Ingolstadt
"Wir wollen kein Geheimlabor sein"

Geschäftsführer Franz Glatz hat große Pläne

14.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:47 Uhr

Franz Glatz ist Geschäftsführer des digitalen Gründerzentrums in Ingolstadt, auch "brigk" genannt. Bis es im September "Am Stein 9" losgeht, arbeitet er noch mit zwei Kollegen in einem Container auf dem Gelände der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI). - Foto: Oppenheimer

Im September sollen im digitalen Gründerzentrum in Ingolstadt die ersten Start-ups einziehen. Geschäftsführer Franz Glatz hat große Pläne - er will auf der Schanz eine Gründerszene etablieren. Nach welchen Kriterien er Start-ups aussucht, und warum er sich über Räume in der Fußgängerzone freut, verrät er im Interview.

Herr Glatz, im September soll das digitale Gründerzentrum brigk in der Ingolstädter Innenstadt "Am Stein 9" an den Start gehen. Was erwartet die Menschen dann dort?

Franz Glatz: Insgesamt handelt es sich um eine Fläche von 700 Quadratmetern auf zwei Etagen. Im Moment laufen noch die Umbauarbeiten. Wichtig ist: Wir sind kein Vermieter von Einzelbüros, sondern eine Plattform für die Start-up-Community. Eine Gemeinschaft von Personen, die ähnliche Ziele, aber auch ähnliche Probleme haben - und sich darüber austauschen können. Im obersten Stockwerk wird eine Bürofläche mit rund 450 Quadratmetern entstehen. Dort können Start-ups und digitale Nomaden in Ruhe arbeiten. Es wird dort aber auch eine Tischtennisplatte geben - ganz wichtig für Start-ups (lacht). Die Fläche im Erdgeschoss mit rund 250 Quadratmetern wird dagegen öffentlich zugänglich sein.

 

Was erhoffen Sie sich davon?

Glatz: Wir wollen kein Geheimlabor sein und auch keine Kaderschmiede, in der Dinge passieren, die man nicht versteht. Wir haben uns bewusst Räume in der Fußgängerzone gesucht, damit jeder mal reinschauen kann. Die Leute sollen kommen, einen Kaffee trinken, mit den Gründern reden und mehr über ihre Projekte erfahren können.

 

Was sind die Voraussetzungen, um als Start-up im brigk unterzukommen?

Glatz: In den nächsten Tagen werden wir das Bewerbungsformular auf unserer Website freischalten. Dort kann man sich bewerben. Natürlich kann man auch einfach zu uns ins brigk kommen und nach mir fragen. Mitte August werden wir dann entscheiden, wer im September einzieht. Wichtig für uns ist, dass wir die Geschäftsidee des jeweiligen Start-ups verstehen. Sie muss digital funktionieren und skalierbar sein. Eine Agentur beispielsweise, die nur Apps programmiert, ist für uns kein Start-up, sondern ein Dienstleister.

 

Gab es schon erste Anfragen?

Glatz: Bis jetzt hatten wir schon eine gute Handvoll ernsthafte Anfragen, die durchaus interessant klangen.

 

Wie lange darf man bleiben?

Glatz: Wir wollen keine Dauergäste. Eigentlich sollen die Start-ups für maximal ein Jahr bleiben. Nach dieser Zeitspanne muss man dann weitersehen. Wir wollen den Start-ups helfen - deshalb werden wir auch niemanden rauswerfen, der nach einem Jahr in einer entscheidenden Phase steckt. Möglicherweise ist noch einmal eine Verlängerung denkbar. Grundsätzlich wollen wir aber eine Art Durchlauferhitzer sein. Gerade weil wir nicht so viel Platz haben, wollen wir so vielen Start-ups eine Chance geben.

 

Was für Start-ups suchen Sie?

Glatz: Wir wollen besonders Start-ups in der Anfangsphase unterstützen. Wir suchen daher Start-ups, die früh dran sind und beispielsweise weder ein fertiges Produkt, noch ein paar Tausend Kunden haben. Denen wollen wir für ein Jahr unter die Arme greifen. Ab November werden wir den Start-ups einen Coach an die Hand geben, der Erfahrung darin hat, wie man Geschäftsmodelle entwickelt, und der unter anderem über Kontakte zu Investoren verfügt.

