Titting

Pflügen auf dem Pfleimberg

Unter strengen Vorgaben der Kulturlandstiftung Bayern bewirtschaftet Jakob Bösl die ökologisch wertvollen Flächen

25.09.2020 | Stand 02.12.2020, 10:29 Uhr
Keine Steinwüste, sondern ein normaler Acker auf dem Pfleimberg. Wenn Jakob Bösl die flachen Juraplatten mit einem sogenannten Steinklopfer frisch zerkleinert hat, ist von der Humusschicht fast nichts mehr zu sehen. −Foto: Bader

Titting - Pflügen in Rekordzeit: Jakob Bösl fährt mit dem Pflug über seinen Acker auf dem Pfleimberg oberhalb von Titting.

Nur fünfmal muss er den Bulldog wenden, in wenigen Minuten kommt er von einem Ende des Ackers zum anderen. "In 20 Minuten bin ich hier fertig", sagt der Landwirt. Nein, es liegt nicht daran, dass Jakob Bösl mit dem Bulldog einen überdimensionalen Pflug hinter sich herzieht: Der Acker, den er gerade für die Saat von Emmer vorbereitet, ist nur sechs bis sieben Meter breit und kaum 90 Meter lang. Die kleinen Flächen kommen daher, dass das gesamte Areal vor vielen Jahren nicht nur zwei oder drei Landwirten gehört hat: 48 Eigentümer gab es früher auf dem Pfleimberg.

Die von ihm gepachteten Flächen bewirtschaftet Bösl schon seit über 20 Jahren. Anfangs noch konventionell, dann auf einigen Flächen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes. Jetzt bewirtschaftet Bösl inklusive der zwei Hektar, die dem Landkreis Eichstätt gehören, insgesamt zehn Hektar nach den Vorgaben der Kulturlandstiftung. Das erst vor einem Jahr aus der Taufe gehobene Feldflorenreservat soll zahlreichen Wildkräutern und damit auch vielen Insekten einen neuen Lebensraum bieten.

Unter anderem wurde auf den Flächen schon der Gelb blühende Ackerhahnenfuß wiederentdeckt, der Ende der 90-er Jahre das letzte Mal kartiert wurde. Doch hier wachsen noch rund 20 weitere Wildkräuter, die alle auf der Roten Liste stehen. Unter vielen anderen sind am Pfleimberg noch Doldenspurre, Zahntrost, Venuskamm, Ackerröte, Venus-Frauenspiegel, Trauben-Gamander und Zottiger Klappertopf zu finden.

Um diesen Pflanzen neuen Lebensraum zu bieten, greift man nur auf Bearbeitungsmethoden zurück, die es schon vor Jahrzehnten gab. "Hier wird kein Unkrautvernichtungsmittel gespritzt und es wird auch nicht gedüngt", sagt Bösl. Letzteres könnte sich auf einigen Flächen in den nächsten Jahren ändern. "Wir überlegen, ob wir auf einigen Flächen Festmist einsetzen", sagt Uwe Sachser von der Unteren Naturschutzbehörde in Eichstätt. "Denn der Nährstoffgehalt auf den Äckern am Pfleimberg ist wirklich sehr gering. "

Sachser ist es auch, auf dessen Initiative jetzt zum ersten Mal der ganze Pfleimberg als Feldflorenreservat genutzt wird, und er beobachtet die Entwicklung mit Freude: "Schon jetzt kommt hier auf einer Brachfläche das Sommer-Adonisröschen massiv zum Vorschein. "

Was auf den Flächen angesät beziehungsweise angebaut werden soll, legen Sachser und Marion Lang von der Kulturlandstiftung fest. Von Sommer-Gerste über Winter-Roggen bis zu Kartoffeln und Linsen. Gerste und Roggen sind Jakob Bösls Alltagsgeschäft. Schwieriger wird es für ihn, der seit vielen Jahren fast ausschließlich Raps, Mais und Getreide anbaut, schon mit den Kartoffeln. "Dafür muss ich erst die alte Kartoffellegemaschine von meinem Vater wieder zusammenbauen, die wurde Jahrzehnte nicht genutzt", sagt er. Ob er sie dann allerdings mit seinem Bulldog ziehen kann, bleibt noch ein Rätsel. "Die war halt für einen viel kleineren Schlepper gebaut. "

