München
Elektronik-Riese sucht Anschluss

Media-Saturn fördert seit einigen Monaten Start-ups Ein Besuch im Münchner "Spacelab"

29.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:02 Uhr

Foto: Sebastian Oppenheimer

München (DK) Den Einstieg ins Internetzeitalter hatte der Ingolstädter Elektronik-Riese Media-Saturn einst verschlafen. Mittlerweile ist man natürlich längst auch auf dem Online-Kanal unterwegs. Um die Zukunftsfähigkeit zu stärken, sucht das Unternehmen nun den Schulterschluss mit Start-ups.

In Großunternehmen gibt es derzeit eine Modeerscheinung: "Reverse Mentoring" nennt sie sich. Normalerweise lernen bei einem Mentorenprogramm die Jungen von den Alten. Bei der neuen Form ist es genau umgekehrt: Weil in vielen Unternehmen ältere Mitarbeiter die aktuellsten Trends in Sachen Internet und Digitalisierung nicht kennen, sollen sie von den Jungspunden auf den neuesten Stand gebracht werden. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt seit einigen Monaten Media-Saturn mit dem "Spacelab".

Übersetzt bedeutet "Spacelab" so viel wie "Weltraumlabor". Natürlich plant der Ingolstädter Elektronik-Riese nun keine Reise ins All. Vielmehr will man den Aufbruch in neue Zeiten unterstreichen. Media-Saturn will zeigen: Wir spielen ganz vorne mit. Das "Spacelab"-Projekt wird im Start-up-Fachchinesisch als "Accelerator" bezeichnet - ein "Beschleuniger". Im Klartext: eine Art Förderprogramm für Start-ups.

Rund 100 Start-ups waren in der Auswahl - letztlich wurden vier Jungunternehmen für das 20-wöchige Projekt auserkoren. Zum einen bekommen die Start-ups vom Elektronik-Riesen Experten-Coaching gesponsert - etwa zu Themen wie Marketing oder Vertrieb. Teils handelt es sich um Mentoren aus den eigenen Reihen. So gibt beispielsweise Ex-Media-Saturn-Chef Horst Norberg sein Wissen an die Start-ups weiter. Auch der Chef des Mutterkonzerns Metro, Olaf Koch, habe ihnen kürzlich einen Besuch abgestattet, berichten die Teilnehmer.

Außerdem haben alle vier Start-ups 30 000 Euro erhalten - eine Art Wandelanleihen. Sprich: Media-Saturn bekommt dafür Anteile an dem jeweiligen Unternehmen. Ebenso könnte der Elektronik-Riese von einer längerfristigen Partnerschaft mit den Start-ups profitieren. Solch eine Kooperation wird ebenfalls im "Spacelab" ausgelotet. Und zu guter Letzt kann natürlich auch der Riesentanker Media-Saturn von den oft ziemlich pfiffigen Jungunternehmen das ein oder andere lernen.

Eigentlich gilt ja Berlin als Deutschlands Start-up-Hauptstadt - doch auch München liegt inzwischen gut im Rennen. In der Isarmetropole hat sich Media-Saturn ein altes Fabrikgebäude in der Lothstraße für das Accelerator-Programm ausgesucht. Dass das Internet ein äußerst schnelllebiges Medium ist, erkennt man schon an der Einrichtung des "Spacelab". Man scheint hier auf schnelle Veränderungen vorbereitet, denn fast alles steht auf Rollen: die Schreibtische, die Schränke - und die Bürostühle sowieso. Ein paar Topfpflanzen begrünen den Raum, Flipcharts sind beklebt mit neonfarbenen Strategie-Klebezetteln. In einer Ecke sind auf einer Art Mini-Tribüne ein paar Sitzkissen in den Media-Saturn-Farben Rot und Blau drapiert.

Ins "Spacelab" geschafft hat es beispielsweise expertiger, ein Start-up, das sich auf Computer-Support per Fernwartung spezialisiert hat. Die beiden Geschäftsführer Lutz Küderli (36) und Stefan Gersmann (36) sind sicher, von dem Projekt profitieren zu können. Zum Beispiel beim Thema Marketing, denn das sei in ihrem Fall gar nicht so einfach. "Eine TV-Werbung würde keinen Sinn machen", erklärt Küderli. "Denn der Kunde interessiert sich erst für unser Produkt, wenn er ein Problem hat." Eine Möglichkeit wäre nun, dass der Kunde sein Problem googelt und so zum Angebot des Start-ups gelangt.

Eine mindestens ebenso gute Variante, um an Aufträge zu kommen, wäre aber, wenn ein Riesen-Unternehmen wie Media-Saturn den Service von expertiger weiterempfiehlt. Und vielleicht auf jeden verkauften PC einen Aufkleber mit der Internetadresse von expertiger aufbringt. Solche Gedankenspiele gehen Förderer und Geförderte im "Spacelab" durch.

Meistens sind die Start-ups von Montag bis Mittwoch im "Labor". Teils steht das Programm fest: Dienstagnachmittag etwa, steht die sogenannte Pitch-Session an: Die Jungunternehmen müssen sich vor wechselndem Publikum vorstellen. Dabei gibt es immer unterschiedliche Vorgaben, beispielsweise bei der Zeit. So müssen sie eine Zwei-Minuten-Präsentation genauso beherrschen wie eine zehnminütige Vorstellung. Letztenendes geht es darum, sich vor möglichen Investoren gut darzustellen.

Ebenfalls im "Spacelab" sitzen Frederico Reis (30) und Moritz Zyrewitz (32) mit ihrem Team von kaputt.de. Ihre Idee: eine Internetplattform für Smartphone-Reparaturen. Allerdings reparieren sie die Telefone nicht selbst, sondern stellen Video-Anleitungen auf ihre Seite. Das zieht viele Interessenten an. Weil aber nicht jeder sein Handy selbst reparieren kann oder will, listen sie auch örtliche Dienstleister auf, geben den Kunden die Möglichkeit für eine Bewertung und bieten einen Preisvergleich. "Die Preise im Internet sind sehr unterschiedlich", sagt Zyrewitz. Potenzielle Kunden bekommen so einen besseren Überblick. Und das Start-up verdient damit Geld, denn die Listung lässt es sich von den Reparaturdiensten bezahlen.

Allerdings soll es nicht bei Smartphones bleiben, künftig soll kaputt.de ein Marktplatz für Elektroreparaturen werden. Dabei soll der Nutzer die Wahl haben, ob er das Gerät selbst repariert, es reparieren lässt oder ein gebrauchtes wiederaufbereitetes Gerät kauft. Bei letzterer Option käme auch wieder Media-Saturn ins Spiel, denn die haben schließlich vor einiger Zeit flip4new gekauft - ein Portal, das gebrauchte Elektronik an- und schließlich wieder verkauft.

Wie die Zusammenarbeit mit den Start-ups in Zukunft aussehen wird, dürfte sich Ende nächster Woche entscheiden. Dann endet das erste "Spacelab". Die zweite Runde ist aber laut Media-Saturn schon in Planung. Interessierte Start-ups können sich bereits bewerben.