Eisfluss

Das Jahr in dem die Donau zufror

Anfang 1963 fror der Fluss auf einer Länge von 100 Kilometern komplett zu

17.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:16 Uhr

Einmal übers Wasser gehen? Im Januar 1963 wurde den Ingolstädtern dieser Wunsch erfüllt. Fotos: DK-Archiv / Privatarchiv Franz Springl

Manfred Schuhmann hat in seinem langen Leben Sachen erlebt, die den nächsten Generationen nicht mehr vergönnt sind. Und damit sind alle gemeint, die 60 Jahre oder jünger sind.

Denn am 18. Januar 1963 gegen 16 Uhr stand das Eis auf der Donau in Ingolstadt komplett still, nachdem seit November über Wochen hinweg strenge Minusgrade geherrscht hatten: Die Donau fror das letzte Mal komplett zu.

„Das Eis war anfangs unterhalb der Eisenbahnbrücke und ist dann flussaufwärts gewandert“, weiß er noch heute. Die Temperaturen lagen Anfang 1963 weiterhin im zweistelligen Minusbereich, was Zeitzeugen zufolge überhaupt erst den Aufbau des Eisstoßes ermöglicht hat. So wurde im DONAUKURIER berichtet, dass im Januar 1963 in der Nähe der Piuskirche um 7 Uhr morgens 28 Grad unter Null gemessen worden waren, und in Friedrichshofen sollen es sogar 31 Grad unter Null gewesen sein.



Ab Februar war die Eisschicht so dick, dass die Menschen sie begehen konnten, um von einem Ufer zum anderen zu gelangen. „Das war ein echtes Ereignis“, erinnert sich Schuhmann. „Viele sind ans Ufer geströmt, einige Wagemutige sind aufs Eis gegangen.“ Er selber war auch bei den Eis-Spaziergängern.

Der langjährige SPD-Stadtrat Schuhmann hat sogar noch gerahmte Bilder von diesem Eisstoß daheim. Doch noch mehr haben sich bei ihm die damit verbundenen Geräusche eingeprägt. „Ich erinnere mich noch ganz genau an das Rieseln der Kieselsteine unter dem Eis“, erzählt er. „Und wenn die Eisschollen ineinandergeschoben wurden, hat es laut gekracht.“

Die Auswirkungen des Eisstoßes waren ebenso außergewöhnlich wie die Kälte. Einige Schüler waren sogar über die anfangs noch nicht komplett geschlossene Eisdecke gegangen, die jederzeit wieder hätte in Bewegung geraten können. In der Nähe der Adenauer-Brücke froren Berichten zufolge mehrere Wildenten im Eis ein.

Rettung in höchster Not

Beherzte Tierfreunde retteten die Vögel vor einem qualvollen Tod. Am 8. Februar 1963 war jedoch Schluss. Pioniere sprengten Löcher in das Eis, um einen Stau vor der alten Donaubrücke zu verhindern und ein Abtreiben der Schollen zu ermöglichen.

Franz Springl zählt ebenfalls zu den Zeitzeugen. Aufs Eis hat er sich nicht begeben, das war ihm viel zu gefährlich. Vor allem die extreme Kälte über Wochen hinweg ist ihm noch heute in Erinnerung. „Ich bin an der Schleifmühle aufgewachsen“, erzählt er. Damals war sein Elternhaus noch nicht an das Kanalnetz der Stadt angeschlossen. „Es war so kalt, dass uns der alte Kanal zur Schutter zugefroren ist, erinnert sich Springl.



Feuerwehrkameraden berichteten ihm, dass bei einem Einsatz in Schrobenhausen in der früheren Kartoffelflockenfabrik die Löschschläuche nach kürzester Zeit zufroren, wenn kein Wasser floss. Doch der Winter hatte auch schöne Seiten: Man konnte wirklich überall Eisstockschießen, auch am Winklerweiher oder am Künettegraben.

Während ein Zufrieren der Donau heute praktisch ausgeschlossen ist, passierte dies in früheren Jahrhunderten immer wieder. Unterlagen im Stadtarchiv dokumentieren Eisstöße für die Jahre 1589 und 1608. Im harten Winter 1928/29 reichte der Eisstau bis nach Neuburg. 1933 und auch während des Krieges (1942/43) war die Donau ebenfalls zugefroren. 1946 geriet sogar die damalige Notbrücke in Gefahr.

Im Jahr 1956 reichte der Eisstoß bis in die Nähe von Gerolfing – was Manfred Schuhmann wohl auch nicht vergessen wird. Mit einigen Mitschülern begab er sich damals aufs Eis – und hatte Glück, dass es nicht brach. Allerdings hatte er das Pech, dass sein Vater ihn beobachtete, der den bodenlosen Leichtsinn des heranwachsenden Sohnes mit einer Watschn quittierte.

Rund 100 Kilometer Eis

In dem extremen Winter 1962/63 war die Donau auf einer Länge von rund 100 Kilometern von Eis bedeckt. Erst Mitte März zog sich seinerzeit der Winter zurück und das Eis schmolz. Allerdings dauerte es noch Wochen, bis die aufgetürmten Schollen verschwunden waren.

Die Generationen nach Manfred Schuhmann werden dieses Naturphänomen wohl missen müssen, denn nach dem Bau der Staustufen und im Zuge der Klimaerwärmung es wohl nie mehr auftreten.

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