Linsen anzubauen ist für ihn grundsätzlich kein Problem. "Aber um Linsen zu bekommen, muss ich auch erst einmal meine Fühler ausstrecken", sagt der 51-Jährige. "Meine beiden Saatgutlieferanten haben so etwas jedenfalls nicht auf Lager und müssen erst fragen. " Das Problem sieht auch Uwe Sachser: "Natürlich kriegen wir aus Frankreich jederzeit Linsen, aber wir möchten solche, die hier auch früher angebaut wurden - vielleicht bekommen wir welche aus Weihenstephan. "

Auf einigen Flächen hat man Bösl die Wahl gelassen, ob er von den alten Getreidesorten lieber Einkorn oder Emmer anbauen will. "Da habe ich in der Hainmühle in Morsbach erst einmal nachgefragt, was sie abnehmen", erzählt Bösl. Und sich schließlich für Emmer entschieden, da der in der Mühle zunehmend nachgefragt wird.

Ausschlaggebend für den Anbau auf dem Pfleimberg ist die Vorbereitung der Äcker mit dem Pflug. Und das aus gutem Grund: "Wir haben Wildkräutersamen, die im Boden Jahrzehnte überleben", sagt Sachser. "Und die bringen wir nur mit Pflügen wieder an die Oberfläche. " Die meisten Kräuter sind laut Sachser Lichtkeimer, die aber nicht nur zum Keimen, sondern auch zum Aufwuchs viel Sonne brauchen. Um das zu gewährleisten, wird die Saatdichte auf den Äckern reduziert. Und es hilft die Bodenbeschaffenheit auf dem Pfleimberg: "Der Acker ist von Steinen übersät, auf denen natürlich auch nichts wächst - auch dadurch kommt mehr Licht bis an den Boden. " Es ist also jetzt von Vorteil, was den Landwirten früher das Leben schwer gemacht hat.

Um den Boden halbwegs bearbeiten zu können, haben die Bauern damals die großen Steine aufgesammelt und an den Ackerrand geworfen. Und auch die so entstandenen Steinhügel sollen bleiben, weil sie ebenfalls einigen Kräutern wie dem Mauerpfeffer Lebensraum bieten.

Die Steine heute wie früher einzeln aufzulesen ist nicht nur mühsam und langwierig, sondern hilft auch nur kurzfristig: "Beim Pflügen kommen immer wieder neue Steine nach oben", sagt Bösl. Deshalb verwendet er einen Steinklopfer, der die großen Juraplatten zumindest so weit zertrümmert, dass seine Maschinen nicht mehr so stark beansprucht werden. Und die Steine nicht wegzuräumen hat zudem den Vorteil, dass sie die eh schon extrem dünne Humusschicht schützen.

Um hier unliebsame Unkräuter wie die sich stark vermehrende Quecke loszukriegen, ist das Pflügen ebenfalls unabdingbar: "Ich arbeite die Wurzeln nach oben, damit sie vertrocknen", sagt Bösl. Sollte das nicht helfen, würde Uwe Sachser bei einzelnen Flächen Kleegras anbauen. "Dadurch wird die Quecke, die unheimlich viele Ausläufer produziert, etwas reduziert. "

Die Saat und die Ernte laufen mit konventionellen Methoden ab. Auch wenn Bösl dann bei einem so schmalen Streifen mit Gerste oder Roggen mit dem Mähdrescher eben nur zweimal fahren muss. "Aus wirtschaftlicher Sicht würde sich hier nicht einmal das Dreschen lohnen", sagt Jakob Bösl. Der Grund ist einfach: "Der Bestand ist sehr dünn, die Ähren sind deutlich kürzer und die Körner kleiner. "

Einen Acker so zu bewirtschaften würde sich für ihn nicht ansatzweise rechnen. "Bei konventionell angebautem Roggen komme ich pro Hektar auf 50 Doppelzentner Ertrag", sagt er. "Bei den Feldern hier darf ich froh sein, wenn ich auf 10 Doppelzentner komme. "

Um den Anbau für Bösl trotzdem attraktiv zu machen, wird das Projekt bezuschusst. "Ein Landwirt muss trotz allem wirtschaftlich denken", sagt Bösl. "Der macht das ja nicht als Hobby. " Ob er mit seiner Arbeit auf dem Pfleimberg trotz Zuschuss auch nur annähernd soviel erwirtschaftet wie auf seinen anderen, konventionell bestellten Äckern, bleibt trotzdem offen.

Doch Bösl macht die Arbeit auf dem Pfleimberg gern. "Einen Acker auf diese alte Art anzubauen und zu pflegen ist ökologisch sinnvoll", sagt er. "Und es ist schön, wenn man sieht, welche seltenen Kräuter hier wieder wachsen. "

EK

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