Zwangspause im Dieselbetrugsprozess

Münchner Verfahren um Vorgänge bei Audi ruht seit Wochen wegen Corona – Vorstände sollen als Zeugen kommen

19.02.2022 | Stand 23.09.2023, 2:41 Uhr

Symbolbild Gericht Foto: David Ebener/dpa

Von Horst Richter

Der erste Prozess auf deutschem Boden um den Audi-Dieselbetrug zieht sich in die Länge. Mittlerweile sind dreieinhalb Wochen ohne einen einzigen Verhandlungstag vergangen, und ob es am Dienstag weitergeht, bleibt offen. Hintergrund der Unterbrechung ist die Corona-Pandemie, das Virus hat vor Verfahrensbeteiligten nicht Halt gemacht.

Nach der Genesung aller Infizierten stehen weitere Zeugenanhörungen an, und die könnten durchaus erhellend sein – falls die Betroffenen nicht Erinnerungslücken geltend machen, wie sie in dem Verfahren schon fast an der Tagesordnung sind. Die Strafkammer hat unter anderem ehemalige und amtierende Mitglieder des Audi- und VW-Vorstands in den Münchner Sitzungssaal gebeten.

Mit Spannung dürfte Christine Hohmann-Dennhardt erwartet werden. Sie war ab Januar 2016 im VW-Vorstand für die Bereiche Integrität und Recht zuständig und nicht zuletzt wegen der Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals an ihren Posten gekommen. Doch ein gutes Jahr später trennte sich Volkswagen gegen eine satte Abfindung wieder von ihr, angeblich wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Verantwortlichkeiten in ihrem Ressort.

War eine echte Aufklärung von VW nicht gewünscht?

Walter Lechner und Klaus Schroth, die Verteidiger des in dem Münchner Betrugsprozess angeklagten Giovanni P., hatten zuletzt eine andere Vermutung geäußert: War sie auf Hinweise auf eine Beteiligung hoher Führungskräfte am Dieselbetrug gestoßen? „Eine solche Aufklärung wollte man nicht haben“, hatte Lechner gesagt. Die Verteidiger dürften manche heikle Frage an die Zeugin richten.

Das Verfahren im Hochsicherheitssaal der Justizvollzugsanstalt Stadelheim dreht sich bekanntlich darum, dass Dieselfahrzeuge von Audi durch Software-Manipulationen auf der Testrolle gesetzeskonforme Abgaswerte lieferten, während es damit laut Anklage im Alltag nicht immer weit her gewesen sein soll. Doch wer ist verantwortlich dafür? Neben dem Ex-Audi-Entwickler Giovanni P. und dessen damaligem Mitarbeiter Henning L. sind der frühere Audi-Motorenchef und Ex-Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sowie der einstige Audi-Chef Rupert Stadler in dem Betrugsverfahren angeklagt. Stadler und Hatz bestreiten, von den Machenschaften gewusst zu haben, während die beiden anderen auf Anweisung „von oben“ gehandelt haben wollen.

P.s Verteidigung hatte zuletzt scharf gegen Volkswagen geschossen und von einem „System der Vertuschung“ und „skandalösen Vorgängen“ bei VW gesprochen. Der Konzern habe alles dafür getan, jegliche Hinweise auf Verantwortlichkeiten in oberen Etagen aus dem Weg zu räumen, statt den Betrug aufzuklären. Umso aufschlussreicher könnten die anstehenden Wochen werden, denn die Strafkammer hat etliche (Ex-)Führungskräfte nach München geladen. Darunter befindet sich Audi-Technik-Vorstand Oliver Hoffmann, der neue VW-Rechtsvorstand Manfred Döss oder der frühere VW-Beschaffungsvorstand Francisco Javier García Sanz.

Auf der Zeugenliste im März stehen weiter die Ex-Audi-Vorstände Hubert Waltl und Dietmar Vogggenreiter, Audi-Aufsichtsrat Josef Ahorner sowie mit Peter Kössler ein echtes Audi-Urgestein – zuletzt war er als Produktionsvorstand im Haus der vier Ringe tätig. Inwieweit der als äußerst bodenständig geltende Ingolstädter und alle anderen zur Aufklärung des Dieselskandals beitragen wollen, wird sich im Gerichtssaal zeigen. Und nicht zuletzt hat der Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Mosch eine Zeugenladung erhalten.

Der Prozess um den Dieselbetrug läuft noch bis Dezember, fast 100 Verhandlungstage sind absolviert. Die Strafkammer hat eine mögliche Verlängerung angedeutet. Die Rolle von Ex-Audi-Chef Stadler, der noch Autos mit manipulierter Technik verkauft haben soll, als der Skandal bereits bekannt war, ist bisher nur am Rande beleuchtet worden, weil vorerst technische Fragen den Prozess dominieren.

Wolfgang Hatz hofft derweil auf die Neubewertung seines Falls durch das Gericht – er sei gar nicht mehr bei Audi gewesen, als der Betrug stattfand, sagt er. Henning L. wiederum hat eingeräumt, auf Druck von Vorgesetzten beteiligt gewesen zu sein. Als Kronzeuge hoffte er bisher vergeblich auf die Einstellung seines Verfahrens, obwohl selbst der Staatsanwalt sich dafür einsetzte. Giovanni P. wird von seinen Anwälten dagegen als „Bauernopfer“ gesehen. Sie wollen noch belegen, dass die Audi-Spitze sehr wohl von dem Betrug wusste.

DK