Digitalisierung
Pole Position oder abgehängt

18.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:39 Uhr

Kleine und mittlere Unternehmen ignorieren Chancen und Gefahren des technischen Wandels bislang häufig. Dabei bieten sich selbst für kleine Handwerker enorme Potenziale. Digitalisierungsexperten sehen bei kleineren und mittleren Unternehmen in der Region noch großen Nachholbedarf.

"Viele sind für das Thema nach wie vor nicht sensibilisiert", sagte der Pfaffenhofener Unternehmensberater Stefan Friedl, der zu den autorisierten Beratern für das Bundesprogramm "Go digital" (siehe Artikel links) gehört. In vielen Betrieben friste das Mega-Thema noch immer ein Stiefmütterchendasein. Sein Gredinger Kollege Roland Wolfrum sieht vor allem ein Generationenproblem. Ältere Firmeninhaber setzten sich mit dem Thema Digitalisierung oft nicht auseinander.

Dabei dringt die Staatsregierung seit Jahren darauf, dass sich auch kleine Handwerker oder Gewerbetreibende eine Digitalisierungsstrategie überlegen sollten. Zwar haben nach Angaben des Wirtschaftsministeriums mehr als die Hälfte der 604000 Mittelständler in Bayern ihre Situation bereits analysiert, gerade bei den kleinen Unternehmen bestehe aber noch Aufholbedarf. In Sachen Digitalisierung "sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt", sagte Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer (CSU) dem DONAUKURIER. Auch Frisöre, Dorfmetzger oder Baubetriebe müssten sich aufgrund der steigenden Kundenansprüche mit dem Thema befassen. So gehe es etwa um Online-Terminvereinbarungen oder Möglichkeiten, Produkte vorzubestellen oder auch virtuell eine Vorstellung von einer Baumaßnahme oder einem Möbelstück zu entwickeln. "Wer sich in dieser Beziehung abhängen lässt, fällt schnell zurück. Und im Umkehrschluss: Wer da schnelle und kreative Angebote macht, gewinnt einen klaren Wettbewerbsvorsprung", betonte Pschierer. Jedes Unternehmen müsse seine Potenziale genau analysieren. Die Möglichkeiten der Digitalisierung gehen für den Minister aber noch deutlich weiter: Vereinfachte Produktionsverfahren, Möglichkeiten der Individualisierung von Produkten, neue Vermarktungswege, Kosten- und Energieeffizienz oder neue Geschäftsmodelle könnten sich auftun.20 Euro für eine Rechnungsstellung

Stefan Friedl sieht bei kleinen Firmen vor allem in der Verwaltung Sparpotenziale. Bei der Buchhaltung und Verfahrensdokumentation bis zum Rechnungsversand gebe es bei den meisten Betrieben Optimierungsbedarf. Oft würden Rechnungen auf Papier erstellt, dann Kopien für den Steuerberater und die eigenen Unterlagen gemacht und anschließend erfolge der Versand per Post. "Die Kosten einer solchen Rechnungsstellung liegen wegen des Zeitaufwands bei 15 bis 20 Euro", sagt der Berater. Mit einem hausinternen Managementsystem könne daher viel Geld gespart werden. Und auch das professionelle Erscheinungsbild lasse sich verbessern, wenn ein Handwerker sein Angebot beim Kunden mit einem vorgefertigten Standardformular auf dem Tablet erstelle, statt auf einem Schmierzettel. Zudem seien dadurch die Daten immer griffbereit und die Kommunikation mit dem Kunden viel einfacher.

Roland Wolfrum sieht ebenfalls große Vorteile bei der Kundenfreundlichkeit und im Marketing: "Auch ein kleiner Schreiner kann mit digitalen Möglichkeiten dem Kunden direkt und mit wenig Kosten das Endprodukt visualisieren. " Das gehe auch ohne Designabteilung und Hochglanzprospekte. Nachholbedarf hätten viele Betriebe zudem vor allem beim Thema Datensicherheit.

Wolfrum ist sich trotz der bisherigen Zurückhaltung sicher, dass das Bewusstsein in den Firmen wächst. "Die Jungen wollen nicht mehr mit Stift und Papier arbeiten", sagt er. Nach einem Generationswechsel werde daher oft die Digitalisierung angegangen. Und Friedl betont, dass sich kleine Betriebe auf Dauer ohnehin nicht verschließen können, denn: "Der Druck kommt von den großen Firmen als Kunden. Die wollen die Daten vom Dienstleister digital haben und nicht selbst händisch von einem Papierzettel erfassen. "