Ingolstadt
"Kohlendioxid muss einen Preis haben"

Karsten Wildberger, Vertriebsvorstand bei Eon, über den Kohleausstieg und die Ladeinfrastruktur für Elektroautos

13.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr

"An Tankstellen haben sich auch die gleichen Anschlüsse durchgesetzt": Karsten Wildberger ist optimistisch, dass das Tesla-Ladesystem bald mit deutschen Eon-Ladesäulen kompatibel ist. - Foto: Häusler

Ingolstadt (DK) Bis 2020 wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eigentlich, dass eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sind. Laut dem Kraftfahrtbundesamt waren zum 1. Januar 2017 jedoch nur 34 022 Elektroautos in Deutschland zugelassen. Ein Grund für das Scheitern von Merkels Ziel ist, dass viele Leute Bedenken haben, mit dem Elektroauto zu verreisen, weil sie befürchten, dass die Ladeinfrastruktur dafür nicht ausreicht. Das möchte der Energiekonzern Eon ändern.

Gemeinsam mit dem Autobahnraststättenbetreiber Tank & Rast plant Eon zurzeit einen Ausbau der Ladeinfrastruktur an über 90 deutschen Raststätten. Dort sollen Ladesäulen mit 150 Kilowatt zum Einsatz kommen, die ein Elektroauto in rund 20 Minuten laden können. Die Säulen lassen sich auch auf 350 Kilowatt aufrüsten, sodass für Elektroautos der nächsten Generation noch kürzere Ladezeiten möglich werden. Am Rande des Energieforums am Donnerstag im Ingolstädter Audi Sportpark hat Karsten Wildberger (48), Vertriebsvorstand bei Eon, dieser Zeitung Fragen zur Ladeinfrastruktur und zum Kohleausstieg beantwortet.

Herr Wildberger, wie viele E-Ladesäulen hat Eon insgesamt in Deutschland?

Karsten Wildberger: Mit den Ladesäulen, die wir derzeit errichten, werden es in Deutschland etwa 1500 sein.

 

Kann der Kunde überall Strom aus erneuerbaren Energiequellen laden?

Wildberger: Natürlich stellen wir sicher, dass unsere Lösung für die Elektromobilität vor allem grüner Strom ist.

 

Kann es passieren, dass man an einer Ladesäule Strom aus Braunkohle bekommt?

Wildberger: Es hängt davon ab, was der Kunde möchte. Wenn er explizit ein grünes Produkt wählt, kommt auch der grüne Strom in der Ladesäule an. Wir zwingen den Kunden nicht, grünen Strom zu nehmen, aber wir haben uns verpflichtet, dass wir Kernenergie nicht vermarkten.

 

Wie kann der Kunde an der Ladesäule bezahlen?

Wildberger: 70 bis 80 Prozent der Ladevorgänge finden zu Hause statt. Da bezahlen die Kunden über ihre Stromrechnung. Wir sind jetzt dabei, neue Produkte einzuführen.

 

Braucht man an öffentlichen Ladesäulen eine Kundenkarte oder kann man Bar bezahlen?

Wildberger: Sie brauchen eine Karte für das Gerät. Da haben Sie sich vorher registriert, dann ist es am einfachsten, weil der Betrag dann über ihre Stromrechnung abgebucht wird. Es ist auch denkbar, an manchen Stationen mit Kreditkarte zu bezahlen.

 

Warum gibt es kein einheitliches Bezahlsystem für alle Anbieter?

Wildberger: Wir haben heute noch nicht einmal eine einheitliche Steckerlösung für verschiedene Handys. Ich glaube, dass sich ein Standard in der Elektromobilität sehr schnell durchsetzen wird. Wir sehen das in bestimmten Ländern, wo wir weiter sind, da haben wir schon bessere Standards. Immer, wenn sich neue Technologien durchsetzen, haben sie immer die Frage nach Standards. Ich glaube, dass digitale Lösungen wie eine App am Ende die Dinge einfacher machen werden. Da arbeiten wir schon sehr stark an den Standards.

 

Wie rechnet Eon ab?

