Eichstätt
Die Bahn auf dem Holzweg

Vielen Güterverladestationen droht das Aus In Eichstätt-Bahnhof sieht man, wie eine Alternative funktioniert

08.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:42 Uhr

Eichstätt (EK) Die Bahn-Tochter DB Cargo will viele Verladestationen für Güterwaggons schließen. 215 wenig ausgelastete Stationen in ganz Deutschland stehen auf dem Prüfstand. Ausgerechnet Eichstätt-Bahnhof aber ist nicht betroffen. Ein exklusives Modell zur Holzverladung macht's möglich.

Vor Kurzem sickerten die Planungen von DB Cargo durch: Die Bahntochter wolle im Rahmen eines radikalen Sparkurses schwache Standorte aufgeben, darunter zum Beispiel auch Ansbach oder Gunzenhausen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) warnte vor der Umsetzung dieser Pläne und nannte sie "klimapolitisch verfehlt".

In der Region Ingolstadt freilich gibt's nicht mehr viel zu schließen, da ist der Kahlschlag längst vollzogen. Audi und die Raffinerien verladen selbst ganze Züge auf ihrem jeweiligen Gelände. Zur Schließung in der Region steht laut einem Unternehmenssprecher der DB Cargo einzig die Güterverkehrsstelle Ingolstadt Nord Bayernwerk auf dem Plan, da sei im ganzen letzten Jahr nichts verladen worden. Und die Güterverkehrsstelle Eichstätt-Bahnhof? Bleibt erhalten, stellte DB Cargo gestern klar.

In Eichstätt-Bahnhof, mitten im Wald direkt an der Bahnlinie Ingolstadt-Treuchtlingen gelegen, gibt es seit 13 Jahren ein außergewöhnliches und vor allem erfolgreiches Geschäftsmodell. Damals, 2003, pachtete das Forstamt Eichstätt (heute die Bayerischen Staatsforsten) nach langwierigen Verhandlungen das komplette 252 Meter lange Güterverladegleis samt der daneben führenden Straße und einem Lagerplatz von der Bahn an. Erklärtes Ziel war es, die gewaltigen Holzmengen aus den Jurawäldern über die Schiene zu den großen Sägewerken etwa in Österreich transportieren zu können. Die schweren Holz-Ferntransporte hätten auf den deutschen Autobahnen nichts verloren.

Seitdem geht wöchentlich Holz aus dem Altmühltal und auch darüber hinaus von der Waldeinsamkeit von Eichstätt-Bahnhof aus auf die Reise. Ernst Geyer, der stellvertretende Leiter des Forstbetriebs Kipfenberg der Bayerischen Staatsforsten, ist der maßgebliche Verbindungsmann, die Abwicklung läuft über den Logistik-Chef der Staatsforsten-Zentrale in Regensburg, Martin Müller, und am Bahnhof selbst hat der Weißenburger Holz-Fuhrunternehmer Willi Hüttinger die Federführung. Zusammen mit zwei weiteren Fuhrunternehmen, der Firma Mayinger aus Konstein und der Firma Gaukler aus Hilpoltstein, füllt er Woche für Woche neun von DB Cargo bereitgestellte Waggons mit Holz. Überwiegend Buche. Das Holz stammt ausschließlich aus dem Staatsforst, aus den Forstbetrieben Kipfenberg, Kelheim, Kaisheim und Allersberg, neben dem Gleis sind große Holzpolder aufgeschichtet, damit es nie an Ware fehlt. Der Ablauf hat, das ein Geheimnis des Erfolgs, die Routine eines Uhrwerks: Jeden Donnerstag stellt DB Cargo einen leeren Zug aufs forstliche Gütergleis, jeden Dienstag wird er voll beladen abgeholt. 600 Kubikmeter Holz sind das insgesamt, die Menge etwa 22 Lkw-Ladungen.

