Interview zum Thema Finanzen
Experte: Das Thema Altersvorsorge „tut weh“

Jörg Kintzel, Vertriebsvorstand der Valuniq AG, über Altersvorsorge für Frauen, Start-ups und Mut

28.05.2022 | Stand 22.09.2023, 22:49 Uhr

Jörg Kintzel ist Vertriebsvorstand der Valuniq AG aus Hilpoltstein. −Foto: privat

Von Sandra Mönius.

Investieren, Abwarten, Vorsorgen? Die richtige Antwort in diesen schwierigen Zeiten zu geben, ist nicht einfach. Wir sprachen daher mit Jörg Kintzel, Vertriebsvorstand der Valuniq AG, über Altersvorsorge für Frauen, Start-ups und Mut.



Herr Kintzel, welche Anlagestrategie zahlt sich in unsicheren Zeiten wie diesen aus? Oder soll man einfach ruhig abwarten?

Jörg Kintzel: Es gibt keinen Standardweg, aber man braucht Produkte, bei denen man die Anlagestruktur, das Investment oder die Verzinsung anpassen kann. Da muss der Berater dran sein und für den Kunden das Richtige heraussuchen. Einfach abzuwarten, hilft nicht weiter. Viele unserer Kunden sind derzeit aber ganz entspannt und wissen, dass es wieder anders wird.

Und was bedeutet das für Ihr Beratungsgeschäft?

Kintzel: Wir nehmen den Markt, wie er ist, und suchen für unsere Kunden aus dem völligen Wahnsinn die Anlagepartner raus, die den kleinsten Nachteil haben. Denn wenn jemand sagt, er hat etwas ohne Nachteil, dann lügt er. Wir haben uns über die Jahre darauf spezialisiert, Unternehmen zu beraten. Aber wir beraten natürlich auch Menschen, die sich um ihre Altersvorsorge kümmern wollen.

Altersvorsorge und Altersarmut sind Themen, die Ihrer Meinung nach zu wenig öffentliche Aufmerksamkeit bekommen.

Kintzel: Ja, meine Frau und ich haben einen Verein gegründet „Scheues Reh e.V.“, der das Thema Altersarmut in die Öffentlichkeit bringt. Denn Armut ist sichtbar: Wenn ich in München an einer Bäckerei vorbei gehe, die Brot vom Vortag verkauft, ist die Schlange teilweise 200 Meter lang. Es ist eine Stadt, in der sich viele das Wohnen nicht mehr leisten können. Das ist ein Armutszeugnis für das Land.

Ihr Unternehmen hat gerade eine Studie zum Thema Altersvorsorge vorgestellt. Darin geben 61 Prozent der Befragten an, dass die gesetzliche Rente im Alter ihrer Meinung nach nicht ausreicht.

Kintzel: Die Politik versucht uns zu erklären, dass die Renten in irgendeiner Form das Leben tragen können. Aber eine Krankenschwester, ein Hotelangestellter oder eine Pflegekraft werden das nicht schaffen. Die Politik hofft, dass die Menschen privat vorsorgen, oft geschieht das nicht. Mit der Studie wollen wir dem Thema mehr Input geben.

Dennoch wollen sich laut Studie viele Menschen nicht mit dem Thema beschäftigen – warum?

Kintzel: Weil es wehtut. Der Mensch ist ein Verdränger. Man weiß, man muss etwas tun, hat aber keine Möglichkeit, weil es wirtschaftlich nicht machbar ist. Deswegen wird das Thema weggeschoben, weil es scheinbar weit in der Zukunft ist.

Wie kann man diese Menschen dennoch erreichen?

Kintzel: Man muss ehrlich sein. Man muss aufklären und Möglichkeiten aufzeigen. Denn die gibt es. Sonst werden wir dieses System implodieren lassen.

Aber es heißt doch immer, dass man bei einem frühen Start auch mit kleinen Beträgen viel sparen kann.

Kintzel: Das geht zum Beispiel über die betriebliche Altersvorsorge, die viele Konzerne, aber auch öffentliche Träger anbieten. Der Sparer spürt es netto kaum. Bei 25 Euro im Monat sind dann im Geldbeutel vielleicht zehn Euro weniger. Kleine Firmen aber tun sich mit dem Konzept schwer, weil es zu kompliziert wirkt. Hier muss man aufklären – auch wir als Finanzdienstleister.

