Ausbildung
Ziel: Mündige Wirtschaftsbürger

15.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr
Im Pflichtfach „Übungsunternehmen“ setzen Schülerinnen und Schüler der Wirtschaftsschule Ingolstadt ihr theoretisches Wissen um. −Foto: Wirtschaftsschule Ingolstadt

Weg vom reinen Faktenwissen, hin zum bewussten und kritischen wirtschaftlichen Handeln: So werden junge Menschen im Unterricht auf die Berufs- und Arbeitswelt vorbereitet.

Unsere Kinder müssen sich früher als andere entscheiden, welchen Beruf sie ausüben wollen. Deshalb liegt beim Wirtschaftswissen der Schwerpunkt auf der Berufsorientierung“, sagt Siegfried Heeger, Konrektor an der Irlanda-Riedl-Mittelschule Geisenfeld, und Schule-Wirtschaft-Experte für das staatliche Schulamt Pfaffenhofen. „Die Schülerinnen und Schüler werden sukzessive ab der 5. Klasse an die Berufs- und Arbeitswelt herangeführt“, sagt Heeger.

Das Fach Wirtschaft und Beruf steht ab der 5. Klasse auf dem Lehrplan. Der eigene Lebensbereich der jungen Menschen und ihre persönliche Entwicklung spielten die Hauptrolle: „Wir holen die Kinder dort ab, wo sie stehen, knüpfen an ihre Vorerfahrungen an – vom Taschengeld über Einkaufen bis hin zu Berufsfeldern.“ Dabei werden Arbeitstechniken wie Beobachten, Befragen, Beschreiben, Auswerten und Erkunden eingeübt. In der 5. und 6. Klasse werden praktische Fertigkeiten vermittelt und erste Formen der Projektarbeit eingeübt. „In der 6. Klasse geht es bereits um den Abgleich zwischen Selbstbewertung und Fremdbewertung“, so Heeger.

Übergang in die Arbeitswelt

Das werde in der 7. Klasse fortgeführt mit Zugangserkundungen, die selbstständig organisiert sein sollen. „Die Schüler verbringen einen Nachmittag in einem Betrieb und lernen einen Arbeitsplatz kennen – mit allem, was dazugehört.“ Dabei werden soziale Kompetenzen vermittelt. „Sie lernen, sich in einen Betrieb einzufügen und sich trotz ihrer Individualität als Teil eines funktionierenden Ganzen zu verstehen“, erklärt Siegfried Heeger. Praktika folgen in der 8. Jahrgangsstufe: „Zwei bis drei Wochen sind dafür vorgesehen. Außerdem gibt es das Angebot ,5 Berufe in 5 Tagen‘ mit der ganzen Bandbreite der Berufe von Bürokaufleuten bis zum Schreiner. Die Jugendlichen erproben sich unter Anleitung von Industrie- und Handwerksmeistern“, sagt Heeger. Wirtschaftliches Faktenwissen wie Kreditvermittlung, das Führen eines Haushaltsbuches oder das Organisieren einer Wohnungssuche werde an praktischen Beispielen in der 7. bis zur 9. Klasse vermittelt. Ab der 8. Klasse wird das Basiswissen auch in Schülerübungsfirmen vertieft. „Der Fachbereich Wirtschaft und Beruf ist eine tragende Säule der Mittelschule. Aber darüber hinaus werden die Hauptfächer Deutsch, Mathematik und Englisch nicht vernachlässigt. Denn hier stehen Abschlussprüfungen an. Unsere Schüler sind gut vorbereitet, wenn sie die Schule verlassen“, betont Heeger.

Fakten nicht nur kennen, sondern damit selbstständig umgehen

„Es geht darum, mit Wissen selbstständig umzugehen“, sagt Oberstudienrätin Susanne Danielli. Sie unterrichtet am Apian-Gymnasium Ingolstadt die Fächer Mathematik sowie Wirtschaft und Recht. Der bayerische LehrplanPlus, der ab dem Schuljahr 2014/2015 an den verschiedenen Schularten sukzessive eingeführt wurde, schreibt den mündigen Wirtschaftsbürger als Ziel vor. „Dazu gehört, Konsumentscheidungen kritisch zu hinterfragen“, sagt Danielli. „Die Schülerinnen und Schüler bereiten in den 7. bis 9. Klassen den Weg einer Jeans von der Herstellung bis in den Kleiderschrank selbstständig auf. Ein Schwerpunkt liegt auf der Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Produzierens und Handelns. Sie arbeiten dabei in Teams zusammen.“ Die Kinder und Jugendlichen sollen animiert werden, ihren Alltag kritisch zu überdenken: „Was leiste ich mir für 100 Euro? Auf was muss ich verzichten?“ Ab der 8. Klasse entscheide sich durch die Wahl des Zweiges, welche Themen mit welchen Schwerpunkten behandelt werden.

In Wirtschaftsinformatik werden Werbung analysiert und gestaltet und anhand von Excel-Tabellen Kosten berechnet. „Unsere Schüler gründen eine Firma“, sagt die Fachbereichsleiterin Wirtschaft und verweist auf die erfolgreiche Teilnahme der „Apianer“ an „Jugend gründet“ und Börsenplanspielen. Vier Stunden Wirtschaft und Recht sowie Wirtschaftsinformatik stehen in der 8. und 9. Klasse auf dem Lehrplan. „Ab der 9. berechnen sie Lohn- und Sozialversicherungsbeiträge“, ergänzt die Oberstudienrätin. „Das machen sie auch gut.“ Aber es sei kein Thema, das die Schüler persönlich betreffe. „Dafür begeistern sie sich für die Kostenkalkulation eines Vereins und deren Profifußballer“, sagt Danielli. In den höheren Klassen stehe die Bewerbung mit Gestaltung der Unterlagen oder Analyse von Stellenangeboten auf dem Lehrplan. Doch auch hier gDaselte meist: „Wir haben noch Zeit.“

„Das politische und gesellschaftliche Leben wird zunehmend von der Wirtschaft bestimmt. So werden bei Auslandsbesuchen unsere Politiker von Vertretern der Wirtschaft begleitet“, sagt Sabine Pannwitz, Leiterin der staatlich anerkannten Wirtschaftsschule Ingolstadt. „Wir sind deshalb der passende Schultyp.“ In die Wirtschaftsschule zu wechseln ist ab der 5. Jahrgangsstufe und bis in die 9. möglich. Je nach Zugang fallen bis zu 58 Prozent der Unterrichtstunden auf Informationsverarbeitung (ab 7. Klasse), betriebswirtschaftliche Steuerung und Kontrolle (7. Klasse), Übungsunternehmen und Wirtschaftsgeografie (ab 9. Klasse). „Unsere Schüler beschäftigen sich mit Lyrik, lesen Zeitung, gehen ins Theater. Aber die Sachtexte sind wirtschaftlich orientiert“, sagt Pannwitz, „und es wird Business-Englisch gelehrt“. Zusätzliche Zertifikate wie der Europäische Computerführerschein und das SAP-Zertifikat bereiten die Schüler konkret auf die Arbeitswelt vor. Praktika sind nicht vorgeschrieben, aber: „Wir erkunden Betriebe der Region und pflegen Bildungspartnerschaften. In der 7. Klasse holen wir für die finanzwirtschaftliche Bildung Experten von außen.“ Als eine der Ersten hat die Wirtschaftsschule den LehrplanPlus umgesetzt. „Unsere Abgänger sind gefragt wegen ihrer Selbstständigkeit, Sozialkompetenz, als Teamarbeiter und wegen ihres Fachwissens.“