Rauswurf nach neun Monaten

26.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:16 Uhr
Stefan Knirsch −Foto: Foto: Audi

Ingolstadt (DK) Der Abgas-Skandal von VW kostet einen weiteren Manager den Job. Audi-Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch räumt seinen Posten. Ein Nachfolger für die wichtige Aufgabe steht noch nicht fest.

Es waren nur fünf dürre Sätze, mit denen Audi gestern das Ende der Karriere von Stefan Knirsch bei der Ingolstädter VW-Tochter verkündete. Kein Wort der Anerkennung oder des Dankes für den 50-Jährigen, der vor nicht einmal neun Monaten von Ulrich Hackenberg den Job des Entwicklungsvorstands übernommen hatte. Auch Hackenberg musste im Zusammenhang mit dem Abgas-Skandal seinen Vorstandssesel räumen, obwohl ihm im Grunde nichts Konkretes zur Last gelegt wurde. Wie damals schon führt nun erst einmal Horst Glaser, Leiter der Audi-Fahrwerksentwicklung, die Geschäfte des Technikvorstands kommissarisch weiter.

Knirsch lege seine Funktion als "Vorstand Technische Entwicklung der Audi AG mit sofortiger Wirkung nieder und verlässt das Unternehmen im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat", hieß es in der Mitteilung der VW-Tochter. Das Kontrollgremium hatte Knirsch am vergangenen Donnerstag dem Vernehmen nach die Pistole auf die Brust gesetzt und ihm dringend nahegelegt, dem Unternehmen den Rücken zu kehren. Denn Mitte September hatten sich nach Informationen aus Unternehmenskreisen im Zusammenhang mit den konzerninternen Ermittlungen der US-Anwaltskanzlei Jones Day zur Abgas-Affäre die Indizien verdichtet, dass der Topmanager offenbar doch früher über die Software-Manipulationen Bescheid wusste als zunächst angegeben. Seitdem war der Topmanager beurlaubt.

Knirsch hatte, wie es in Konzernkreisen heißt, vor seiner Berufung zum Entwicklungsvorstand von Audi Anfang Januar dieses Jahres eine Ehrenerklärung unterschrieben, wonach er vor dem 18. September 2015 keinerlei Kenntnis von möglichen Software-Schummeleien bei den Drei-Liter-Diesel-Motoren von Audi gehabt haben will. Nun deuteten aber Indizien darauf hin, dass Knirsch doch schon früher davon wusste. Zum genannten Datum hatte die kalifornische Umweltschutzbehörde CARB den Abgas-Skandal bei VW öffentlich gemacht.

Der Abschied von Knirsch trifft Audi in einer heiklen Phase der Unternehmensentwicklung. Denn der Maschinenbauingenieur und Motorenentwickler bei Audi und Porsche sollte die Ingolstädter VW-Tochter eigentlich auf dem Weg in die Zukunft - gekennzeichnet vor allem durch alternative Antriebe sowie die Verbindung der automobilen mit der digitalen Welt - voranbringen.

Audi-Vorstandschef Rupert Stadler hatte denn auch seinen neuen Technikchef, der angeblich kurz vor dem Absprung zu Mercedes stand, bei dessen Berufung noch als ausgewiesenen Fachmann gelobt: "Knirsch ist mit dem Konzern und der Technischen Entwicklung von Audi gut vertraut. Wir kennen ihn als kreativen und visionären Macher. Mit ihm werden wir gerade in dieser fordernden Situation durchstarten." Nun ist die VW-Tochter erst einmal wieder in der düsteren Realität der Abgas-Affäre angekommen. Immerhin noch rechtzeitig vor der Eröffnung des neuen Werks in Mexiko und dem Pariser Automobilsalon, wo Knirsch voraussichtlich auf großer Bühne den neuen Q 5 und den A 5 Sportback vorgestellt hätte.

Die Arbeitnehmervertretung bei Audi sieht den Rückzug von Knirsch indessen als Bestätigung ihrer Forderung nach einer lückenlosen Aufklärung des Skandals. Berthold Huber, stellvertretender Aufsichtsratschef von Audi, sagte dazu einer Mitteilung des Gesamtbetriebsrats zufolge: "Wir haben von Anfang an klargestellt, dass wir bei der Aufklärung keine Rücksicht auf große Namen nehmen und handeln werden, wenn es nötig ist." Vor Amtsantritt des neuen Technikvorstands hätten die Arbeitnehmervertreter eine umfassende Erklärung verlangt, um ausschließen zu können, das Knirsch von den Manipulationen wusste. "Die Untersuchungsergebnisse zeigen leider ein anderes Bild. Deshalb musste es zu einer Trennung kommen", so Huber.

Ins gleiche Horn stieß auch Betriebsratsvorsitzender Peter Mosch. Es habe "keine gemeinsame Vertrauensbasis mehr" gegeben, die eine weitere Zusammenarbeit mit Knirsch gerechtfertigt hätte.