Die Studie hat allerdings ergeben, dass das Vertrauen in unabhängige Finanzberater gering ist. Gibt es zu viele schwarze Schafe in Ihrer Branche?

Kintzel: Die Branche hat lange Zeit viel falsch gemacht. Doch in den vergangenen Jahren hat die Regierung viel reguliert – das war gut. Ich glaube, es gibt inzwischen keine andere Branche in diesem Land, die so viel Geld in Aus- und Weiterbildung steckt wie die Finanzdienstbranche. Doch die Vergangenheit wirkt nach. Aber gerade bei Finanzen sollte man sich Expertise holen.

Wie kommen Sie zu Ihren Kunden?

Kintzel: Zu 95 Prozent über Empfehlungen, aber zum Beispiel auch über meine Auftritte in den sozialen Medien.

Die Studie hat zudem ergeben, dass Frauen weniger Geld zurücklegen als Männer. Das ist nicht wirklich überraschend, da sie häufig weniger verdienen. Um dies auszugleichen, müssten Frauen ihr Geld anders anlegen als Männer. Machen sie das?

Kintzel: Nein, aber das Wichtigste ist anzufangen. Evolutionsbedingt hat die Frau einen riesigen Nachteil: Sie bekommt Kinder. Dadurch wird eine gewisse Abhängigkeit gegenüber „dem Mann“ geschaffen, die es zu hinterfragen gilt. Es spricht doch nichts dagegen, dass Frauen und Männer gleichzeitig und gleichberechtigt mit der Altersvorsorge beginnen. Wenn also 100 Euro im Monat für die Altersvorsorge abgehen, wären das 50 Euro für jeden. Aber – warum auch immer – ist dies immer noch eine männliche Domäne. Es ist zudem frustrierend, dass die Deutschen nicht durchhalten, was sie anfangen: Die Kündigungsquote bei Altersvorsorgeverträgen ist enorm hoch. In den letzten Jahren hat sich da nichts verbessert.

Wie sieht die Lage bei Start-ups aus, die gerade begonnen haben? Und sind da Frauen mit an Bord?

Kintzel: Die Start-ups sind häufig ein bisschen hibbeliger – einfach, weil es für sie um einen guten Start geht. Und ja, bei fast allen ist mindestens eine Frau dabei. Die Quote an Frauen, die sich trauen, mit einer Idee auf den Markt zu gehen, ist sehr hoch. Und sie sind meistens erfolgreicher, weil Männer immer wieder ego-getriebener sind. Wir sehen bei der Begleitung, dass Frauen oft deutlich strukturierter sind.

Wo sehen Sie bei Start-ups die größten Versäumnisse bei der Finanzierung?

Kintzel: Die Versäumnisse liegen oft in der Beratung. Man muss groß denken und so beraten, dass zukünftig alles möglich ist. Wir vernetzen zum Beispiel Steuerberater und Rechtsanwalt – und wir beraten von Beginn an zu Holdings.

Sind die jungen Unternehmen mutig?

Kintzel: Viel mutiger als vor 20 Jahren. Social Media hat einen großen Nachteil: Es ist sehr oberflächlich. Der Vorteil: Man sieht, was möglich ist. So trauen sich die Start-ups mehr zu.DK


DIE VALUNIQ AG

Das Unternehmen wurde 2005 von Andreas Holub gegründet – damals noch unter dem Namen Innovative Finanzberatung GmbH. Der Sitz ist in Hilpoltstein. Jörg Kintzel ist 2009 dazugestoßen, zuvor war der 41-Jährige lange Zeit beim Finanzdienstleister AWD.

Valuniq ist nach eigenen Angaben der viertgrößte unabhängige Finanzdienstleister Deutschlands und betreut mit rund 100 Mitarbeitern mehr als 25000 Privatpersonen und Firmen. Das Unternehmen ist in fünf Geschäftsbereiche aufgeteilt: Valuniq Pension Consulting, Valuniq Business Consulting, Valuniq Investmant Solutions, Valuniq Datenklar sowie Valuniq Real Estate.