''Die Preise steigen weiter''

21.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:53 Uhr

Regensburg (DK) Bauland ist vor allem in den attraktiven Gegenden der Region knapp und damit teuer. Wir haben mit Tobias Just über die Hintergründe gesprochen. Just ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg.

Herr Just, die Immobilienpreise steigen dramatisch. Steuern wir auf eine Immobilienblase zu?

Tobias Just: Ich würde noch nicht von einer Immobilienblase sprechen – zumindest für die allermeisten Regionen in Bayern. Man spricht nur dann von einer Blase, wenn es zu Übertreibungen kommt, für die es schlicht keine Erklärungen außer dem Spekulationsmotiv gibt. Aber derzeit gibt es gute Gründe für die steigenden Preise. Zum einen sind es die niedrigen Zinsen, die den Kauf von Immobilien erleichtern. Zum anderen sind es der starke Arbeitsmarkt und eine stabile Einkommensentwicklung. Und dann gibt es natürlich Regionen wie die um Ingolstadt, die wirtschaftlich prosperieren und in denen es deshalb einen starken Zuzug gibt. All dies sorgt für eine steigende Nachfrage nach Wohnimmobilien. Und eine höhere Nachfrage lässt die Preise steigen.

 

Zudem sind Immobilien eine attraktive Möglichkeit, Geld anzulegen.

Just: Natürlich. Ein wesentlicher Faktor für eine erhöhte Nachfrage nach Immobilien sind die mangelnden Alternativen für die Menschen, ihr Erspartes anzulegen. Lebensversicherungen, Anlagepläne – all das ist im Zug der niedrigen Zinsen unattraktiver geworden. Wer sein Geld auf der Bank deponiert, muss zum Teil sogar Strafzinsen zahlen. Also wird auf Immobilien ausgewichen.

 

Allerdings ist es doch so, dass die Preise auf dem Immobilienmarkt so hoch sind, dass auch hier die Rendite eher überschaubar ist.

Just: Wir zahlen heute in vielen Großstädten das 25-Fache, in München zum Teil sogar das 35-Fache der Jahresmiete für eine Wohnung. Früher galt die Daumenregel, das 16-Fache. Das heißt, die gesparte Miete zahlt das Häuschen heute langsamer zurück als vor fünf Jahren. Zudem muss man auch daran denken, dass ein Haus oder eine Wohnung erhalten werden muss. Es sind immer wieder Folgeinvestitionen fällig. Wenn das alles berücksichtigt wird, dauert es zwar deutlich länger, bis so eine Immobilie ihren Wert als Anlage wieder einspielt, es ist aber immer noch besser als viele der übrigen Anlageformen. Gehen wir etwa von einer Rendite von vier Prozent aus. Verglichen mit einem Prozent, das man mit langfristigen Anleihen erwirtschaften kann, ist das äußerst attraktiv. Und das ist einer der wichtigen, fundamentalen Gründe für die Nachfrage nach Immobilien. Sie geben sich rational mit weniger Auszahlungsrendite für Immobilien zufrieden, weil selbst diese niedrigere Auszahlungsrendite andere Vergleichsanlagen schlägt.

 

Also alles in einem normalen Rahmen?

Just: Es ist keine spekulative Übertreibung – und damit gibt es auch allenfalls regional begrenzte Anzeichen für Immobilienblasen. Völlig anders als vor der 2000er „.com Blase“, als es allen um das schnelle Geld ging. Bei Immobilien geht es nicht um das schnelle Geld. Wahrscheinlich sind ein paar dabei, die das im Auge haben, aber viele, die ihr Geld hier investieren, suchen eher die Sicherheit. Das sind weniger die Zocker, sondern eher die Flüchtenden. Allerdings darf man sich keinen Illusionen hingeben: Es wird auch einige geben, die damit Geld verlieren werden, denn das gesamtwirtschaftliche Umfeld ist labil, und das kann auch Immobilienanlagen treffen.

 

Zentral für den Neubau von Immobilien ist ja Bauland. Und das ist vor allem in Städten Mangelware. Viele Kommunen versuchen deshalb, Baulücken zu nutzen oder zu verdichten.

