"Hochaktuelles Verständnis von Natur und Kultur"

11.05.2021 | Stand 14.05.2021, 3:33 Uhr

Frau Fuchs, Sie haben Bildende Kunst und Kunstwissenschaft an der Kunsthochschule Kassel studiert und waren Gründungsmitglied des Vereins "7000 Eichen", seit 2002 eine Stiftung.

Wie kam es dazu?
Christine Fuchs: Ich kam 1993 nach Kassel - sechs Jahre nach Pflanzung der siebentausendsten Eiche - und das Museum Fridericianum zeigte gerade die Ausstellung "Joseph Beuys - Documenta Arbeit". In einer Podiumsdiskussion tauchte die Frage nach dem aktuellen Zustand des Werkes auf. Wir gründeten den Verein, um uns für den Erhalt der 7000 Eichen einzusetzen, das Wachstum der Bäume zu sichern und das Kunstwerk wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Beuys hat den Blick auf die Kunst verändert, hat ein kreatives Mitgestalten an der Gesellschaft und in der Politik gefordert. Wie wurden Sie von seinen Ideen und Aktionen inspiriert und geprägt?
Fuchs: Ende der 80er Jahr hatte ich an Studiengängen der "FIU - Freie Internationale Universität" in Wangen teilgenommen und mich in die Plastische Theorie und die Idee der Sozialen Plastik richtiggehend eingearbeitet. Der Parallelprozess von künstlerischem und gesellschaftlichem Gestalten bei Beuys hat mich besonders fasziniert.

Erst vor wenigen Wochen wurden in Bayern, auch in Ingolstadt, Beuys-Eichen gepflanzt. Warum ist er noch, warum ist er wieder aktuell?
Fuchs: Beuys ist aktuell, weil er sich mit existenziellen Krisen beschäftigt hat, die jeden einzelnen Menschen und unsere Welt als Ganzes betreffen - Krieg, Tod, Baumsterben. Und er hat den Menschen eine Botschaft an die Hand gegeben: Du bist Künstler - Du gestaltest diese Welt - auf Dich kommt es an! Hochaktuell ist sein Verständnis von Natur und Kultur und dass beispielsweise auch eine Stadtgesellschaft als Ganzes ein Organismus, ein soziales Lebewesen ist.
Haben Sie - neben den 7000 Eichen - ein Lieblingskunstwerk?
Fuchs: Einige. Die "Pythia Sibylla" vielleicht, als Zeichnung und als Bronze.

DK


Die Fragen stellte Katrin Fehr. Foto: Klotzeck

ZUR PERSON

Christine Fuchs, geboren in Frankfurt, hat Rechtswissenschaft, Freie Bildende Kunst, Kunstwissenschaft und Kunsttherapie studiert und zum Thema "Kunstfreiheit, Urheberrecht und Avantgarde" promoviert. Sie lebt in Ingolstadt, ist freie Künstlerin und seit 2001 Leiterin von Stadtkultur Netzwerk Bayerischer Städte mit Sitz in Ingolstadt.

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