Wer will fleißige Handwerker seh'n?

06.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:18 Uhr

Unsere Vorschulkinder habe ich schon lange nicht mehr so eifrig und konzentriert bei der Sache gesehen", sagt Michaela Bayerlein, Erzieherin im Kindergarten St. Michael in Spalt-Großweingarten.

"Sie haben gemauert, gefeilt, gesägt und mit dem Hammer Nägel eingetrieben. Sogar einige unserer Vierjährigen waren dabei und haben sehr viel handwerkliches Geschick und Ausdauer bewiesen. " Im Mai waren Nikki Nagel und Harry Hammer, zwei Spielpädagogen mit bauhandwerklichem Hintergrund, im Kindergarten zu einem Baumeister-Tag zu Gast. Dieser ist Teil des Projektes "Baumeister gesucht" des Landesverbandes der Bayerischen Bauinnungen. Landauf, landab bringt dieses Projekt die Vielfalt der Bauberufe zu den Kindern, ihren Familien und zu den Erzieherinnen. Dabei stehen Spaß, Erfolgserlebnisse mit eigenen Werkstücken im Mittelpunkt.

Zwar gehöre der Umgang mit Werkzeug und praktisches Arbeiten sowieso zur Bildungsarbeit in den Kindertagesstätten, sagt Petra Berwerz-Hein, Fachberaterin für Kindertagesstätten beim Caritas-Verband der Diözese Eichstätt, zu der die Kindertagesstätte St. Michael gehört. Doch selbst, wenn eine Werkbank und kindgerechtes Werkzeug vorhanden seien, gebe es noch einmal einen starken Impuls, wenn die eigens dafür geschulten Spielpädagogen in die Einrichtung kommen. "Wir hatten schon eine Werkbank. Nun kam eine weitere hinzu, sodass mehrere Kinder gleichzeitig arbeiten können", erzählt Manuela Bayerlein. Im Mai werkelten die Kinder an vier Stationen. "Sie waren ganz stolz auf ihr kleines Häuschen mit Gartenzaun. Im Sommer haben wir beide Werkbänke im Freien aufgebaut und passend zum Thema Wasser auch ein von einem Luftballon betriebenes Boot gebaut und in einer Wanne schwimmen lassen", fügt Bayerlein hinzu. "Sogar wir Erzieherinnen haben von dem Projekt profitiert. "

Zum Konzept gehört, dass zunächst die Erzieherinnen - gerne auch interessierte Eltern - an der Werkbank und im Umgang mit Werkzeug geschult werden. Erst dann werden die Kinder zu Baugesellen ausgebildet, erhalten darüber Am Ende auch eine Urkunde. Der Projekttag startet immer mit dem Lied: "Wer will fleißige Handwerker seh'n, der muss zu uns Kindern geh'n. "Diese Zeilen hat die Bayerische Bauwirtschaft ernst genommen. Denn die vollen Auftragsbücher für Wohnungen wollen von Maurern, Zimmerern, Betonbauern oder Fliesenlegern abgearbeitet werden. Doch trotz guter Konjunktur und damit guter Beschäftigungslage werden auch in diesem Ausbildungsjahr wieder Lehrstellen unbesetzt bleiben. Die Bauwirtschaft hat es im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen schwerer, Nachwuchs zu finden. Denn sie werde meist mit Lärm, Schmutz und Arbeiten bei Wind und Wetter im Freien assoziiert, heißt es von den Verantwortlichen. Das Baumeister-Projekt will deshalb schon im frühen Kindesalter über Erfolgserlebnisse und positive Begegnungen mit Praktikern um Sympathie werben. Unterrichtsmaterial für Jugendliche gibt es bereits seit Jahren. Gerade erst wurde mit neuem Material "Bauen und Konstruieren" im LehrplanPLUS für bayerische Grundschulen verankert. "In jedem Kind steckt ein Baumeister. Das beginnt im Sandkasten, geht mit Bausteinen weiter und setzt sich mit komplizierteren Bausätzen fort", sagt Fabian Glückert vom Institut für innovative Bildungskonzepte, das das Projekt für die Bayerische Bauwirtschaft umsetzt.
Erfolgreiche Werbung
durch persönliche Begegnung

