Neuburg

„Politische Schwergewichte“ einigen sich: Neuburger Richterin sorgt für salomonischen Ausgang

25.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:39 Uhr

Ein Satz in seiner Feldkirchener Dorfchronik brachte den bekannten Neuburger Musiker und Politiker Reinhardt Reißner vors Amtsgericht Neuburg – als Beklagten. Foto: Wagener

Von Maja Wagener

Wer bisher nicht wusste, was es heißt, mit Engelszungen zu reden, konnte jetzt im Amtsgericht Neuburg einen Eindruck davon bekommen. In der Verhandlung Fritz Goschenhofer gegen Reinhardt Reißner ließ Richterin Verena Käbisch nichts unversucht, um die beiden Parteien zu einer Einigung zu bewegen, bevor Zeugen gehört und 35 Jahre alte Geschichten aufgewärmt wurden – zum Schutz der als CSU-Politiker in der Stadt bekannten Persönlichkeiten.

„Sie haben sich beide einen Namen gemacht und politisch viel erreicht“, appellierte die Richterin eindringlich an Reißner und Goschenhofer. Beide Männer sind über 70, beide haben eine erfolgreiche Vergangenheit als einflussreiche, bekannte CSU-Politiker, beide sind aus Feldkirchen. Der eine, Reißner, hat ein Buch geschrieben, in dem er in einem Satz dem anderen, Goschenhofer, eine tragende Rolle bei einem Skandal in seinem Leben zuschreibt. „Das Ränkespiel und die Missgunst eines vormalig vermeintlichen Mitstreiters aus dem eigenen Ort“ habe Reißner Ende der 80er Jahre das Dirigat der Stadtkapelle Neuburg-Feldkirchen und seine politischen Ämter gekostet, heißt es da.

Als Fritz Goschenhofer, wie dessen Anwalt Florian Brummer berichtete, auf der Straße darauf angesprochen worden sei, dass er der „Strippenzieher“, „dass er allein schuld sein soll“, habe er erfahren, dass es diesen Satz gebe. Der Kläger forderte deshalb Unterlassung der Behauptung und Schmerzensgeld.

Richterin eher auf Klägerseite

Später sollte Reinhardt Reißner dazu sagen, dass der Satz Teil eines biografischen Einschubs in der Chronik mit dem Untertitel „Von Feldkirchenern für Feldkirchener“ sei. Die beschreibe Menschen, auch ihn selbst, und den „Bruch“, der ein großer Einschnitt in seinem Leben war. „Ich bin hier eher auf Klägerseite“, bekannte Verena Käbisch, nachdem sie – „Feldkirchen ist leer“, hatte sie mit einem Augenzwinkern und Blick auf die gefüllten Zuschauerreihen die Verhandlung eröffnet – den rechtlichen Sachverhalt erläutert hatte.

„Haben wir hier einen Unterlassungsanspruch wegen übler Nachrede oder eine Tatsachenbehauptung?“, fragte sie. Der Beklagte habe die Beweispflicht für den Wahrheitsgehalt seiner Behauptung und das sei eine hohe Hürde. „Knackpunkt ist, was ist die Tatsache und kann der Beklagte beweisen, dass diese Tatsache wahr ist?“ Voller Verständnis für beide Seiten stellte die Richterin schließlich die wichtige Frage: „Warum werden in einer Ortschronik Sachen ausgebreitet, die 30 Jahre her sind?“

Es gebe einen Strafbefehl in der Sache, der Vorwurf, dass die Presse damals durch den Kläger von der Sache erfahren habe, sei erst einmal zu beweisen. „Die Presse wird sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen“, machte Verena Käbisch deutlich und setzte hinzu: „Ich möchte, dass Ihnen klar ist, dass Sie beide durch dieses Verfahren mehr zu verlieren haben, als Sie denken.“

Folgen für die „politischen Schwergewichte

Wenn die 30 Jahre alte Affäre in allen Einzelheiten aufgedröselt würde, hätte das Folgen für die „zwei politischen Schwergewichte“: „Sie würden sich damit demontieren.“ Zu Reißner sagte die Richterin: „Das heißt, alles was Ihnen wehgetan hat, würde noch einmal hochkochen“ und in Richtung Goschenhofer setzte sie hinzu, dass es keine bessere Werbung für das Buch, das eine Auflage von 200 Stück hatte, gebe: „Ich rate Ihnen zur Notbremse. Noch haben Sie die Deutungshoheit in der Hand.“

Schließlich einigte sich Reißners Anwalt Wolfgang Kleßinger mit Florian Brummer und wenigen Einwänden darauf, dass der Satz in den etwaigen kommenden Auflagen durch eine unverfängliche Formulierung zu ersetzen ist. Die Verpflichtung, diesen Satz (außer im familiären Umfeld) zu vermeiden, veranlasste Reißner zu der Frage, was sei, wenn er die Sache autobiografisch aufarbeiten wolle. „Bevor Sie etwas publizieren, gehen Sie mit den Passagen zu Ihrem Anwalt“, riet die Richterin.

Zufrieden zeigten sich beide Parteien mit dem Ausgang. „Ich habe den großen Wunsch, dass es nach 30 Jahren ein Ende findet“, versicherte Reißner und Goschenhofer erklärte: „Der Kompromiss, der von der Richterin sehr gut vorbereitet war, war ein guter Schritt aufeinander zu.“ Den hatten die beiden mit einem Handschlag schon im Gerichtssaal besiegelt.

DK



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