Kluge Köpfe braucht das Land

10.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:16 Uhr
Biogasanlagen wie die der Landwirte Josef und Josef Höckmeier in Eschelbach sollen künftig flexibel gefahren werden und damit Lücken schließen, die fluktuierende erneuerbare Energien wie Sonne und Wind naturgemäß lassen. −Foto: Höckmeier

Erneuerbare Energien sollen perspektivisch die Stromversorgung übernehmen. Doch Sonne und Wind - zwei entscheidende Akteure im erneuerbaren Energiemix - sind wetterabhängig.

Also braucht es Anlagen, die Schwankungen ausgleichen können. Traditionell übernehmen Wasserkraftanlagen und Pumpspeicherkraftwerke diese Aufgabe. Künftig aber sollen auch Biogasanlagen verstärkt als grüne "Lückenfüller" eingesetzt werden. Die Weichen dafür stellt das Erneuerbare-Energien-Gesetz. "Speisten die Biogasanlagen bislang rund um die Uhr ins Netz ein, soll ihre Einsatzzeit am Strommarkt künftig gedrosselt und ein flexibler Betrieb angestrebt werden", erläutert Michael Huth, Energieberater am Fachzentrum für Diversifizierung und Strukturentwicklung am AELF (Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Ingolstadt-Eichstätt. Der Grund: "Biogas lässt sich optimal vor Ort speichern, und das mit Methangas betriebe Blockheizkraftwerk kann dann einspringen, wenn eine Windflaute herrscht und keine Sonne scheint. "

Aus seinem Beratungsalltag in landwirtschaftlichen Betrieben der Region kennt Michael Huth viele kluge Köpfe, die die Energiewende auf dem Land vorantreiben. Gemeinsam mit ihnen arbeitet er daran, die erneuerbaren Ressourcen der Landwirtschaft noch effektiver auszuschöpfen. Besonders gut gelingt das bereits in Eschelbach an der Ilm.

Land schafft Energie

Hier haben die Landwirte Höckmeier die Energiewende angeschoben. Sie koppeln Photovoltaik und Biogas, speichern Gas und Wärme, können so flexibel Strom und Wärme bereitstellen. Ging es anfangs vor allem um eine kostengünstige Beheizung der Hähnchen-ställe, versorgt ihre Biogasanlage heute 1400 Haushalte pro Jahr mit Strom - 100 davon allein aus der Energie des Hähnchenmists. Immer wieder wurde die Effizienz der Anlage gesteigert. Die überschüssige Wärme - ein "Abfallprodukt" der Stromerzeugung - wurde schließlich auch zur Beheizung der benachbarten Hopfentrocknung und zur Wärmeversorgung von 35 Haushalten genutzt. Ersparnis bislang: 280000 Liter Heizöl pro Jahr. Jetzt investierten die Landwirte erneut, in einen dritten Motor und moderne Technik zur bodennahen Ausbringung der hochwertigen Dünger, die als Gärreste übrig bleiben. Wieder können sie den Gesamtwirkungsgrad der Biogasanlage erhöhen.

Anlagen neu konzipieren

Entscheidend im Gesamtprozess der Landwirte sind drei Dinge: das "Futtergemisch" für die Biogasanlage, die Wärmenutzung und perspektivisch vor allem die Speicherkapazität, um die Anlage flexibel fahren zu können. Also rüsten die Höckmeiers ihre Anlage weiter auf: unter anderem mit einem Warmwasserspeicher, der Wärme in 300 000 Litern Wasser speichern kann. Zudem investieren sie in einen dritten Gärrestbehälter mit flexiblem gasdichten Dach. "Damit erhöhen wir die Lagerkapazität für Gärreste und sind in der Lage dazu, Gas für zehn Stunden zu speichern", erklärt Josef Höckmeier. In Spitzenzeiten können dann drei Motoren zu- oder abgeschaltet werden und ganz nach Bedarf grünen Strom aus der Region für die Region produzieren.