Bildungsreferent Sebastian Pihan ergänzt: "In diesem Jahr haben wir 35 Touren. " Diese entstehen auf verschiedenen Wegen, wie der Bildungsreferent erklärt: "Einrichtungen rufen bei uns an und fragen nach, ob wir ein Innungsmitglied haben, das für die Aktion die Patenschaft übernimmt. Wir haben auch Paten, die uns Einrichtungen nennen, die in ihrer Nähe liegen. Die Betriebe müssen nicht selbst mit ihren Mitarbeitern dabei sein. Aber natürlich ist es schön, persönlich den Nachwuchs zu begeistern. Wir übernehmen auf jeden Fall die Terminplanung und Koordinierung der Touren. " Damit soll vermieden werden, dass die Spielpädagogen unnötig viele Kilometer fahren. Es gibt deshalb auch Wartelisten für Paten und Einrichtungen, die am Projekt teilnehmen möchten.

In Großweingarten war Anne Engelhard am Projekttag dabei. Die Sozialpädagogin hat selbst ein Kind im Kindergartenalter. Ihr Mann Klaus, Mitglied im Vorstand der Bayerischen Bauwirtschaft, hatte den Werbeflyer für das Projekt mit nach Hause gebracht. "Ich fand es eine tolle Idee, zumal der Städtische Kindergarten Spalt im September 2017 das Projekt bereits mit großem Hallo und mit unserem Unternehmen als Paten angeboten hatte", erzählt sie. Also brachte sie gelbe Bauhelme für die 21 Vorschulkinder in Großweingarten mit - "und ein paar zusätzliche " - und half als weitere Betreuungskraft. Noch heute ist sie begeistert: "Es passt genau auf die Altersklasse, ist kurz und knackig aufgebaut und schult im Umgang mit Werkzeug. Niemand braucht Angst zu haben, dass die Kinder zu Hause dann im Übereifer alles kaputtmachen. Und vor allem gibt es ganz viele Erfolgserlebnisse. Die Kinder haben mit ihren Holzhäuschen eine kleine Stadt gebaut. Nach drei spannenden Stunden durfte jedes Kind sein Werk und den gelben Helm mit nach Hause nehmen und erhielt die Urkunde ,Ich bin ein Baumeister' obendrein. "

Wenn es dann einige Jahre später um die Berufsfindung geht, könnte dieses Erfolgserlebnis mit eine positive Rolle spielen, hoffen die Verantwortlichen in der Bauwirtschaft. Die Chancen dafür scheinen gut zu sein, denn seit dem Start der Initiative im Sommer 2014 zählt die Bayerische Bauwirtschaft über 2800 begeisterte Kinder, viele Eltern und knapp 1200 Erzieherinnen in mehr als 170 Einrichtungen (hierin sind die Zahlen für das laufende Jahr noch nicht enthalten). Doch noch nicht alle Innungsmitglieder gehen aktiv auf Einrichtungen zu, und noch nicht alle Verantwortlichen in Kindertagesstätten kennen das Projekt.

Und schließlich wirbt die Bayerische Bauwirtschaft auch um weitere Baumeisterhelfer - Eltern, Verwandte, Bekannte und engagierte Ehrenamtliche, die sich schulen lassen möchten, um den Spielpädagogen Nikki Nagel und Harry Hammer (dahinter verbergen sich ja unterschiedliche Menschen) zur Seite stehen. Ziel der Initiative ist es, das Handwerk langfristig in den Kindergarten-Alltag zu integrieren.

Auch wenn im Baugewerbe der Umgang mit elektronischen Medien, Kenntnisse in Mathematik und den Naturwissenschaften erforderlich sind, sind handwerkliche und praktische Lernerfahrungen grundlegend in Bildung und Erziehung, heißt es vom Verband. Und selbst, wenn sich die Kinder einmal gegen einen Bauberuf entscheiden. "Handwerken fördert nachweislich das Geschick und die Konzentration, aber auch die Lösungskompetenz bei Problemen und damit Fähigkeiten, die für das ganze Leben wichtig sind", wirbt die Bayerische Bauwirtschaft für ihr Projekt.