Wildberger: Stand heute ist das pro Kilowattstunde. Es sind aber in der nahen Zukunft auch andere Modelle denkbar, das heißt nach Ladevorgang, nach Ladegeschwindigkeit. In Dänemark haben wir auch einen Flatrate-Tarif. Wir überlegen uns, wann der Zeitpunkt der richtige ist, in Deutschland so etwas auch einzuführen.

 

Wie transparent kann der Kunde den Preis nachvollziehen?

Wildberger: Die Transparenz hängt heute davon ab, wie genau man den Energieverbrauch messen kann. Sehr viel Bedeutung haben die Messgeräte zu Hause. Ab dem vierten Quartal dieses Jahres wird es in Deutschland Smart Meter geben. Diese intelligenten Stromzähler liefern mehr Informationen als klassische Zähler. Mit diesem Zähler können wir die Transparenz für die Kunden herstellen. Heute ist das oft nicht der Fall, weil es technisch nicht möglich ist.

 

Und wie transparent ist der Preis an den Eon-Ladesäulen in der Stadt oder an Autobahnraststätten?

Wildberger: Das sehen Sie in einer App, und das zeigt auch die Ladesäule an.

 

Warum gibt es kein Verzeichnis aller Ladestationen in Deutschland?

Wildberger: Wir bei Eon haben bereits ein Online-Verzeichnis mit Ladesäulen. Das entwickeln wir auch zunehmend weiter. Natürlich muss man schauen, wie man das mit den anderen Herstellern verknüpfen kann. Die nächste Frage, die sich dann stellt, ist, ob die Ladesäule gerade besetzt oder frei ist.

 

Sind alle Ladesysteme der E-Autos kompatibel mit den Eon-Ladesäulen?

Wildberger: Alle nicht. Tesla hat ein anderes System. Für alle anderen sehe ich kein Problem.

 

Können Tesla-Fahrer also nicht bei Eon Strom tanken?

Wildberger: Wir haben Ladesäulen im europäischen Ausland im Betrieb, die eine Tesla-Schnellladestation haben. Tesla macht das auch selbst und in Kooperation. Ich bin überzeugt, dass sich da bald ein Standard durchsetzt. Es haben sich ja auch an den Tankstellen die gleichen Anschlüsse durchgesetzt.

 

Deutschland wird seine Klimaziele bis 2020 nicht erreichen. Das liegt auch daran, dass über ein Fünftel des Energiemix aus Kohlestrom kommt. Die Grünen fordern den Kohleausstieg bis 2030. Wann können die 98 deutschen Kohlekraftwerke Ihrer Meinung nach abgeschaltet werden?

Wildberger: Wir vollenden jetzt den Ausstieg aus der Kernenergie. Das war politisch so gewollt. Und Kernenergie ist CO2-frei in der Produktion. Jetzt können wir nicht so tun und sagen, wir haben nichts geschafft. Wir dürfen uns nach dem Kernenergieausstieg natürlich nicht wundern, wenn die CO2-Bilanz nicht betroffen ist. Wir haben enorme Anstrengungen unternommen, diesen Kraftakt zu stemmen. Es ist in der Tat so, dass die nächste Phase der Energiewende sicher noch mal einen Umbau erfordert, das heißt: Der Strompreis ist heute für die Verbraucher zu hoch, davon müssen wir runter. Zweitens, Kohlendioxid muss einen Preis haben. Drittens, müssen wir die Versorgung sicherstellen.

 

Wäre das Datum 2030 also wirtschaftlich machbar?

Wildberger: Technisch ist sehr viel machbar. Wir setzen auf erneuerbare Energiequellen und treiben diesen Trend auch voran. Gleichzeitig müssen wir auch die Versorgung der Industrie sicherstellen. Ich kann jetzt kein Datum nennen, das wäre nicht seriös. Sicher werden Gaskraftwerke neben den erneuerbaren Energiequellen in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, sicher eine andere als Kohle.

 

Sie haben auch den Emissionshandel angesprochen, der durch zu niedrige Preise nicht effektiv ist. Sind Sie dafür, dieses Instrument neu zu beleben?

Wildberger: Selbstverständlich brauchen wir Emissionshandel, vor allem im europäischen Rahmen. Ich glaube, dass wir die Frage der Energiewende nur im europäischen Kontext stemmen können. Da muss es auch einen europäischen CO2-Energiehandel geben.

 

Das Gespräch führte Georg Sonnenberger.