"Eine neue Sorte zu züchten, dauert 10 Jahre"

10.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:16 Uhr
Mit der Genschere Crispr/Cas können gezielt einzelne Gene ausgetauscht werden. −Foto: Fischer/dpa

"Von der Kreuzung zur Sortenzulassung dauert es mindestens 10 Jahre", erklärt Christian Augsburger, Geschäftsführer der Bayerischen Pflanzenzucht- und Saatverbände.

"Wenn ich in mein aktuelles Material sehr exotische Resistenzen einbauen will, dauert es sehr viel länger, weil ich sehr viele Rückkreuzungen machen muss", sagt der Experte. Er nennt ein Beispiel: Wenn man eine Wildsorte aus Israel oder dem Iran verwendet, weil die besser mit Trockenstress klarkommt, bringt sie in Deutschland keinen Ertrag. Dann müsse der Züchter versuchen, diese Eigenschaften endzukreuzen. Das beinhaltet aber mehrere Rückkreuzungsschritte über mehrere Jahre hinweg. Nur so kann der Züchter auf das Leistungs- oder Qualitätsniveau der dann entstehenden Sorte Einfluss nehmen. Und das dauert mit herkömmlichen Züchtungsmethoden mindestens zwischen 10 und 15 Jahren. Da der Klimawandel bereits seit über 100 Jahren bestehe, setzten sich automatisch Pflanzen durch, die diese Stressoren besser ertragen. "Züchtung ist automatisch immer eine Anpassung an den Klimawandel", erklärt Augsburger.

Um die Zuchtziele schneller erreichen zu können, setzten die Pflanzenzüchter ihre Hoffnung auf das sogenannte Crispr/Cas-Verfahren. Damit können Wissenschaftler gezielt ein Gen aus dem Erbgut entfernen und durch ein anderes Stück DNA ersetzen. Sprich: Man kann eine ungewünschte Eigenschaft austauschen, damit die Pflanze beispielsweise resistenter gegen Hitze und Wassermangel ist. Das Besondere an Crispr/Cas ist, dass man dasselbe Ergebnis auch durch klassische Züchtung erhält - es da aber deutlich länger dauert. Und hinterher könne man nicht mehr erkennen, ob die Mutation durch die Genschere oder durch Zufall entstanden sei, erklärte Jörg Vogel, Direktor des Instituts für Molekulare Infektionsbiologie in Würzburg, in einem Interview. Im Juli hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass diese neuen molekularbiologischen Zuchtverfahren - selbst wenn sie das Erbgut einer Pflanze nur so verändern, wie es auch auf natürliche Weise möglich wäre - als Gentechnik zu bewerten sind. Dementsprechend werden sie nun streng kontrolliert. Da in anderen Ländern von Fall zu Fall entschieden wird - etwa in den USA und Kanada -, befürchten Experten wie Richard Visser, Professor an der Wageningen University in den Niederlanden, dass die Europäische Union bei den neuen Züchtungstechnologien international den Anschluss verlieren wird. Außerdem würde es viel schwieriger wenn nicht sogar unmöglich, die Anforderungen an Pflanzen im Hinblick auf die Wertschöpfung zu erfüllen, wenn neue Zuchttechniken nicht erlaubt würden. "Wir werden ein Problem bekommen, weil man im Ausland schneller zu Zuchtfortschritten kommt. Das wird auf alle Fälle eine Herausforderung für unsere heimischen Züchter werden", sagt auch Pflanzenbauexperte Anton Huber vom Bayerischen Bauernverband.