Irland geht mit Warnhinweisen auf alkoholhaltigen Getränken EU-weit voran. Kommen auch in Deutschland neue Vorschriften? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie die Warnhinweise bei alkoholhaltigen Getränken genau aussehen werden, ist noch unklar. Aber dass sie von 2026 an auf allen Flaschen und Dosen gedruckt sein müssen, steht in einem ersten EU-Mitgliedsland fest: Irland geht mit dieser Vorschrift für die Kennzeichnung voran.
Der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung begrüßt das Vorgehen und kündigt selbst weitere Schritte an. Branchenvertreter halten die bestehenden Regelungen in Deutschland hingegen für ausreichend.
Was plant Irland genau?
Auf Tabakwaren haben Warnhinweise nach Ansicht der irischen Regierung bereits Wirkung gezeigt. Jetzt sollen auch auf Bier- und Whiskey-Flaschen die Etiketten vor Gefahren wie Lebererkrankungen oder Krebs warnen. Ziel sei eine ausgewogene Entscheidung der Verbraucher, hatte Gesundheitsminister Stephen Donnelly gesagt. «Dieses Gesetz soll uns allen ein besseres Verständnis des Alkoholgehalts und der mit dem Alkoholkonsum verbundenen Gesundheitsrisiken vermitteln.»
Auch in anderen EU-Staaten sind bereits Vorschriften in Kraft. In Frankreich etwa muss bei der Werbung auf Gefahren vor allem für Schwangere hingewiesen werden. Doch Irland werde als erstes Land auf allen alkoholischen Produkten eine Gesundheitskennzeichnung einführen, lobte die Weltgesundheitsorganisation im Mai.
Wird auch in Deutschland Handlungsbedarf gesehen?
Der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, dringt auf umfangreichere Einschränkungen bei der Alkoholwerbung und mehr Jugendschutz. Werbung bestimme maßgeblich mit, ob und wie viele Menschen auf Alkohol aufmerksam würden. Das betreffe auch Menschen, die schon ein erhebliches Suchtproblem hätten und sich dadurch noch weniger schützen könnten.
Alkoholwerbung müsse zuallererst dort unterbunden werden, wo sie vor allem Kinder und Jugendliche wahrnähmen. Warnhinweise auf Etiketten gingen in die richtige Richtung. Es sei aber mehr nötig.
Was sagen die Hersteller?
Nach Ansicht der Alkoholhersteller reichen die bisherigen Regelungen aus, wie ihre Verbände deutlich machen. Der Konsum von alkoholischen Getränken, insbesondere von alkoholhaltigem Bier, sei seit vielen Jahren rückläufig, betont der Deutsche Brauer-Bund. Auch der Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen gehe seit Jahren zurück.
Bald werde jeder zehnte in Deutschland gebraute Liter Bier alkoholfrei sein. Das Deutsche Weininstitut sowie der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure setzen wie der Brauverband auf Selbstverpflichtungen.
Wie geht die EU mit dem Alleingang Irlands um?
Die europäischen Wettbewerbshüter, also die EU-Kommission, tolerieren den Alleingang. Die irischen Behörden hätten hinreichend nachgewiesen, dass die Maßnahmen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhten und dass sie den gesundheitspolitischen Anliegen des Landes Rechnung trügen, sagte eine Kommissionssprecherin.
Die sich daraus ergebenden Beschränkungen des Binnenmarktes seien verhältnismäßig. Der Deutsche Brauer-Bund hält dagegen, die Lebensmittelkennzeichnung in der EU sei einheitlich geregelt, und alle Staaten müssten sich daran halten. Auch der europäische Weinverband CEEV oder der Herstellerverbund Spirits Europe kritisierten unterschiedliche Regeln für den gemeinsamen Markt.
Wird es zu EU-weiten Vorgaben zu Warnhinweisen kommen?
Der Alkoholkonsum in Europa sei weltweit am höchsten, und alkoholbedingte Schäden seien ein großes Problem, heißt es bei der EU-Kommission. «Leider ist das Bewusstsein für schädlichen Alkoholkonsum als Risikofaktor für Krebs in der EU immer noch gering, weshalb sich die Bereitstellung zusätzlicher Informationen für die Verbraucher über schädlichen und übermäßigen Alkoholkonsum als nützlich erweisen kann, um die Gesundheit der Bürger zu schützen», sagte die Sprecherin. Die EU-Kommission wolle zunächst Fakten sammeln. Dem soll auch eine im April gestartete Studie zur Wirksamkeit von Gesundheitsinformationen auf alkoholischen Getränken dienen.
Wird die Bundesregierung schärfere Vorgaben machen?
Der Suchtbeauftragte Blienert sieht bei seinen Vorschlägen die Bundesregierung am Zug. Er ist mit mehreren Bundesministerien im Gespräch. «Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis. Wir messen Regelungen immer wieder an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und richten daran Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aus», heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition. Aus Sicht der Branche ist die Wirksamkeit von Warnhinweisen auf das Verhalten nicht bewiesen. Der Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebsrisiken sei hochkomplex und könne durch einen Warnhinweis nicht angemessen erläutert werden, meint der Deutsche Brauer-Bund.
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