 

Gibt es vonseiten der Investoren bestimmte Vorgaben, etwa was die Branchen betrifft, aus denen die Start-ups kommen sollen?

Glatz: Nein, die gibt es nicht. Wir suchen schlicht die besten Start-ups aus. Es geht darum, hier in Ingolstadt eine Gründerszene zu entwickeln.

 

Hat Ingolstadt einen speziellen Vorteil für Start-ups?

Glatz: Die Größe. Auf der einen Seite ist Ingolstadt gar nicht so klein - und dennoch klein genug, um schnell Kontakte zu knüpfen. So entstehen zügig Netzwerke, die Start-ups brauchen. Auch die Hürde, mit Entscheidungsträgern ins Gespräch zu kommen, ist in Ingolstadt niedriger als in einer Millionenstadt. Ein weiterer Vorteil.

 

Sollen die Start-ups im brigk aus der Region stammen?

Glatz: Auch da gibt es keine Vorgaben. Wenn wir jemanden aus London oder Berlin anziehen, ist das okay. Der Geschäftssitz muss natürlich hier sein.

 

Müssen die Start-ups bei Ihnen so etwas wie einen monatlichen Report abliefern?

Glatz: Zunächst einmal müssen sie natürlich Miete zahlen. Das brigk ist eine geförderte Maßnahme, in die von vielen Seiten Geld fließt. Trotzdem werden Räume, Infrastruktur und auch der Kaffee nicht kostenlos sein. Was nichts kostet, ist nichts wert. Zudem soll die Miete die Leute auch fordern. Das bei uns ist keine Spielwiese, sondern ernst. Ein Büro für drei bis vier Mann dürfte so etwa 400 Euro im Monat kosten.

 

Wie viele Start-ups werden im Gebäude unterkommen?

Glatz: Das ist schwer pauschal zu sagen. Vermutlich zwischen vier und acht. Im oberen Stock werden wohl etwa 40 Personen arbeiten können. Wenn wir ins Kavalier Dallwigk umgezogen sind, kann man die Zahlen etwa mit fünf multiplizieren.

 

Wann rechnen Sie mit dem Umzug in die "endgültige" Heimat?

Glatz: Wir planen, dass wir gute drei Jahre in unserem Standort "Am Stein" bleiben. Im Herbst 2020/Frühjahr 2021 planen wir ins Kavalier Dallwigk umzuziehen. Es kann sein, dass wir dann auch zunächst nur den Neubau-Teil beziehen, der vermutlich schneller fertig ist. Denn die Renovierung des Altbaus hat ihre Tücken. Es kann übrigens auch sein, dass wir auch die Räume "Am Stein" zusätzlich behalten. Denn die Lage hier mitten in der Stadt ist super. Aber das muss man einfach abwarten.

 

Hat sich die Start-up-Szene in den vergangenen Jahren verändert?

Glatz: Das Thema Gründen ist viel präsenter als noch vor zehn Jahren. In der Ausbildung und an den Hochschulen wird das viel früher angesprochen - es hat ein Kulturwandel stattgefunden. Und auch in Großkonzernen weiß man heute, dass man gar nicht so schnell handeln kann, sondern ein Start-up die bessere und schnellere Variante ist, um bestimmte Dinge voranzutreiben. Das Verhältnis hat sich gewandelt: Inzwischen sind Start-ups Mitentwickler und Kooperationspartner - und nicht mehr nur Wettbewerber und Zulieferer. Und auch die Kultur des Scheiterns wird immer mehr angenommen.

 

Wie viele Start-ups haben Sie schon scheitern sehen?

Glatz: Sehr viele. Ich habe sie nicht gezählt. Die Frage ist aber, was nach dem Scheitern passiert: Gibt man auf oder nimmt man einen neuen Anlauf mit einem anderen Ansatz? Die meisten versuchen es wieder - und darauf kommt es an. Wer gleich aufgibt, ist für mich kein Unternehmer.

 

Die Fragen stellte Sebastian Oppenheimer.