Im Rhythmus der Trommler

Karneval ohne Ende in Uruguay

03.11.2021 | Stand 16.08.2022, 8:34 Uhr

Eröffnungsumzug - Karneval von Montevideo: Der Eröffnungsumzug findet jedes Jahr Anfang Januar in der Avenida 18 de Julio statt. - Foto: Ivan Franco/EFE/epa/dpa-tmn

In keinem Land der Welt wird der Karneval so lange und so leidenschaftlich gefeiert wie in Uruguay. Und kaum etwas symbolisiert dieses Fest der Kulturen des Landes so wie der Trommeltanz Candombe.

Wenn die Temperaturen im Januar in Montevideo auf mehr als 30 Grad steigen, beginnt für die Bewohner der Millionenstadt die intensivste Zeit des Jahres. «Wir leben das ganze Jahr auf den Karneval hin», sagt Xamila Súarez, die gerade mit ihrer Candombe-Truppe in einer Turnhalle im Süden der uruguayischen Hauptstadt probt.

In der großen Halle steht förmlich die Hitze. Kein Wunder, mehr als 70 Trommler sind schon da und geben Xamila den Rhythmus vor. «Der Candombe, ist eine ethnische, rhythmische und spirituelle Symbiose», erklärt die junge Frau. Grazil tanzt sie vor den Trommlern. Nur ihren Oberkörper und ihre Arme schwingt sie zum Takt. Mit den Füßen hingegen macht sie nur kleine Trippelschritte, die an die Sklaven erinnern sollen, die im 18. Jahrhundert an den Füßen gefesselt hier ankamen.

Der Direktor der Truppe, die den Namen Cuareim 1080 trägt, ist die uruguayische Karnevalsikone Waldemar Cachila Silva. Er wacht über die Choreographie. Die glitzernden, knapp geschnittenen Kostüme der Tänzerinnen brauchen den Vergleich mit den Outfits der Samba-Schulen im Nachbarland Brasilien nicht zu scheuen.

Candombe von Sklaven erfunden

Alle bereiten sich vor auf den großen «Desfile de Llamadas», wenn Dutzende Candombe-Gruppen mit ihrem Trommelfeuer ganz Montevideo in Ekstase versetzen. «Der Candombe ist die Quintessenz unseres Karnevals», sagt Tina Ferreira. Die 47-Jährige ist mehrfach prämierte Vedette, so heißen die Tänzerinnen an der Spitze des Candombe-Umzugs.

Stolz wirft sie den Kopf mit den dicken Locken zurück. «Der Tanz steht auch für die afrikanischen Wurzeln von zehn Prozent der Bevölkerung, auch meine Vorfahren stammen aus Afrika.» Uruguay, das kleinste der Länder Südamerikas, ist ein Einwanderungsland, doch während die Europäer freiwillig kamen, wurden die Sklaven gegen ihren Willen hierher gebracht.

«Unsere Vorfahren verloren alles, ihre Identität, ihre Religion, ihren Namen. Nur das Trommeln konnte man ihnen nicht nehmen», erläutert Ferreira die Entstehung des Candombe, zu dem sich die Sklaven sonntags versammelten.

Karneval noch beliebter als Fußball

Der Trommeltanz fand auch bald bei den europäischen Einwanderern großen Anklang. «Sie malten sich sogar schwarz an, um sich unter die Gruppen mischen zu können», erzählt Pablo Barrios, der die Besucher durch das Karnevalsmuseum in Montevideo führt. «Wir Uruguayer lieben den Karneval fast noch mehr als den Fußball», sagt er. «Unser Karneval dauert 40 Tage, das ist Weltrekord. Die Brasilianer müssen sich dagegen mit nur drei Tagen begnügen.»

Doch auch die spanischen Einwanderer brachten ihre Karnevalstradition mit. So kam Anfang des 19. Jahrhunderts das Genre der Murga aus dem andalusischen Cádiz hierher. Die Murgas, Musikgruppen, die auf humoristische Weise Missstände der Gesellschaft aufzeigen und Politiker und Würdenträger bei ihren Gesängen durch den Kakao ziehen, werden von Jahr zu Jahr populärer.

Lukas Pintos ist seit zwölf Jahren der Dirigent einer solchen Murga. «Dieses Jahr verkleiden wir uns als Eskimos», sagt Pintos und zeigt stolz die soeben fertiggestellten Kutten mit Kapuze für jedes der Bandmitglieder. «Damit veräppeln wir uns selber, denn nichts macht der Uruguayer lieber, als sich über die angebliche Kälte zu beklagen und zu jammern, wenn es im Karneval mal regnet.»

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