"Das Interesse der Landwirte an erneuerbaren Energien ist groß", konstatiert Michael Huth. "Viele entwickeln auf Grundlage ihrer individuellen Gegebenheiten und Bedürfnisse tolle Konzepte für eine Energiewende auf dem Land. " So hat ein Biohof mit Rindermast und Gemüseanbau seine PV-Anlage um einen Lithium-Ionen-Batteriespeicher ergänzt und dadurch seine Eigenverbrauchsquote von Solarstrom erhöht. Über einen ganz besonderen Vertrag: "Der Landwirt stellt einen kleinen Teil seiner verfügbaren Batteriekapazität dem Speicherhersteller zur Verfügung", erläutert Michael Huth. "Damit wird der Speicher Teil eines virtuellen Kraftwerks und kann das Stromnetz entlasten. Der Landwirt wiederum wird Teil einer Gemeinschaft und erhält vom Speicherhersteller dafür Vergünstigungen beim Strombezug aus dem Netz. "

Der Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende sind Menschen. Kluge Köpfe, die die Energiewende mit ihren Ideen und Projekten vorantreiben. Sei es in einem Unternehmen wie den Stadtwerken Ingolstadt, einer Bürgervereinigung wie der in Pfaffenhofen, einer Gemeinde wie Dollnstein oder als Privatperson.

Die Stadtwerke Ingolstadt koppeln Wärme, Strom und Speicherkapazitäten. Sie bieten ihren Kunden neben Fernwärme und grünem Strom nun auch eine Kombination aus Photovol-taik, Stromspeicher und Energiemanager an. Auf dem Dach wird Ökostrom erzeugt, direkt verbraucht, gespeichert oder gegen Vergütung ins Netz eingespeist. Die effizienten Energieflüsse im Haus regelt ein digitaler Energiemanager automatisch.

Energieverluste soll es künftig auch in Bayerns größtem Fernwärmenetz nicht mehr geben. Um Bedarf und Bereitstellung von Wärme - sie kommt aus der Müllverbrennungsanlage, mehreren Blockheizkraftwerken und industrieller Abwärme - aufeinander abzustimmen, werden künftig riesige Speichertürme überschüssige Fernwärme in Form von heißem Wasser speichern und in der Lage sein, sie dann wieder ins Netz einzuspeisen, wenn sie gebraucht wird.

Die Verknüpfung der Sektoren Strom und Wärme stellt Kommunen vor große Herausforderungen. Die Marktgemeinde Dollnstein hat ein Leuchtturmprojekt umgesetzt, Strom und Wärme in einem Nahwärmenetz miteinander verbunden. Das Kommunalunternehmen Energie Dollnstein erklärt es so: "Im Winter, wenn viel Wärme benötigt wird, wird das Nahwärmenetz mit etwa 80 Grad Celsius betrieben. Ein Gas-Blockheizkraftwerk (BHKW) erzeugt Wärme und Strom. Die Wärme wird direkt ins Netz eingespeist. Der Strom dient dem Betrieb einer Grundwasser-Wärmepumpe. Diese nutzt das bis zu 10 Grad warme Grundwasser und hebt die Temperatur auf Heizungsniveau. Das BHKW erhitzt das Wasser weiter. Wenn die Sonne scheint, unterstützen die Photovoltaik-Anlagen die Wärmepumpe. Solarwärmekollektoren erwärmen an sonnigen Tagen das vom Grundwasser vorgeheizte Trägermedium, bevor es der Wärmepumpe zur Verfügung steht. Im Sommer wiederum hat das BHKW Pause. Dann liefern die Solarwärmekollektoren genug Wärmeenergie. Das Wärmenetz wird nun mit lediglich 30 Grad Betriebstemperatur betrieben. "

Klimaschutz umfassend denken

In Pfaffenhofen sorgen Photovoltaik, Wind, Holz und Abwärme für die au-tarke Versorgung einer ganzen Stadt mit erneuerbaren Energien. Hier fängt die Energiewende auch schon in den Köpfen der Kinder an, wird Energie mit Projekten "begreifbar" gemacht. Und mit Aktionen wie "Pfaffenhofen stoppt die Plastikflut" wird der Klimaschutz weit über erneuerbare Energien hinaus gedacht.