"Den klassischen Kunden gibt es nicht mehr"

26.07.2011 | Stand 03.12.2020, 2:34 Uhr

Das war über lange Jahre das Erfolgsrezept: Mit niedrigen Preisen und Spezialangeboten lockten Media-Markt und Saturn die Kunden in ihre Märkte. Doch inzwischen kaufen viele lieber im Internet – die Folge ist nun ein gewaltiger Umsatzeinbruch. - Foto: Archiv

Aschaffenburg (DK) Das Unternehmen Media-Saturn befindet sich derzeit in rauer See. Vor allem der viel zu späte Eintritt ins Internetgeschäft bereitet massive Probleme. Mit einer Art „Drei-Punkte-Plan“ will Chef Horst Norberg den Untergang verhindern. Die Zeit drängt.

An Hiobsbotschaften mangelt es dem Ingolstädter Unternehmen Media-Saturn derzeit wahrlich nicht. Die gestern verkündeten vorläufigen Halbjahreszahlen stellen allerdings einen neuen Tiefpunkt dar. „Kein Geschäftsmodell ist für die Ewigkeit“, sagte Olaf Koch, Finanzvorstand des Mutterkonzerns Metro. „Das gilt besonders für den Bereich Consumer Electronics.“ Damit traf er den wunden Punkt bei Media-Saturn: Zu lange hat man den Einstieg ins Online-Geschäft verschlafen. Zu lange hatte man sich auf guten Zahlen des stationären Handels ausgeruht und darüber den Blick in die Zukunft vergessen. Metro-Chef Eckhard Cordes sprach angesichts dessen schon vor Längerem vom „süßen Gift des Erfolgs“, dass die Ingolstädter wohl betäubt habe.

Vor allem der Druck des Düsseldorfer Mutterkonzerns hat Media-Saturn jetzt zu einer strategischen Neuausrichtung gezwungen. Das Konzept fußt auf drei zentralen Säulen:

Punkt eins ist der schnelle Einstieg der Marken Media-Markt und Saturn ins Online-Geschäft. Ab Oktober sollen die Kunden bei saturn.de im Netz einkaufen können, ab Januar 2012 bei mediamarkt.de. Lange hatte man daran getüftelt, wie man das stationäre Geschäft und den Online-Handel möglichst ohne Schäden im eigenen Lager verzahnen kann. Die Lösung soll eine so genannte „Multichannel-Strategie“ sein.

 

„Sexy Marken“

Der Kunde soll beim Einkauf alle Möglichkeiten haben. Will heißen: Es ist möglich Ware online zu bestellen und sich schicken zu lassen oder aber sie in einem Markt seiner Wahl abzuholen. Außerdem sollen auch bei Online-Käufen Reklamationen in den Märkten vor Ort möglich sein. Denn, so Media-Saturn-Finanzchef Rolf Hagemann: „Den klassischen Kunde gibt es nicht mehr.“ Der Kunde werde „hybrid“ und wolle eben mal am Computer einkaufen und mal im Laden. Mit dem Multichannel-Konzept will Hagemann nun „die Marken richtig sexy machen“.

Ein Beleg für den Erfolg der Multichannel-Strategie sei Media-Markt in den Niederlanden, wo es das Ganze bereits gibt. Hier habe man mit dem neuen Konzept bereits Marktanteile zurückgewinnen können. Die Termine für den Start der beiden deutschen Internetverkaufsportale würden diesmal auch hundertprozentig nicht mehr verschoben werden, versicherte Hagemann.

Die zweite zentrale Säule ist die Akquisition von reinen Internethändlern, so genannten „Pureplayern“. Bereits Ende März hatte Media-Saturn beim Aschaffenburger Online-Anbieter redcoon zugeschlagen. Dort im Zentrallager zwischen meterhoch gestapelten Kartons mit LCD-Fernsehern und Stereo-Anlagen fand gestern auch die Präsentation des neuen Konzepts statt.

Der Kauf von redcoon sei kein Feigenblatt, betonte Hagemann. Das Unternehmen sei ein „Kernbaustein“ der Strategie. Er bekräftigte zudem noch einmal die Absicht von Media-Saturn, weitere Pureplayer kaufen zu wollen. „Wir scannen den Markt.“ Den Neuzugängen will man dann auch nicht zwanghaft ein neues Konzept aufdrücken, sondern Raum für eine eigenständige Entwicklung lassen.

Chef von redcoon ist übrigens ein ehemaliger Media-Markt-Geschäftsführer: Reiner Heckel. Der 51-Jährige hatte vor Jahren einen Markt in den Niederlanden geleitet. Nachdem er sich offenbar im Streit von dem Unternehmen getrennt hatte, gründete er den Online-Anbieter redcoon und schoss in dieser Position auch bald verbal in Richtung Ingolstadt, als Media-Markt zahlreiche Mittelständler abmahnte.

Inzwischen kommt man aber offenbar aber wieder miteinander klar. Auf die Frage, welche Gefühle er beim Verkauf seines Unternehmens an Media-Saturn gehabt habe, antwortete er: „Keine. Das ist professionelles Business.“

 

Niedrigere Preise

Die letzte Säule im „Drei-Punkte-Plan“ ist eine bessere Preisgestaltung für die Kunden. Offensichtlich sei das Preis-Image des Unternehmens angegriffen, erklärte Hagemann. Das heißt im Klartext, die Kunden nehmen Media-Markt und Saturn nicht mehr wirklich als die Anbieter mit den niedrigsten Preisen wahr. Hier wolle man sofort reagieren.

Doch das klingt einfacher als es ist. Denn um die Preise zu senken, müssen die Kosten gesenkt werden. Bis 2014 sollen rund 500 Mio. 1 eingespart werden. Dem Sparkurs werden 2011 europaweit rund 3000 Stellen zum Opfer fallen. Und auch Marktschließungen werden wohl nicht ausbleiben.

Trotz aller schlechter Nachrichten ist man optimistisch: Ziel sei nichts weniger als die Online-Marktführerschaft in Europa, bereits im Jahr 2015 will Media-Saturn fünf Mrd. 1 online umsetzen.