„Dimensions of Dance“ im Augsburger Martini-Park

Eindrucksvolle Choreographien von Iratxe Ansa, Igor Bacovich und Ricardo Fernando

16.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:54 Uhr

„A Fresh Start“ vom Choreografenduo Iratxe Ansa und Igor Bacovich bildete den ersten Teil des Ballettabends in Augsburg. Foto: Fuhr

Irgendwann öffnet die Kunst ihren Möglichkeitsraum, und es entsteht etwas, was es eigentlich nicht gibt: bunte Schatten. Durch die Wände mit den Prismenoberflächen bricht das Licht in den Spektralfarben, die Tänzer werden kurzzeitig greifbar und verflüchtigen sich doch gleich wieder hinterm Regenbogen. Körper, Bewegung, Licht, Physis und Physik als eine neue Dimension. Genau darum geht es der Reihe „Dimensions of Dance“, mit der die Ballettsparte des Staatstheaters Augsburg die Möglichkeiten des Tanzes ausloten und Choreographen vorstellen möchte.

Im ersten Teil, „A Fresh Start“ von Iratxe Ansa und Igor Bacovich, sind Licht und Wände wesentliche Komponenten der Choreographie, werden fast so etwas wie Ensemblemitglieder und spielen mit. Denn trotz der Komplexität ist die Gemeinschaftsarbeit als heiter-leichter Gegenpol zu den Krisen, Kriegen und Katastrophen der Gegenwart gedacht. Ein Spiel eben.

Die Bewegungen sind fließend, weich, wachsen organisch und werden mit einer Berührung von Körper zu Körper gleichsam weitergegeben, als würden die Tänzer kinetische Energie übertragen. Daraus können aber auch schroffe Gesten und Formulierungen werden, die nur leicht domestizierte Aggressivität eines rituellen Kampfes, der seinen Spielcharakter aber nie verliert. Ob zu zweit, in Gruppen oder als Ensemble bewegen sich die Tänzerinnen und Tänzer zwischen Anziehung und Widerstand und deklinieren die unterschiedlichen Beziehungsformen dieser Begriffe durch – mit Präzision, aber auch Leidenschaft.

Was die Verbindung zu dem zweiten Teil des Abends herstellt, zu „Tangata“, einer Arbeit des Augsburger Ballettchefs Ricardo Fernando. Die Bühne wird zu einer Tangobar in Buenos Aires, schwarze Stühle, Menschen in schwarzen Anzügen – oder später der Andeutung davon –, die alle eine Liebesbeziehung haben: zur Musik Astor Piazzollas.

Mit ihm und seinen Kompositionen beschäftigt sich Fernando schon seit langem und in vielen Choreographien, „Tangata“ stellt so etwas wie die vorläufige Summe dieser Beziehung in allen Variationen dar: Tango für einzelne Instrumente oder sogar nur die Stimme, für kleine Besetzungen, für großes Orchester; Tango des gesamten Ensembles, von Gruppen oder von Einzelnen. Momente voller dichter Atmosphäre, Erotik, Melancholie, Ästhetik, Fantasie und vieler, vieler Geschichten, als würde Jorge Luis Borges auf einem der schwarzen Stühle in der Ecke sitzen und erzählen.

Er wäre sicher hingerissen von dieser tiefen Verbeugung Fernandos vor Piazzolla und dem Tango. Und er wäre – wahrscheinlich – vor allem von dem atemberaubende Solo zu der „Balada para un loco“ von Terra Kell hingerissen. Obwohl es natürlich höchst ungerecht ist, eine Choreographie, eine Tänzerin, einen Tänzer aus dem Gesamtkunstwerk herauszuheben, das den hervorragenden Ruf der Augsburger Ballettsparte – wieder einmal – eindrucksvoll unter Beweis stellt. Und wie dankbar darf man sein, dass man in dieser verrückten und bedrohlichen Welt sich für anderthalb Stunden einfach den Luxus erlauben kann, Schönheit zu genießen.

DK




ZUR PRODUKTION

Theater:

Staatstheater Augsburg

Martini-Park

Choreographie:

Iratxe Ansa, Igor Bacovich,
Ricardo Fernando

Vorstellungen:

25. März, 30. April, 5., 24. Mai

Kartentelefon:

(0821) 3244900