Mobilität
Startup-Experte: „Selbstfahren wird künftig ein Hobby wie Reiten“

12.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr
Das Unternehmen Volocopter bietet laut Franz Glatz einen zukunftsorientierten Ansatz in Sachen Mobilität. Aber statt in Deutschland testen sie in Dubai. −Foto: Volocopter

Die Mobilität der Zukunft ist einer der Schwerpunkte des Ingolstädter Gründerzentrums Brigk. Geschäftsführer Franz Glatz erklärt, wie die Region dafür aufgestellt ist und wo aus seiner Sicht die Zukunft der Mobilität entschieden wird.


Herr Glatz, haben die deutschen Autohersteller aus Ihrer Sicht verstanden, dass sie für die Zukunft über die bisherige Form der Mobilität hinausdenken müssen?
Franz Glatz: Es ist allen bewusst, dass die Hersteller künftig nicht mehr klassische Autobauer sind, sondern dass sie sich zum Mobilitätsanbieter entwickeln müssen. Es wird in Zukunft zwei Szenarien geben: Der Kunde möchte entweder von A nach B kommen oder – und das wird eher die Ausnahme – er möchte Spaß am Autofahren haben. Das Selbstfahren wird aber künftig ein Hobby wie Reiten oder Segeln sein. Bei der Mobilität geht es dagegen nicht mehr nur um die Hardware Auto, sondern darum, dem Kunden eine intelligente Möglichkeit zu bieten, um flexibel angepasst an sein Ziel zu kommen.

Das Auto hat also bald ausgedient, um von A nach B zu fahren? 
Glatz: In diesem Bereich wird sich das Verhalten stark ändern. Man wird sich nicht mehr ins Auto setzen und selbst aktiv fahren. Stattdessen wird man nur den Wunsch äußern, wohin man möchte und der Mobilitätsanbieter wird dafür ein Angebot erstellt haben. Der Kunde wird dann nicht mehr der Eigentümer des Fahrzeuges sein, sondern für die Dienstleistung bezahlen.

Können diese Dienstleister noch die Automobilhersteller von heute sein?
Glatz: Wenn die Konzerne weiter Geld verdienen wollen – und das verdient man künftig nicht mehr mit Blech biegen, sondern mit der Intelligenz – müssen sie am Kunden dranbleiben. Und dafür gibt es inzwischen auch ein starkes Bewusstsein.

Sind Carsharing-Angebote der erste Schritt dorthin?
Glatz: Ja, das geht in die Richtung. Die Hersteller sagen: „Wir machen das selbst und überlassen das Geschäft keinem Drittanbieter.“ Ein großer Wettbewerber in diesem Bereich ist beispielsweise Uber. Aber nicht als Taxi-Konkurrent – denn im Prinzip geht es um stressfreie und hochflexible Mobilität. Und Ubers Vision ist, dass sie mit autonom fahrenden Fahrzeugen auch keine Fahrer mehr benötigen. Der Service bleibt der gleiche und der Kunde muss ja heute schon nicht mehr mit dem Fahrer kommunizieren: Er kommuniziert mit der App, von wo nach wo er will und zahlt auch über diese.

Welche Rolle wird aus Ihrer Sicht die Vernetzung zwischen Straße, Schiene und Luft spielen?
Glatz: Wenn der Kunde schnellstmöglich von A nach B will, ist es ihm egal wie. Das kann anfangs etwas sein, das sich auf Rollen bewegt – und ich sage jetzt bewusst nicht Auto. Es geht um einen Raum, in dem ich gemütlich sitzen, lesen, arbeiten oder schlafen kann, der dann transportiert wird. Das kann auch etwas sein, was man heute vielleicht Hubschrauber nennt oder es bewegt sich auf Schienen oder in einer Röhre.

Das klingt nach einem Science-Fiction-Film.
Glatz: Das klingt nach Science-Fiction, wenn man nicht rückwärts blickt. Vor gut zehn Jahren gab es noch kaum mobiles Internet und keine E-Mails aufs Handy. Wir sind heute in der Science-Fiction von gestern!

Bis wann könnten Sie sich so eine Transportweise vorstellen?
Glatz: Dubai zum Beispiel will bis 2020 die smarteste City der Welt werden und will bis dahin autonom fahrende Autos. In Dubai wird das aufgrund der rechtlichen Begebenheiten sicher schneller geschehen als hier. An Orten mit einer hohen Regulierung wird diese Entwicklung dagegen erst in 10 oder 20 Jahren passieren können. Die schwierigste Zeit wird die Transformationszeit. Wenn alle Autos autonom fahren, wird der Verkehr sehr viel sicherer und schneller sein, weil die Autos dann miteinander kommunizieren und ein unerwarteter Spurwechsel nicht mehr vorkommt. Irgendwann wird das ganz normal für uns sein. Und in Dubai gibt es noch eine andere zukunftweisende Entwicklung.

