Landwirtschaft
Gute Rüben – gute Preise?

15.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr
5200 Zuckerrübenanbauer bewirtschaften in Südbayern eine Fläche von 43.000 Hektar Rüben. 2017 holten sie mit 93 Tonnen pro Hektar eine sehr gute Ernte ein. −Foto: Philipp Schulze/dpa

Die bayerischen Bauern haben 2017 eine hervorragende Zuckerrübenernte eingeholt. Nach dem Ende der EU-Zuckermarktordnung müssen sie nun mit Preisen rechnen, die nicht einmal die Kosten decken.

Das Ende der Europäischen Zuckermarktordnung hat neue Unsicherheit in die bayerische Landwirtschaft gebracht. Seit dem 1. Oktober 2017 gibt es keine Quoten und garantierte Mindestpreise mehr für den wichtigen Agrarrohstoff Zuckerrübe. Der bislang reglementierte Markt wurde geöffnet. Die Übergangsphase in einen freien Handel ist geprägt von einem sprunghaften Anstieg der Anbauflächen in Europa und damit auch einem enormen Verfall der Preise.

Super Ernte, effektive Kampagne und noch immer keine Preise

Auch die 5200 südbayerischen Zuckerrübenanbauer haben ihre Produktion gesteigert: von 35 000 Hektar im Jahr 2016 auf 43 000 Hektar im vergangenen Jahr. Zudem wurde der Ausnutzungsgrad des Lieferrechts in der jüngsten Kampagne auf 140 Prozent erhöht. „Die Steuerung der Anbaufläche erfolgt auf Grundlage des süddeutschen Lieferrechtssystems. Der Ausnutzungsgrad wird von der Südzucker AG jedes Jahr neu definiert“, erklärt der Köschinger Landwirt Maximilian Ampferl, der zugleich Vorstandsmitglied des Verbandes bayerischer Zuckerrübenanbauer ist. Mit 93 Tonnen Zuckerrüben pro Hektar und einem Zuckergehalt von 17,7 Prozent holten die Rübenanbauer der Region 2017 eine hervorragende Ernte ein. Die Raffinerie der Südzucker AG in Rain – dorthin liefern die Bauern ihre Rüben – waren an 139 Kampagnentagen voll ausgelastet. Damit haben die Zuckerrübenbauern ihren Teil dazu beigetragen, dass die Südzucker AG ihr Ziel erreichen konnte: die Senkung der Kosten durch eine verbesserte Auslastung der Fabrikkapazitäten an mindestens 120 Kampagnentagen.

Die Ernte ist eingeholt, der Zucker hergestellt. Doch die Bauern wissen noch immer nicht, wie viel sie für ihre Rüben bekommen. „Das ist allerdings normal“, erläutert Max Ampferl. Denn mit dem Rübenanbau geben die Erzeuger ihrem Abnehmer immer auch einen Vertrauensvorschuss. Die Anbaufläche für 2017 wurde schon 2016 mit Südzucker vertraglich geregelt. Im Mai 2018 werden dafür nun die Preise ausgehandelt. Erstmals unter den neuen Bedingungen – ohne einen Mindestpreis für die Zuckerrübe. Gleichzeitig sind die Preise für Zucker stark gefallen.

Landwirte können nur mit mehreren Standbeinen überleben

Die bayerischen Bauern fürchten um ihre Existenz. Wenn der Preis für die Zuckerrüben ihre Kosten für Saatgut, Düngung, Pflanzenschutz, Maschinen, Arbeitszeit und die in der Region Ingolstadt hohen Pachten nicht mehr deckt, geht es an die Substanz. „Der Bauer muss als Unternehmer denken. Unter den aktuellen Marktverhältnissen für Getreide und Raps ist nachhaltige Landwirtschaft nicht möglich“, sagt Maximilian Ampferl. Deshalb haben sich viele Landwirte, die ihre Höfe erhalten und an die nächste Generation übergeben wollen, mit zusätzlichen Standbeinen abgesichert. So arbeiten sie beispielsweise mit ihren Maschinen im Maschinenring für andere Landwirte oder Kommunen. Oder sie haben sich einen Job in der Stadt gesucht und betreiben ihre Landwirtschaft im Nebenerwerb.

Rübenbauern müssen unter großer Unsicherheit für 2019 entscheiden

„Das ändert aber nichts daran, dass wir für die Zuckerrübe einen guten Preis erzielen müssen“, sieht Ampferl den Preisverhandlungen mit der Südzucker AG entgegen. Denn zur Zuckerrübe gibt es für die Landwirte keine Alternative, zeigt er mit einem Blick auf die Börse, die den Preisverfall bei Raps, Getreide und Kartoffeln widerspiegelt. Doch es gibt auch keine Alternative zu einem Rübenpreis, der alle Kosten deckt. Denn sind die Preise zu gering, büßt der Bauer indirekt gleich für mehrere Ernten ein: die 2017er und die 2018er. Die diesjährige Anbaufläche wurde bereits im vergangenen Jahr festgelegt. Spätestens im April beginnt die Aussaat. Ab September wird geerntet und erst im Mai 2019 über die Preise verhandelt.

„Zumindest aber kann der Landwirt anhand der aktuellen Preise entscheiden, ob und wie viele Zuckerrüben er im kommenden Jahr anbaut“, erklärt Ampferl die Position der bayerischen Zuckerrübenanbauer. „Wir Bauern müssen zusammenstehen und die Höhe unserer Anbaufläche für 2019 von einem guten Preis abhängig machen.“

Er selbst ist mit einem Blick auf den Weltmarkt, der jedes Jahr zwei Prozent mehr Zucker braucht, optimistisch. Und mit einem zweiten Blick auf die Südzucker AG, die nicht nur neue Geschäftsfelder und Absatzmärkte erschließt, sondern auch ihre Umsatzprognose für das Geschäftsjahr 2017/18 angehoben hat. Es wird mit einem Konzernumsatz von 6,9 bis 7,1 Milliarden Euro gerechnet. Und gerade für die wachsende Sparte der Bioethanol-Herstellung wird auch in Zukunft mehr Zucker gebraucht.

Im Mai wird das Ergebnis auf dem Tisch liegen. Ist ein guter Preis für 2017 erzielt, geht es darum, Ungerechtigkeiten auf dem Markt abzuschaffen. Die Benachteiligung deutscher Bauern beispielsweise durch Sonderprämien für den Rübenanbau, die in Ländern wie Polen, Italien und Tschechien gezahlt werden.

„Diese Zahlungen verzerren den Wettbewerb zulasten der Zuckerwirtschaft in Deutschland, wo die Rübenbauern keine gekoppelten Prämien erhalten. Sie zementieren nicht-wettbewerbsfähige Strukturen und widersprechen dem Prinzip des einheitlichen EU-Binnenmarktes“, sagt Hans-Jörg Gebhard, Vorsitzender des Vorstandes der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ), und fordert, diese Sonderprämien im Rahmen der bevorstehenden Reform der europäischen Agrarpolitik abzuschaffen. Zudem macht er auf die Wettbewerbsbedingungen am internationalen Markt aufmerksam. „Diese sind noch immer zugunsten der großen Erzeugerländer verzerrt. Die Politik ist gefordert, hiergegen offensiv vorzugehen. Staatliche Subventionen für die Zuckererzeugung wie in Brasilien verschlechtern unsere Chancen am Weltmarkt.“