Kelheim
Schutzgürtel für Gewässer hakt im Detail

Heute zeigt sich, welche Ufer im Landkreis einen Puffer brauchen – das hat weitreichende Folgen

30.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:43 Uhr

Im Landkreis Kelheim haben Simone Hopp und Jeannine Dietz-Fiebiger vom WWA Landshut geprüft, wo in der Feldflur ein Gewässerrandstreifen verpflichtend ist. Foto: Katja Krönleitner

Von Martina Hutzler

Kelheim/Riedenburg . Am heutigen 1. Juli schlägt die „Stunde der Wahrheit“ an den Ufern im Landkreis Kelheim und in ganz Bayern: Es wird im Internet bekanntgegeben, an welchen Gewässern künftig Randstreifen verpflichtend sind; in diesen ist Acker- und Gartenbau untersagt. Doch das neue Instrument für mehr Natur- und Gewässerschutz hat etliche Tücken im Detail.

Als eine Konsequenz des bayerischen Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ ist – eigentlich schon seit 1. August 2019 – nun auch im Freistaat ein fünf Meter breiter Streifen an Gewässern eine rechtsverbindliche Tabuzone: Nicht mehr angebaut werden dürfen dort Ackerfrüchte wie Mais, Getreide oder Kartoffel, Dauerkulturen wie Hopfen und Spargel, sonstiges Gemüse und gartenbauliche Kulturen. All das gilt nur für Erwerbsbetriebe, nicht für private Gärten und Kleingärten. Jegliche Art von Wald gilt automatisch als Randstreifen.

Dünger und Pestizide sollen nicht mehr in die Gewässer

Die Pufferstreifen sollen verhindern, dass Niederschläge den Ackerboden samt Dünger und Pestiziden ins Gewässer spülen, sie sollen zudem „artenreiche Lebens- und Rückzugsräume“ sein und die Biodiversität am Gewässer fördern. Fraglich ist indes, ob die hehren Ziele erfüllbar sind.

Zunächst standen die Landwirte und Behörden vor der Frage: Wo findet sich in der Natur, was das Gesetz als „natürliche oder naturnahe Bereiche fließender oder stehender Gewässer“ bezeichnet? Für die Antwort liefen allein im Landkreis Kelheim zwei Mitarbeiterinnen des Wasserwirtschaftsamts (WWA) Landshut voriges Jahr fast 900 Kilometer weit.

Zwar war laut WWA an den größeren Flüssen wie Donau, Altmühl, Abens und Schambach (sogenannte Gewässer I. und II. Ordnung) klar, dass deren Ufer „randstreifen-pflichtig“ sind. Aber längst nicht so eindeutig war das entlang der kleinen Bäche und Flüsse, insbesondere in deren oft „mickrigen“ Oberläufen.

Diese „Gewässer III. Ordnung“ wurden von den WWA-Mitarbeiterinnen gemäß den Vorgaben des bayerischen Naturschutzgesetzes eingestuft. Dabei halfen Karten, Befliegungsdaten – und in kniffligen Fällen auch Hinweise der Anlieger und Grundstückseigner, berichtet Katja Krönleitner, die zuständige Fachbereichsleiterin am WWA. Das Ergebnis der Kartierung, das heute im Internet veröffentlicht wird (https://bit.ly/3Adr4EP), müssen die Landwirte ab heuer umsetzen. Was ihnen Mehrarbeit draußen und am PC beschert.

Reicht derzeit zum Beispiel ein Acker oder ein Spargelfeld jetzt noch ans Ufer eines „randstreifen-pflichtigen“ Gewässers, muss spätestens ab der diesjährigen Herbstbestellung der Randstreifen tatsächlich ausgespart werden. Das WWA werde dies „stichprobenartig“ kontrollieren, „im Rahmen der verfügbaren Personalkapazitäten“, kündigt die Projektleiterin Katja Krönleitner an. Bei konkreten Verstößen müsste das Landratsamt als zuständige Rechtsbehörde auf den Randstreifen drängen und die Ordnungswidrigkeit ahnden.

Für die entstehenden Einschränkungen sollen betroffene Grundstückseigner laut Naturschutzgesetz einen „angemessenen Geldausgleich“ erhalten – abhängig von der Kassenlage im Staatshaushalt.

Indes trügt die Vorstellung, dass die neue Pflicht allerorten an Bayerns Ufern automatisch artenreiche Biotope sprießen lässt. Zwar sei der Ackerbau verboten, erklärt Wolfgang Ehbauer vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten Abensberg-Landshut. Aber die Randstreifen-Pflicht wird durch jede Form von Grünland erfüllt, auch durch intensiv bewirtschaftete Wiesen und jede Ansaat, die Gräsersamen enthält. Und ein Grünland-Randstreifen darf weiterhin nach allgemein gültigen Vorgaben gedüngt, gemäht und sogar gespritzt werden.

Mindestens ein Mal im Jahr muss Bäuerin oder Bauer dort sogar mähen oder zumindest mulchen, selbst wenn der Fünf-Meter-Streifen (im komplexen System der EU-Agrarförderung) als „aus der Erzeugung genommenes Ackerland“ gemeldet ist und der Aufwuchs nicht geerntet wird. Die Mahd von Wiesen ein Mal jährlich kann die Artenvielfalt durchaus fördern. Der Haken dabei: Bringt ein Bauer am Ackerrand nun eine Grünland-Saat aus, oder legt vielleicht sogar einen Blühstreifen für Insekten an – dann muss er oder sie dort spätestens nach fünf Jahren trotzdem alles wieder unterpflügen. Sonst würde die Fläche agrarrechtlich automatisch zum „Dauergrünland“ – und das ist finanziell weniger wert. Das bezeichnen auch Ludwig Hahn und Andreas Strasser vom Vorstand des Verbands für Landwirtschaftliche Fachbildung Landshut (vlf) als „geradezu grotesk“. Viel praktischer zur Begrünung eines so schmalen, unrentablen Streifens wären Dauerkulturen wie die Energiepflanze „Durchwachsene Silphie“ – aber diese sei nicht zugelassen, kritisieren sie in einem Fachbeitrag.

Einige Eigentümer lehnten Betreten ihrer Flächen ab

Kein Wunder, dass die neue Pflicht viele Grundstückseigner verdrießt. Dank umfangreicher Informationen vorab für Landwirte sowie Naturschutz- und Fischereivertreter seien dem WWA-Kartierteam zwar Aufmerksamkeit und ein gewisses Misstrauen entgegengebracht worden, aber „in den weit überwiegenden Fällen“ gepaart mit Respekt und Verständnis, berichtet Katja Krönleitner. Einige wenige Eigentümer seien aber rabiat aufgetreten und hätten das Betreten ihrer Flächen abgelehnt.

DK