Alle Positionen im Klub auf dem Prüfstand

„Kritik ist berechtigt“: Aufsichtschef Karl Meier über Fanproteste beim FC Ingolstadt

14.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:02 Uhr

FCI-Aufsichtsratsvorsitzender Karl Meier. Foto: Bösl

Zweitliga-Absteiger FC Ingolstadt hinkt in der 3. Liga seinem Saisonziel Wiederaufstieg weit hinterher und ist mittlerweile auf Rang elf abgerutscht. Nach der jüngsten 0:1-Heimpleite und der heftigen Fankritik äußert sich der Aufsichtsratsvorsitzende Karl Meier zur Lage des Vereins.



Herr Meier, wie haben Sie das 0:1 gegen den SC Freiburg II erlebt?

Karl Meier: Fußball ist ein Ergebnissport. Wenn man ein Spiel verliert, ist es erst einmal super negativ. Die Art und Weise, wie die Mannschaft aufgetreten ist und wie sie von den Fans unterstützt wurde, fand ich aufgrund der Situation, in der sich das Team seit Jahresbeginn befindet, nicht schlecht. Wir haben gegen den Tabellenzweiten eine gute Defensivleistung gezeigt, aus meiner Sicht erstmals in diesem Jahr. Umso bitterer war, dass wir das Spiel wieder mal durch eine Standardsituation verloren haben. Ich hätte mit einem 0:0 gut leben können.

Die Reaktion der Fans fiel danach ungewohnt heftig aus. Wie haben Sie diese extrem negative Stimmung aufgenommen?

Meier: Die Fans haben uns 86 Minuten lang sehr gut unterstützt. Auch die Stimmung auf der Gegengeraden fand ich positiv, und genau das werden wir in der jetzigen Situation weiter und mehr denn je benötigen. Dass dann das Gegentor fällt und die Stimmung ins extrem Negative kippt, würde ich nicht an dem Spiel festmachen, sondern an den Leistungen über die vergangenen Wochen. Vor allem in den Heimspielen, aber auch in den Auswärtsspielen, in denen uns die Supporter begleitet haben und wir dies nicht zurückgegeben haben. Deswegen ist so eine Reaktion durchaus verständlich für mich. Die Fans bringen einfach das zum Ausdruck, was sich über die vergangenen Wochen und Monate aufgestaut hat.

Also hat der Trainerwechsel von Rüdiger Rehm zu Guerino Capretti nichts gebracht?

Meier: So klar würde ich das nicht sagen. Ich meine, dass wir uns in der Spielweise stabilisiert haben. Die Partie in Wehen Wiesbaden ausgenommen, in der wir eine schlechte Leistung gezeigt haben, was aber auch auf individuelle Fehler zurückzuführen war. Auf die Spiele davor mit dem Sieg in Saarbrücken und dem Unentschieden gegen Essen hätte man schon aufbauen können. Wenn man das Jahr 2023 betrachtet, haben wir unter ,Rino’ die stabileren Spiele gezeigt. Dabei muss man in der Analyse berücksichtigen, dass er in keinem einzigen Spiel die gleiche Aufstellung auf den Platz bringen konnte, weil wir immer wieder Verletzte verkraften und ersetzen mussten. ,Rino’ hat mit Felix Keidel und David Udogu junge Spieler integriert. Der Trainerwechsel ist aus meiner Sicht nicht verpufft, auch wenn er noch nicht für einen positiven Trend gesorgt hat.

Aber Ausgangspunkt des Trainerwechsels war ja auch die Absicht, dass man die Aufstiegschance wahren wollte. Dieses Ziel wurde klar verfehlt. Was ist in dieser Saison noch wichtig?

Meier: Es ist vollkommen richtig, dass wir den Anschluss nach vorne schaffen wollten. Jetzt muss man die Situation komplett neu einordnen und die Saison bestmöglich überstehen. Man muss mit dem Trainer jetzt in eine positive Richtung kommen, was die Ergebnisse anbelangt, aber auch eine Konstanz schaffen im Hinblick auf die restlichen Spiele, die eine positive Ausrichtung geben sollen, damit wir in der nächsten Saison wieder angreifen können.