Weit über 1100 Lastwagen-Fernfahrten werden damit Jahr für Jahr vermieden, seit Einführung des Modells sind es rechnerisch schon 15 000 Fuhren. Vor allem Buchen- und Fichtenstämme in "Fixlängen" werden geladen, die Bahn ist etwa ab 200 Kilometern zu den Lkws konkurrenzfähig, sagt Ernst Geyer. Man könnte das Holz also vermeintlich genauso gut auch per Laster durchs Land fahren, denn die Preise für Lkw-Fracht sind durch den Preiskampf durch osteuropäische Firmen niedrig.

Die Staatsforsten, die komplett für Betrieb und Unterhalt des Gleises verantwortlich sind, errechnen betriebswirtschaftlich für ihre eigene Bahnanbindung "plus minus null". "Aber wir bekennen uns zum Bahntransport. Das ist einfach eine Gesamthaltung", sagt Förster Geyer. Und Chef-Logistiker Martin Müller verspricht auf Anfrage: "Die Bayerischen Staatsforsten halten am Bahnhof Eichstätt fest. Das ist für uns ein wichtiger Logistik-Baustein."

Spannend wird es immer dann, wenn es eine Sturmkatastrophe oder ein schlimmes Borkenkäferjahr gibt. Wenn dann in ganzen Regionen der Holzpreis einbricht, wie etwa im letzten Jahr in Südbayern nach dem Sturm "Niklas", sind die staatlichen Förster mit ihrem eigenen Gleisanschluss plötzlich Herren aller Dimensionen: Entfernungen spielen auf der Schiene praktisch keine Rolle. Damit hat das Eichstätter Gleis eindeutig eine strategische Dimension.

Ursprünglich freilich sollte alles noch eine Nummer größer ausfallen, und es war 2003 schon gedacht, dass Eichstätt eine Vorbildfunktion für andere werden könnte. Damals saßen die richtig großen Holzverarbeiter überwiegend in Österreich, während die mittelständischen bayerischen Säger wegen Investitionsstau nicht recht konkurrenzfähig waren. Was keiner ahnen konnte: Die Österreicher bauten plötzlich riesige Holzwerke in Bayern, und die regionalen "Platzhirsche" rüsteten ebenfalls auf. In Kösching, direkt vor der Eichstätter Haustüre, entstand zum Beispiel das Großsägewerk von Holz Binder. Da sah es fürs Eichstätter Holzgleis dann eine Weile nicht gut aus. Die Forstbetriebsgemeinschaft Eichstätt als Organisation der Privat- und Kommunalwaldbesitzer stellte die Mitnutzung ein.

Aber den Staatsforsten ist nach wie vor klar, wie wertvoll ein zusätzlicher Pfeil im Köcher ist. "Kürzlich haben wir wertvolle Hölzer nach Hamburg verfrachtet", sagt Ernst Geyer stolz. Und Willi Hüttinger weiß, dass über mehrere Zwischenstationen die Stämme bis aus Freiburg zur zentralen Sammelstelle nach Eichstätt gebracht wurden. Und wenn auch die Bahn anderswo ihre Gütergleise schließen will: In Eichstätt-Bahnhof geht der Zug eher in die andere Richtung. Ernst Geyer: "Man könnte die Menge mehr als verdoppeln. Das ist schon angedacht."

Das Eichstätter Konzept des Gleisbetriebs in Eigenregie funktioniert. Und es gibt auch immer wieder Anfragen von Privatunternehmen, ob sie das Gleis nicht mitbenutzen könnten. Bislang ist nie etwas Konkretes daraus geworden - die Lkw-Kosten im Fernverkehr sind einfach zu niedrig. Das sind keine guten Aussichten für Verladestationen in Bahn-Hand. Ernst Geyer macht sich da über das Holzgleis der Staatsforsten keine Illusionen: "Würde es die Bahn erhalten müssen, dann hätten sie es schon verräumt."