Just: Wir haben zweifellos Nachverdichtungspotenzial in den Städten. Wir sind nur häufig nicht bereit, es zu heben. Die Frage ist, wie wir leben möchten. Ein Beispiel: Berlin Tempelhof. In einem Bürgerentscheid haben sich wohl vor allem die Anwohner dafür ausgesprochen, dass das ehemalige Flugfeld belassen und keine neuen Wohnungen gebaut werden. Es haben also jene abgestimmt, die bereits eine Wohnung haben, die ihr Grünfeld behalten wollen und die kein zusätzliches Angebot und Baulärm möchten. Alles verständlich, doch es wurden nicht diejenigen gefragt, die dringend eine Wohnung in Berlin suchen und noch gar nicht dort wohnen. In dieser Phase der Knappheit wurden sozusagen die Falschen gefragt.

 

Aber Freizeitwert ist doch Lebensqualität und damit ein wichtiger Standortfaktor.

Just: Selbstverständlich. Hier geht es gleichwohl um die Abwägung verschiedener Güter. Naherholung ist ein wichtiges Gut, Grün in den Städten ist ein wichtiges Gut – aber eben auch erschwinglicher Wohnraum. Es geht nicht darum, einen Park zuzubauen. Aber die Städte können Brachflächen und Bebauungspläne schneller überprüfen. Muss ein altes Industriegelände brachliegen oder kann es nicht mit Wohnungen bebaut werden?

 

Es ist also eine Frage, wie kompromissbereit die Verantwortlichen im Rathaus sind?

Just: Ja. Schauen Sie zum Beispiel die Höhenentwicklung der meisten Städte und Gemeinden an. Die Häuser sind oft nicht höher als vor 100 Jahren. Wenn wir aber jetzt feststellen, dass wir mehr innerstädtischen Wohnraum brauchen, müssen wir halt Kompromisse eingehen und aufstocken.

 

Wenden wir uns von den städtischen Räumen ab und schauen auf die Stadtränder und die ländlichen Gemeinden. Wer hier neues Bauland ausweisen will, muss mit Landwirten verhandeln. Und die sind in einer komfortablen Lage: Zum einen hoffen sie, dass das Land mehr wert wird, je länger sie warten, zum anderen ist mit dem Anbau von Energiepflanzen der Wert von Ackerland wieder deutlich gestiegen.

Just: Das ist natürlich völlig legitim. Wenn jetzt eine Gemeinde anfängt, nur an einer Stelle zu bieten, dann kann der Bauer den Preis treiben, sucht die Stadt dagegen an mehreren Standorten, ist das Abwarten schon riskanter. Und wenn das nicht nur eine Kommune macht, sondern auch die Nachbargemeinden mitziehen, dann gibt es Wettbewerb, und dies wirkt preisdämfend. Das ist eine legitime Chance für Gemeinden, sich entwickeln zu können.

 

Halten Sie die Baulandpreise in Bayern für überhöht?

Just: Die Immobilienpreise in Bayern sind im deutschen Vergleich hoch. Wenn wir aber zum Beispiel München als europäisches Kraftzentrum mit ähnlich starken Städten wie London oder Paris vergleichen, so sind die Münchner Preise zwar hoch, aber wohl nicht zu hoch.

 

Trotzdem waren die Steigerungsraten zuletzt enorm.

Just: Diese Entwicklung ist zum Teil auch eine Normalisierung. Wir hatten uns zehn Jahre nach dem Wiedervereinigungs-Boom Sand in die Augen gestreut und geglaubt, Mieten und Immobilienpreise würden in Deutschland nie wieder steigen. Das war falsch. Wenn wir in einer Region zu wenig bauen und viel Zuwanderung haben, steigen die Immobilienpreise.

 

Lassen Sie uns spekulieren: Werden die Preise für Bauland bei uns weiter anziehen?

Just: Ich vermute, die Preise steigen weiter. Zwar haben die langfristigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt die Talsohle durchschritten, aber im historischen Vergleich bleiben sie wohl auf absehbare Zeit sehr niedrig. Deshalb bleiben Immobilien als Anlage interessant. Allerdings werden die Preise nicht mehr so schnell steigen wie zuletzt, weil die Bautätigkeit angezogen hat. Wenn hinreichend viel gebaut wird, wird die Nachfrage aufgenommen, die Mieten steigen nicht mehr so schnell, und dann werden Inverstoren zurückhaltend. Mit einem kurzfristigen Sinken der Preise rechne ich indes nicht.

 

Das Interview führte Christian Fahn.