Paläontologie
Säbelzahn-Beuteltier mit Rehblick

27.03.2023 | Stand 27.03.2023, 7:31 Uhr

Säbelzahn-Beuteltier mit Rehblick - Eine Rekonstruktion des Thylacosmilus atrox. - Foto: Jorge Blanco/American Museum of Natural History/dpa

Zähne wie aus einem Schauermärchen - aber Augen wie ein Huftier: Ein ausgestorbenes Raubtier passt nicht ins übliche Schema. Wissenschaftler wissen nun auch, warum.

Raubtiere schauen nach vorn, Pflanzenfresser haben ihre Augen seitlich am Kopf. Gegen diese biologische Regel verstieß vor Millionen von Jahren ein gewaltige Säbelzähne tragender südamerikanischer Räuber - und das aus bestimmtem Grund, wie ein Forschungsteam im Fachjournal «Communications Biology» berichtet. Die Wurzeln seiner stark verlängerten Säbelzähne im Oberkiefer ragten so weit in den Schädel hinein, dass für nach vorn gerichtete Augenhöhlen kein Platz mehr blieb.

Der Jäger macht eine Einordnung auch aus anderem Grund nicht ganz einfach: Er war zwar etwa so groß wie ein Jaguar und sah mit seinen gewaltigen Hauern aus wie ein Säbelzahntiger. Er war aber keine Katze, sondern ein Beuteltier. Thylacosmilus atrox lebte bis vor etwa drei Millionen Jahren in Südamerika, seine Nahrung bestand nach Forscherannahmen zu mindestens 70 Prozent aus Fleisch. Wie die nordamerikanischen Säbelzahnkatzen ging er wohl auf die Jagd - allerdings mit weit weniger 3D-Sicht.

Die unterschiedliche Ausrichtung der Augen bei Jägern und Gejagten hat seinen Grund: Bei Pflanzenfressern kommt es auf einen guten Rundumblick an, damit sie anpirschende Feinde entdecken können. Die vorne sitzenden Augen von Raubtieren hingegen ermöglichen ein Überlappen beider Sehfelder und damit gutes räumliches Sehen sowie ein präzises Fokussieren auf potenzielle Beute.

Flexible Ausrichtung

Doch wie kam dann der Säbelzahn mit Rehblick an Futter? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Charlène Gaillard vom argentischen Forschungsinstituts Inaglia in Mendoza nutzten CT-Scans und 3D-Rekonstruktionen, um das Sehsystem des Beuteltier-Säbelzahns zu ergründen. Dieser war demnach wohl in der Lage, seine Augenhöhlen etwas nach außen zu strecken und so auszurichten, dass sich die Sehfelder beider Augen merklich stärker überlappten.

Die Verschiebung der Augen auf die Schädelseiten hatte noch eine weitere Folge: Sie befanden sich nun in der Nähe der Kaumuskeln, wie das Forschungsteam erklärt. Damit dies nicht zu einer Verformung beim Fressen führte, habe die Art - ähnlich wie andere Säugetiere - eine spezielle knöcherne Struktur entwickelt.

Doch warum überhaupt diese massive Umgestaltung zugunsten riesiger, ständig wachsender Zähne? Ob eher Vorteile beim Nahrungserwerb entscheidend waren oder Thylacosmilus atrox potenzielle Partner mit den Hauern beeindruckte, ist bisher unklar. «Wir mögen ihn als Anomalie betrachten, weil er nicht in unsere vorgefassten Kategorien passt, wie ein richtiger Säugetier-Fleischfresser aussehen sollte, aber die Evolution macht ihre eigenen Regeln», sagte Inaglia-Forscherin Analia Forasiepi.

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