Beilngries

Turmfalken werden zu Internet-Stars

Bei einem Projekt in Beilngries wird das Geschehen im Inneren eines Nistkastens gefilmt - ohne die Vögel zu stören

15.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:23 Uhr
Wie sieht es aus im Inneren eines Nistkastens? Das können Interessierte bei einem Turmfalken-Projekt aus Beilngries nun mitverfolgen. Das Geschehen wird rund um die Uhr ins Internet übertragen. −Foto: Adam, Regine, Beilngries

Beilngries - Am Sonntag um 17.11 Uhr war es soweit: Das Turmfalkenmännchen - der Terzel - lockte zum ersten Mal das Turmfalkenweibchen in den Nistkasten. Damit setzte er sich gegen einige Konkurrenten im Werben um die Gunst des Weibchens durch und wird in den kommenden Wochen gemeinsam mit dem hoffentlich bald folgenden Nachwuchs zum YouTube-Star werden. Denn 24 Stunden am Tag wird über mehrere Wochen das Innere des Nistkastens in einem ehemaligen Brauereianwesen in Beilngries von einer Live-Kamera gefilmt und ins Internet übertragen.

Organisiert haben das spannende Naturprojekt Rainer Mayer aus Kinding und Bernhard Pfaller aus Emsing. Die Hobbyfotografen mit ihrer Leidenschaft zur Naturfotografie wurden vor einigen Wochen in unserer Zeitung vorgestellt. Diesen Artikel las Wilhelm Rose, Besitzer des besagten Anwesens, bei dem er schon seit einigen Jahren im Frühjahr von seinem Bürofenster aus den Flug von Turmfalken beobachten kann. "Ich wollte immer mal gern in dieses Nest hineinschauen, aber natürlich die Vögel nicht stören. Als ich in dem Artikel im DONAUKURIER von den zwei begeisterten Vögelfotografen gelesen habe, dachte ich: Das wäre doch eine spannende Aufgabe für sie." Und so war es auch. Mayer und Pfaller waren sofort begeistert von der Idee, die Brut- und Aufzuchtzeit der Tiere per Livekamera zu begleiten.

Die Idee ist das eine, die Umsetzung das andere. Es galt, einige Hürden zu nehmen. "Allzu viel Zeit für die Vorbereitung hatten wir nicht, denn bereits ab Anfang bis Mitte April beginnen die Turmfalken mit der Brut. Vorher, jetzt also, richten sie sich ihren Nistplatz, da dürfen wir dann nicht mehr stören", erklärt Mayer. Wichtigste Aufgabe, die es schnell zu lösen galt, war die Technik. "Vorkenntnis mit solch einer Webcam hatten wir absolut keine und so war es nicht verwunderlich, dass wir mit einigen Problemen zu kämpfen hatten und Hilfe notwendig war, bis endlich ein dauerhafter Livestream über YouTube eingerichtet werden konnte", erzählt Mayer. Gespräche mit Bekannten brachten die ersten Fortschritte, schon wenige Tage später wurde die Grundausrüstung angeschafft. Als Kamera fungiert nun eine günstige Überwachungskamera, dreh- und schwenkbar, mit Dreifach-Zoom. Die Steuerungs- und Aufzeichnungseinheit bildet ein NAS (netzgebundener Speicher), den sie gebraucht kauften. Damit waren die Tüftler sehr zufrieden. Problematischer war die Internetverbindung, die möglichst ohne Unterbrechung nun wochenlang laufen soll. Strom war zwar vorhanden, aber kein Internetzugang. "Zuerst haben wir einen stationären Router mit LTE-Technik verwendet, bei dem der Provider jedoch immer nach wenigen Stunden die Geschwindigkeit extrem drosselte", sagt Mayer. Die Lösung war schließlich ein mobiler LTE-Router, dessen Verbindung allerdings anfangs ebenfalls einmal täglich automatisch gekappt wurde. Eine zusätzliche Software, empfohlen von einem Fotografen aus Ingolstadt, der ähnliche Projekte betreibt, konnte schließlich einen dauerhaften Livestream gewährleisten. "Rainer ist da unser Fachmann, er hat viel gelesen und sich sehr hineingekniet, damit alles klappt", erzählt Pfaller. Einige Hundert Euro haben die Fotografen in ihr Projekt investiert. "Egal, ich wollte das unbedingt versuchen, als Willi Rose sich bei uns gemeldet hat", zeigt sich Mayer kompromisslos begeistert.

Die Kamera alleine genügte den Perfektionisten nicht. Damit im doch recht dunklen Nistkasten und auch nachts brauchbare Videobilder entstehen - und das immer so, dass die Tiere nicht gestört sind - installierten Mayer und Pfaller eine Aquariumbeleuchtung. Diese lassen sie indirekt über die Decke strahlen und in den Abend- und Nachtstunden automatisch langsam gedimmt ein- oder ausschalten, so wie in der Natur die Sonne auf- oder untergeht. In der Dunkelheit filmt die Kamera mit Infrarottechnik, dann allerdings nur in Schwarz-Weiß. So aber wird keine Minute von dem verpasst, was sich in dem Nistkasten tut. Jetzt hoffen alle darauf, dass sich das Turmfalkenpärchen in dem Nistkasten wohlfühlt. Auch da haben Mayer, Pfaller und Wilhelm Rose nichts dem Zufall überlassen. Mit Hobelspänen und groberen Hackschnitzeln haben sie die perfekten Bedingungen für die Vögel geschaffen. Noch ist das Turmfalkenpärchen nicht dauerhaft im Nistkasten, aber bereits jetzt mehrmals täglich dort zu sehen. Mit ihrer Brut beginnen sie voraussichtlich Anfang bis Mitte April. Dabei wird eine klassische Rollenverteilung praktiziert: Das Weibchen brütet nahezu alleine zwischen drei und sechs Eier aus und wird in dieser Zeit, da sie den Nistkasten nicht verlassen kann, von dem Terzel mit Nahrung versorgt. Rund vier Wochen dauert das, dann schlüpfen nach und nach die Jungen. Mehrere Wochen später werden die Jungvögel langsam flügge und verlassen das Nest.

Für Mayer, Pfaller, Rose und alle Zuschauer auf YouTube ist es nun spannend: Werden überhaupt Eier gelegt - und wenn ja, wie viele? Wann schlüpft das erste Junge? Was bringt der Terzel als Futter und werden alle Jungvögel die Aufzucht überstehen? Der Livestream aus dem Turmfalken-Nistkasten ist unter dem Link https://youtu.be/HHOMHjK0ii4 oder unter der YouTube-Suchbezeichnung Live Turmfalken Nistkasten Beilngries zu finden. Die Hobbyfotografen freuen sich auf viele Naturfreunde, die ihr Projekt dort begleiten.

DK


Regine Adam

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/turmfalken-werden-zu-internet-stars-1564092
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