus in der Ostenstraße mussten bis 1954 genügen. Darin lagen in den Krankensälen bis zu zwölf Patienten. Viele mussten, zum Beispiel in den Zeiten der Influenza-Epidemien, auf den Gängen ausharren. Der Neubau von 1954 mit Sechs-Bett-Zimmern wurde schräg an den ehemaligen Spethschen Domherrnhof angebaut. Bei der Errichtung des heutigen modernen Kreiskrankenhauses, für das sich Landrat Konrad Regler vehement eingesetzt hatte, und das im Oktober 1982 bezugsfertig war, wurde der "alte Neubau" abgebrochen.

Wie der langjährige Verwaltungsleiter Amtsrat Albert Freundl in seinem umfangreichen Beitrag in den "Historischen Blättern" ausführte, wurde die Baracke an den Rand des Krankenhausgeländes unterhalb der Antonistraße verschoben. Nach Schilderungen alter Eichstätter waren in dem "Notkrankenhaus" nur einfache Holzgestelle als "Bettstadl" vorhanden. Die Wände waren roh aus Holz gezimmert und schlichte Winterfenster sollten die Kälte draußen halten. In einem Zeitungsbericht von 1950 heißt es, dass sich jeder sträubte, dort aufgenommen zu werden. Die Baracke sei nur bei Bettenmangel belegt worden, der aber praktisch immer herrschte. Zum Schluss wurde die Baracke als Abstellmöglichkeit genutzt und erst 1973 beseitigt.

Hoch ansteckende Infektionskrankheiten wie Pest und Cholera haben in den zurückliegenden Jahrhunderten Menschenleben in erschreckend hoher Zahl gefordert. Wie berichtet, erinnert das "Hohe Kreuz" von 1854 auf der Berghöhe oberhalb des Restaurants und Hotels "Schönblick" an diese Heimsuchungen. Zu den Epidemien im 19. Jahrhundert gibt die Dissertation von Dr. Gerold Wirth (1986) einen Überblick: "Die Geschichte des Eucharischen bzw. Städtischen und des Distriktskrankenhauses von Eichstätt sowie deren Einfluss auf die Sterblichkeit im 19. Jahrhundert". Das Distriktskrankenhaus stand am Burgberg und wurde vom Bezirk (Landkreis) betrieben. Danach trat 1874 eine Masern- und Scharlach-Epidemie bei Schulkindern auf. Mehrere Schulen wurden vorübergehend geschlossen. Von Oktober 1878 bis Juni 1979 grassierte in Eichstätt und auch in den Gemeinden eine Scharlach- und Diphtherie-Epidemie. Diese hatte viele Todesopfer zur Folge, überwiegend Kinder. 17 Menschen erlagen der Scharlach-Infektion, neun starben an Diphtherie und zwei an Typhus.

Schon 1880 brachen wieder die Masern unter den schulpflichtigen Kindern aus. Erneut mussten Schulen Zwangspausen einlegen. Vorwiegend Kleinkinder waren 1891 vom gehäuften Auftreten von Croup und Diphtherie betroffen. Croup ist eine gefährliche Hustenerkrankung im Kindesalter. In den Jahren von 1885 bis 1887 litten sehr viele Kinder unter Keuchhusten, Scharlach, Diphtherie und Blattern (Pocken).

Im Januar 1890 waren alle Schulen in Eichstätt über Wochen hin geschlossen. Grund dafür war eine europaweit herrschende Grippewelle, damals Influenza genannt, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen in Mitleidenschaft zog. In vielen Familien lagen drei bis vier Kranke in den Betten und das Städtische Krankenhaus konnte die schwer kranken Patienten kaum noch aufnehmen.
Schon am 3. Januar 1890 meldete der EICHSTÄTTER KURIER: "In der Königlichen Lehrerbildungsanstalt sind über 40 Zöglinge erkrankt. " Auch im Eichstätter Jäger-Bataillon schnellten die Krankenziffern nach oben. 41 Soldaten hatte es am 4. Januar 1880 "erwischt". Um für die Bettlägerigen Platz zu schaffen, wurde eine halbe Kompanie von der Hofgartenkaserne (Sommerresidenz) auf die Willibaldsburg verlegt.

In Hard waren schon Ende Dezember des Jahres 1889 zahlreiche Einwohner an Grippe erkrankt. Aus Konstein wurde gemeldet, dass die Krankheit insbesondere unter den Arbeitern der Glashütte und in deren Familien wütete. Im Eichstätter Krankenhaus lagen am 7. Januar 1890 bereits 37 grippekranke Personen. Am 10. Januar waren es 52 Patienten , schließlich als höchste Zahl 59 Kranke am 12. Januar.

HK

Josef Ettle

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/mit-scharlach-in-die-baracke-1952183
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