Ingolstadt

Bauernhöfe unter Strom

Elektrizität in der Landwirtschaft: Neue Sonderausstellung im Bauerngerätemuseum

01.07.2021 | Stand 05.07.2021, 3:33 Uhr
Am Steuer des ANDI, des ersten Dungschiebeladers Europas, sitzt Franz Schabmüller, dessen Firma vor gut 50 Jahren die Elektromotoren dafür gebaut hat. Der Unternehmer kaufte die Maschine zurück, ließ sie herrichten und schenkte sie dem Bauerngerätemuseum. Über die Spende freuten sich Leiter Max Böhm (l.) und Kulturreferent Gabriel Engert. Die Sonderschau zeigt zahlreiche Elektromotoren sowie die Bedeutung der Firma Peters für die Elektrifizierung in der Region. −Foto: Ulli Rössle/Stadt Ingolstadt

Ingolstadt - Die Elektrifizierung der Bauernhöfe war eine Vision, die sich mit beispielloser Geschwindigkeit durchgesetzt hat.

Sobald die Dörfer an das Netz der überregionalen Stromversorger angeschlossen waren - meist in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg - hielten die ersten Glühbirnen und Elektromotoren Einzug auf den Bauernhöfen. Futterschneider, Schrotmühle, Kreissäge und Dreschmaschine konnten mit einem einzigen Motor angetrieben werden - eine wahrhaft utopische Errungenschaft.

Große Hoffnungen setzten die Stromanbieter in die Elektrifizierung der Außenwirtschaft, vor allem des Pflügens als der energieintensivsten Arbeit in der Landwirtschaft. Man experimentierte mit Seilpflügen, die analog zum Dampfpflug von Elektro-Lokomobilen gezogen wurden. Doch die Technik erwies sich als zu teuer und umständlich. Vor allem das Problem der Stromversorgung ließ alle Anstrengungen der Großkonzerne AEG und Siemens im Sande verlaufen. Mit dem Aufkommen des Ackerschleppers schien dieses Kapitel technischer Visionen abgeschlossen. Doch gegenwärtig erlebt die Idee der E-Mobilität in der Landwirtschaft eine Renaissance.

Dass die Vision des elektrischen Antriebs landwirtschaftlicher Fahrzeuge schon vor über 50 Jahren verfolgt wurde, dafür steht ein spektakulärer Neuzugang in der Sammlung des Hundszeller Museums: ANDI, der erste Hoflader Deutschlands, angetrieben von einem Elektromotor. Wegen seiner Bedeutung für die Rationalisierung der Hofarbeiten markiert der ANDI einen Meilenstein in der Entwicklung der Agrartechnik. Sein Erwerb wurde ermöglicht durch eine großzügige Spende. Franz Schabmüller sen. , dessen unternehmerische Karriere mit dem Bau von ANDI-Hofladern begann, erwarb das erste je verkaufte Fahrzeug zurück, um es an das Bauerngerätemuseum Hundszell zu spenden.

Kulturreferent Gabriel Engert bedankte sich bei der Eröffnung daher auch entgegen aller Gewohnheit zunächst bei Franz Schabmüller für dessen großzügige Spende eines "technikgeschichtlichen Unikats". Der Dungschiebelader Andifant DSL 115, wie er offiziell zunächst hieß, wurde ab 1969 gebaut und war dafür konzipiert, die körperlich sehr anstrengende Arbeit der Beseitigung der Gülle in den Viehställen zu erleichtern. 257 Exemplare wurden insgesamt gebaut, dann rentierte sich die Produktion nicht mehr.

Franz Schabmüller sen. erinnerte an die Anfänge seiner Firma in den 60er-Jahren in Feldkirchen, das damals noch gar nicht zu Ingolstadt gehörte. In dem Ingolstädter Ortsteil wurden die Elektromotoren für den Dungschiebelader hergestellt und dann in der Firma von Andreas Walter in Holzkirchen verbaut. Das Unternehmen verkaufte zunächst Milchkühlanlagen, war aber laut Schabmüller stark praxisorientiert und besetzte bald andere landwirtschaftliche Bereiche. 1977 ging das Unternehmen in Konkurs, woraufhin dann Schabmüller die Betriebsnachfolge antrat und den ANDI noch jahrelang produzierte.

Schabmüller ist das Kunststück gelungen, die Maschine nach etlichen Telefonaten wieder zu erwerben. Auch andere landwirtschaftliche Museen waren an ANDI interessiert, wusste Museumsleiter Max Böhm zu berichten, unter anderem das Deutsche Landwirtschaftsmuseum in Stuttgart. Doch Schabmüller gab dem Bauerngerätemuseum den Zuschlag, und so darf sich das Museum in Hundszell heute darüber freuen, den allerersten Hoflader nicht nur Deutschlands, sondern sogar Europas sein Eigen zu nennen. In der Lehrwerkstatt einer der Schabmüller-Firmen wurde der ANDI, der nach den Worten der Azubis in einem sehr guten Zustand war und sogar sofort angesprungen ist, von den Lehrlingen restauriert.

Der Dungschiebelader ist erfreulicherweise nicht allzu groß, so dass er mindestens bis Ende der nächsten Saison im Stadel des Museums präsentiert werden kann. Neben ihm sind noch einige andere technische Raritäten ausgestellt. So zum Beispiel ein landwirtschaftlicher Elektromotor für den Riemenantrieb aus der Zeit um 1980, einer der letzten seiner Art. Martin Liebold hat das Gerät dem Museum geschenkt, das seine Eltern seinerzeit noch für ihre Landwirtschaft gekauft hatten - zum Preis von 800 Mark, wie er sich erinnert - damals ein stolzer für einen kleinen Hof in Mühlhausen.

Ein technisches Schmankerl für alle Schanzer ist der Stromgenerator für das Windrad der Antoniusschwaige, das heute als technisches Denkmal unweit entfernt davon noch steht. In den 30er-Jahren wurde auf dem abgelegenen Areal im Westen der Stadt der Strom noch selber erzeugt - die Schwaige war damals noch nicht an das Stromnetz angeschlossen. Die kleine Sonderschau präsentiert noch zahlreiche weitere Elektromotoren und deren universelle Einsatzmöglichkeiten in der Landwirtschaft: Kartoffeln dämpfen, Butter schlagen, Schrot mahlen, pumpen, dreschen, Heu greifen und vieles mehr. Teilweise waren die Motoren auf hölzernen Wagen montiert, manche waren tragbar. Ihren Strom bezogen sie teilweise von Freileitungen. Zahlreiche Bilder und erläuternde Texte vermitteln ein anschauliches Bild von der Elektrifizierung der Landwirtschaft, aber auch von der Konkurrenz und letztlich dem Siegeszug der sehr bald universell einsetzbaren Schlepper mit Dieselantrieb.

DK

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