Interview

„Die Geschichten sind zu 99 Prozent genau so passiert“

Gleitschirmpilotin und Abenteuerkabarettistin: Liese-Lotte Lübke präsentiert ihr Solo „und wenn schon“ in der Neuen Welt

14.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:59 Uhr

Im Abo „Frech & Frau“: Liese-Lotte Lübke tritt am 28. Juni bei den Kabaretttagen auf. Foto: Bahl

Ingolstadt – Dass ihr Weg auf die Bühne führen würde, war für Liese-Lotte Lübke schon früh klar. „Ich war auf einer Waldorfschule. Da wird Kunst sehr gefördert. Und weil mir Naturwissenschaften überhaupt nicht liegen und ich in allen Fächern fröhlich meine Sechsen schrieb, blieb nur die Kunst übrig“, erzählt sie. Am 28. Juni ist die Kabarettistin mit ihrem Programm „und wenn schon“ in Ingolstadt zu Gast.

Frau Lübke, gab es da keinen Aha-Moment in Sachen Berufswahl?
Liese-Lotte Lübke: Als wir mit der Schule auf Klettertour im Tessin waren, lief Musik von Bodo Wartke. Zwei Jahre später habe ich ihn dann zufällig kennengelernt. Das war 2009. Ich saß im Regiobus auf dem Weg in das Dorf, in dem ich inzwischen wieder lebe. Und er stieg ein. Ich war so perplex, dass ich ihn angesprochen habe: „Du bist doch Bodo Wartke.“ Wir kamen ins Gespräch. Und er gab mir den Tipp, mich in Berlin auf einer offenen Bühne einfach mal auszuprobieren. Also bin ich nach Berlin und las schauer-romantische Gedichte, die so klangen, als würde ich morgen von der Brücke springen. Das Publikum hat wahlweise nicht reagiert, Buh gerufen oder ist rausgegangen. Und trotzdem kamen irgendwann die erste Agentur, die ersten Mix-Shows und das erste Solo-Programm. Immer noch mit schauerromantischen Gedichten. Ich hatte keinen Erfolg, aber alle Versuche mit einer zweiten Agentur, mit Röckchen und Lippenstift und Lustiger-Sein haben auch nicht funktioniert. Also bin ich zurückgekehrt zu meinen Wurzeln und zum Tiefgründig-Sein. Am Ende hat die Authentizität gesiegt.

War das Klavier schon immer dabei?
Lübke: Ich habe zwölf Jahre Cello gespielt. Das Klavier war mein Ausgleich nicht üben zu müssen. Ich hatte aber nie Klavierstunden. Ich habe auch nichts studiert. Weder Musik noch Gesang noch Literatur. Alles, was ich heute so spiele, habe ich mir autodidaktisch beigebracht. Das kommt alles aus mir selbst heraus.

Nennen Sie sich deshalb eine Abenteuerkabarettistin?
Lübke: Nein. Damit hat es eine andere Bewandtnis. Zum einen bin ich Gleitschirmpilotin und beziehe das ins Programm mit ein. Und zum anderen finde ich, dass das Abenteuer ist, uns selbst zu begegnen. Wer sich meinem Programm stellt, kommt nicht umhin, mit sich selbst in Berührung zu kommen.

Was ist wichtiger für Sie – das Klavier oder der Gleitschirm?
Lübke: Das Klavier. Ich kann mich beim Fliegen und beim Spielen auf der Bühne selbst spüren. Ohne das Fliegen käme ich klar. Ohne die Musik nicht.


Sie reisen ja ohne Instrument an. Gab es schon mal unliebsame Erlebnisse mit dem Klavier vorort?

Lübke: Wenn da eins steht, bin ich schon froh. Ich hatte mal ein Konzert in Hamburg-Harburg, da kam ich an und fragte: „Wollen wir Soundcheck machen?“ Der Techniker darauf: „Ja, das Mikro steht doch da.“ Und ich: „Aber ich mach’ Klavierkabarett, dazu brauch ich ein Klavier.“ Die wussten das nicht, obwohl das vorher alles vertraglich festgelegt ist. Er fragte mich allen Ernstes, ob ich nicht ausnahmsweise mal ohne Klavier auftreten könnte. Letztendlich wurde dann noch ein Klavier hergezaubert.

Worum geht es in „und wenn schon“?
Lübke: Um die Politik des Privaten. Wie gehen wir miteinander um? Wie gehen wir mit uns selbst um? Wie begegnen wir Widrigkeiten? Warum suchen wir die Verantwortung permanent im außen statt bei uns selbst? Das Ganze ist gespickt mit sehr vielen urkomischen Geschichten, die zu 99 Prozent tatsächlich so passiert sind. Da reicht allein schon, eine Mutter zu haben. Sie ist oft der Antrieb für neue Lieder. Genau wie mein Mann. Den baue ich ins Programm ein, weil ich ihn durch Corona kennengelernt habe.


Wie denn das?

Lübke: Ich wollte aus der Stadt raus. Ich hatte in einer kleinen Wohnung in Hannover gelebt und wollte nicht mehr so viel Nähe zu Menschen. Das Dorf meiner Mutter schien mir ideal. Bei der Wohnungsbesichtigung habe ich mich in den Vermieter verliebt und ihn 2021 geheiratet.

Dann hatte Corona für Sie trotz Lockdown und Auftrittsverbot etwas Gutes?
Lübke: Alles, was privat passiert ist, war wundervoll. Aber es ist leider auch viel kaputt gegangen. Auch wenn jetzt wieder Konzerte stattfinden, heißt das noch nicht, dass die Kultur raus ist aus der Krise.

DK

Die Fragen stellte Anja Witzke.


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