Hilpoltstein

Berauschender Pokalerfolg vor leeren Rängen

Überragender David Reitspies führt Hilpoltsteins Tischtennisasse ins Achtelfinale - Dort wartet Erstligist OE Bad Homburg

06.09.2020 | Stand 02.12.2020, 10:37 Uhr
Angeführt von einem überragenden David Reitspies haben die Tischtennisspieler des TV Hilpoltstein erneut das Achtelfinale des DTTB-Pokals erreicht. Der Tscheche gewinnt alle seine fünf Einzel und düpiert dabei auch den ehemaligen Hilpoltsteiner im Trikot von Hertha BSC, Philipp Floritz (kleines Bild, links) mit 3:1. Die Teamkameraden klatschen anerkennend Beifall. −Foto: Tschapka

Hilpoltstein - Kontaktbeschränkungen, Abstandsregelungen, Hygiene-Maßnahmen oder ein neues Spielsystem – und all das vor leeren Rängen. Der Saisonauftakt des TV Hilpoltstein stand ganz im Zeichen von Corona beziehungsweise des Covid-19-Schutzkonzeptes des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB). Dass der Zweitligist mit einer überzeugenden Leistung die Pokal-Vorrunde rockte und mit drei Siegen erneut in das Achtelfinale einzog, geriet dabei fast zur Randnotiz.

Die Szenerie mutet ein wenig bizarr an: 16 Spieler, dazu eine Handvoll Betreuer, Schiedsrichter, Offizielle, Helfer und Funktionspersonal verliert sich in der riesigen Stadthalle. Masken innerhalb und außerhalb der Boxen dominieren die Szenerie. Kein Abklatschen nach einem Spielgewinn, vom Hilpoltsteiner Rundtanz nach dem Gesamtsieg ganz zu schweigen. Kuchen gibt es nur steril abgepackt, frischen Kaffee gar nicht. Alles wirkt distanziert, irgendwie herunter gedimmt. Stimmung will im Corona-Modus kaum aufkommen, auch wenn sich die Beteiligten alle Mühe geben. Uli Eckert und Robert Nachtrab etwa, die nach der Ära Bernd Beringer als Hallensprecher fungieren und einen guten Job machen.

Besonders schmerzhaft ist das Fehlen des Publikums. Im Durchschnitt sorgten rund 400 Besucher bei den Heimspielen für Gänsehaut-Momente. Hilpoltstein lebt seit Jahren wie kaum ein anderer Zweitligaverein vom „fünften Mann“. Doch es hilft nichts, es muss ohne gehen. „Wir müssen mehr denn je auf unseren Zusammenhalt setzen“, sagt Kapitän Alexander Flemming, der von den Emotionen lebt.

Die Motivation hat jedenfalls nicht gelitten. Und so war die Pokalrunde, die traditionell die Saison eröffnet, eine willkommene Standort-Bestimmung. In der Vorrunden-Gruppe 3 bekamen die Hilpoltsteiner mit der NSU Neckarsulm, dem TV Leisellheim, vor allem aber mit Hertha BSC Berlin recht knackige Gegner vorgesetzt. Die „alte Dame“ mit dem Ex-Hilpoltsteiner Philipp Floritz an der Spitze, wird sogar als Titelaspirant gehandelt.

Womit wir beim sportlichen Teil angelangt sind. Und ohne die Leistungen der anderen irgendwie schmälern zu wollen, geriet die Veranstaltung zu einer One-Man-Show des David Reitspies. Der Tscheche war motiviert bis in die Haarspitzen und sorgte mit einer makellosen Bilanz von 5:0-Siegen fast im Alleingang für den Erfolg. Dabei hatte er einige harte Nüsse zu knacken. Gegen Neckarsulm lieferte er sich mit dem Defensivspieler Florian Bluhm einen sensationellen Kampf über fünf Sätze hinweg und knackte als bisher einziger Hilpoltsteiner überhaupt das Abwehrbollwerk des Schwaben.

Herausragend auch sein Match gegen den Herthaner Philipp Floritz, der mit einer Menge Spielwitz ausgestattet ist. Eine Augenweide, wie dieser das Tempo variiert und mit einem Sideschnitt über dem Tisch den Rhythmus brechen kann. Doch Reitspies hielt mit unglaublichem Engagement dagegen und setzte sich auch in diesem Prestigekampf, der über die volle Distanz ging, knapp durch. Dass der „Lange“ zuvor den ehemaligen 69-fachen Nationalspieler Torben Wosik mit 3:1 düpiert hatte, kommt nicht von ungefähr. Er hat enorme Fortschritte gemacht und dürfte mit diesen Leistungen zu den Besten der Liga gehören. Ganz großes Kino unter den Augen von Bernd Beringer, der kräftig mitgefiebert hatte.

Und die anderen? Alexander Flemming und Dennis Dickhardt spielten grundsolide. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Gegen den TV Leiselheim feierte schließlich Hilpoltsteins Neuer, Hermann Mühlbach vom TTC GW Bad Hamm sein Debüt. Allerdings wurde er beim 3:0 gegen den Drittligaspieler Carlos Franco nicht wirklich gefordert. Dabei packte er seine Trickaufschläge, die er bis zu vier Meter hochwirft und einen „brachialen Schnitt“ mitgibt (Alexander Flemming) aus. „Mit Hermann haben wir einen guten Fang gemacht. er passt einfach zu uns“, zeigte sich Abteilungsleiter Uli Eckert angetan.

So zogen die Hilpoltsteiner nach acht Stunden Spielzeit mit einem 3:1 gegen Neckarsulm, einem 3:1 gegen Hertha BSC Berlin und einem 3:0 gegen den TV Leiselheim in das Achtelfinale des DTTB-Pokals ein, wo sie am 4. Oktober gegen Bundesliga-Aufsteiger TTC OE Bad Homburg Heimrecht genießen.

Ein Kuriosum am Rande: Wegen der klaren Ergebnisse blieben allen Akteuren eventuelle Einsätze im Doppel erspart. Eigentlich sollen gar keine Doppel gespielt werden, doch diese Regelung gilt nur in den Punktspielen. Im Pokal hätte es also durchaus dazu kommen können. Warum der DTTB den Modus nicht anpasste, bleibt sein Geheimnis. Ist womöglich die Ansteckungsgefahr im Pokal einfach geringer? In Sachen Corona-Regelungen ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Nicht zuletzt, was den Ausschluss von Zuschauern betrifft.

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/berauschender-pokalerfolg-vor-leeren-raengen-1837982
© 2024 Donaukurier.de