Welche ist das?
Glatz: Es nennt sich Volocopter und ist eine mit Elektromotor betriebene Drohne mit 16 Propellern. Es handelt sich um eine Kabine für zwei Personen, die das Ding aber nicht steuern können. Das macht alles ein zentraler Rechner und der Passagier gibt nur noch an, wohin es gehen soll. Entwickelt wurde das von einem deutschen Startup – und wo fliegen sie? Nicht in Manching oder Donauwörth, sondern in Dubai, weil der dortige Scheich das aktiv vorantreibt. Nun läuft eine zweijährige Testphase mit unbemannten Flügen mitten in der Stadt und wenn alles gut läuft, dürfen sie danach Passagiere transportieren. Autonome Fortbewegung wird also nicht bei uns entschieden.

Der Staat muss die Voraussetzungen schaffen, die Firmen müssen die Ausstattung bereitstellen, letztlich müssen die Menschen die Konzepte aber auch annehmen. Wird das im Autoland Bayern schwieriger als anderswo?
Glatz: Es gibt sicher Menschen, die sich das nicht vorstellen können – in Bayern wie überall sonst auch. Diese zu überzeugen wird schwierig. Im Großteil der Gesellschaft findet aber schon ein Umdenken statt. Gleichzeitig haben viele Menschen immer noch eine gewisse Angst vor der Technologie und Zweifel aus Datenschutzgründen. Was nicht heißen soll, dass alles, was möglich ist, auch gemacht werden soll. Die Technologie muss auch einen Nutzen bieten. Aber was Statussymbole angeht: Die wandeln sich. Bei meiner Mutter war es ein Fahrrad, bei mir ein Auto, bei meinem Sohn ein Smartphone. Der jungen Generation ist Mobilität wichtiger als eigene Autos – und sie sagt: „Wenn ich mal für den Spaß ein tolles Auto will, dann leihe ich mir halt eins.“ Mobilität muss für diese Generation on Demand verfügbar sein, so wie Nachrichten, Musik oder Filme auch.

Wie helfen Sie im Gründerzentrum den Startups aus der Region, bei diesen Zukunftsentwicklungen mitzuspielen?
Glatz: Wir sind eine neutrale Plattform und Netzwerker. Wir verbinden Startups, kleine Unternehmen und große Konzerne um Geschäftsideen weiter zu entwickeln, die ersten Kunden zu finden oder miteinander zu kooperieren. Dazu stellen wir auch ein Finanzierungsnetzwerk und Coachings bereit. Und schließlich erhalten Startups bei uns einen Arbeitsplatz und eine erste Geschäftsadresse.

Ingolstadt ist eine Autostadt und hat zudem die Technische Hochschule und nun noch das Brigk. Kann Ingolstadt damit zu einem Zentrum der digitalen Mobilität werden?
Glatz: Das ist das große strategische Ziel des Brigk und sicher auch der Region, die dafür ein großes Potenzial hat. Warum? Sicherlich ist es nicht nur der eine große Automobilbauer, sondern dass es hier ganz viele Tech-Unternehmen gibt – zum Beispiel Airbus oder Media-Saturn. Viele etablierte Unternehmen aus verschiedenen Bereichen sind auf ähnlichen Wegen – im Wandel zum Digitalkonzern. Dadurch sind in der Region sehr viel Know-how und Innovationspotenzial vorhanden. Denn Innovation passiert meistens nicht alleine, sondern im Zusammenspiel zwischen verschiedenen Partnern und über die Branchen hinweg.

Welche Rolle spielt die THI?
Glatz: Sie ist eine wichtige Quelle für neue, kluge Köpfe und frische Ideen. Zusätzlich müssen die Studierenden verstehen, dass sie mit eigenen Ideen auch sehr erfolgreich sein und unternehmerisch tätig werden können. Da arbeiten die THI und das Brigk eng zusammen.

Das Gespräch führte Daniel Wenisch
 

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Zur Person

Seit der Eröffnung des Ingolstädter Gründerzentrums im Herbst unterstützt Franz Glatz als Geschäftsführer Jungunternehmer beim Start in die Selbstständigkeit. Der 53-Jährige leitete zuvor unter anderem das Münchner Gründerzentrum Werk 1.