Die Frage ist, wer diesen neuen Anlauf bewerkstelligen soll. Stehen ab jetzt alle auf dem Prüfstand, also nicht nur Spieler und Trainer, sondern auch Sportdirektor und Geschäftsführung?

Meier: Das ist genau richtig formuliert. Die Kritik, die im Moment am FC Ingolstadt da ist, ist 100-prozentig berechtigt. Jeder einzelne Spieler steht auf dem Prüfstand, die Trainer, das Funktionsteam, die komplette sportliche Führung. Man muss bei jedem Einzelnen hinterfragen, ob er den Weg über die Saison hinaus mitgehen will und ob er sein Handeln absolut in den Dienst des Vereins stellt. Wenn das nicht der Fall ist, dann muss man sich zusammensetzen und konsequent und ganz klar Entscheidungen treffen, wie es in der neuen Saison weitergeht.

Im Fall von Spielern und Trainern sind Wechsel am Saisonende durchaus üblich und einfacher. Bei der Sportlichen Leitung benötigt man einen längeren Vorlauf. Befassen Sie sich im Aufsichtsrat schon mit einer Neubesetzung?

Meier: Wir haben mit ,Didi’ Beiersdorfer einen Geschäftsführer. Er ist unser Ansprechpartner. Ihm stehen wir zur Seite, um ihn zu unterstützen, damit wir eine schlagkräftige Truppe fürs neue Jahr aufstellen. Damit meine ich nicht Spieler, sondern die Mannschaft unter ,Didi’. Wir sitzen als Aufsichtsrat mehr denn je und intensiver zusammen, um über die aktuelle Situation zu diskutieren und die neue Saison zu planen. Diese Planungen beginnen nicht erst im Juli, sondern bereits im April.

Der Ursprungsplan nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga beinhaltet den Wiederaufstieg innerhalb von zwei Jahren. Wie beurteilen Sie die Gesamtsituation des Vereins?

Meier: Es ist richtig, dass wir uns einen Zweijahresplan auferlegt haben. Der läuft nicht so zielgerichtet, wie wir uns das vorgestellt haben, dass wir im ersten Jahr bereits bis zum Schluss um den Aufstieg mitspielen können. Das ist definitiv ad acta gelegt. Nichtsdestotrotz ist es unser ganz klarer Plan, dass wir uns in der neuen Saison wieder so ausrichten, dass wir das ursprünglich geplante Ziel wieder anvisieren können. Was die Gesamtsituation des Vereins anbelangt, sehe ich ein zweigeteiltes Bild. Wir sprechen recht viel über die erste Mannschaft, die das Aushängeschild ist. Aber unsere U19 hat den Klassenerhalt in der Junioren-Bundesliga geschafft, und die U17 wird in die Bundesliga aufsteigen. Das heißt, dass das Fundament des Vereins steht. Jetzt müssen wir es schaffen, das in die erste Mannschaft zu transferieren. Für die Saison 2023/24 ist also eine ordentliche Basis da, um in die Erfolgsspur zurückzukehren.

Aktuell stehen wir aber in einer Englischen Woche mit den weiteren Spielen gegen Waldhof Mannheim und Dynamo Dresden. Fürchten Sie, dass der FCI noch in den Abstiegsstrudel geraten könnte?

Meier: Wir brauchen einfach Erfolgserlebnisse. Die bekommen wir nur über eine stabile Defensive. Wenn wir da anknüpfen, wo wir am Sonntag gegen Freiburg in der Defensivarbeit und der Einsatzbereitschaft aufgehört haben und noch eine Schippe drauflegen, dann glaube ich, kommen wir wieder dahin, dass das Thema Abstieg keines wird. Allerdings ist man im Fußball nie vor etwas sicher. Wir werden genau hinschauen, was in den nächsten zwei Wochen passiert.

DKDas Interview führte Gottfried Sterner.



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