Neu im Audi-Aufsichtsrat
"Das Bestmögliche für die Beschäftigten"

Bernhard Stiedl im Gespräch

14.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:26 Uhr
Bernhard Stiedl ist der 1. Bevollmächtige der IG Metall in Ingolstadt und sitzt seit Jahresbeginn für die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat der Ingolstädter Audi AG. −Foto: Eberl, DK-Archiv

Ingolstadt - Bernhard Stiedl ist der 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Ingolstadt und damit Chef der mit 50000 Mitgliedern drittgrößten Geschäftsstelle der Gewerkschaft in Deutschland. Mit dem Jahreswechsel übernahm der gelernte Feinmechaniker und Betriebswirt einen Sitz im Aufsichtsrat von Audi. Wir sprachen mit ihm über die Lage der Metallbranche in der Region.

Herr Stiedl, Sie sind nun Mitglied im Aufsichtsrat von Audi. Was sind denn die großen Themen, die für Sie im Kontrollgremium des Konzerns anstehen?

Bernhard Stiedl: Die Automobilindustrie in Gänze und damit auch Audi steckt in einem tiefgreifenden Transformationsprozess hin zu neuen Antriebssystemen. Gerade bekommt die Elektromobilität einen großen Schub, längerfristig steht auch das Thema Wasserstoff an. Das ist für mich der Antriebsstoff der Zukunft. Allgemein geht es um alternative Antriebstechnologien, synthetische Kraftstoffe und neue Technologien im Bereich der Digitalisierung. Das sind große Aufgaben, die es zu begleiten gilt. Ich sehe meine Rolle als Aufsichtsrat darin, dass diese Transformation im Sinne der Kolleginnen und Kollegen bei Audi gestaltet werden. Ich werde jedenfalls mein Augenmerk darauf richten, dass die Audi-Beschäftigten dabei nicht im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder kommen.

Wo steht Audi aus Ihrer Sicht in diesem Transformationsprozess?

Stiedl: Aus meiner Sicht ist Audi sehr gut aufgestellt. Wir haben schon im vergangenen Jahr festgestellt, dass die Auslieferungen wieder anziehen. Audi ist auch wieder in der Gewinnzone. Mit den weiteren Elektromodellen, die in den nächsten Jahren kommen sollen, hat das Unternehmen ein attraktives Angebot für jeden Kunden. Audi ist damit für die Zukunft gut positioniert.

Und gilt das auch für die Arbeitsplatzsicherheit?

Stiedl: Der Betriebsrat hat ja mit der Unternehmensführung eine Vereinbarung getroffen, dass bis 2029 eine Arbeitsplatzgarantie gilt. Daran wird auch von der Firmenspitze nicht gerüttelt. Der Vorstandsvorsitzende Markus Duesmann hat mehrfach versichert, dass die Arbeitsplatzgarantie steht. Das gibt den Beschäftigten Sicherheit, von daher muss man sich aktuell keine Sorgen machen. Natürlich kann keiner in die Zukunft schauen. Wir wissen nicht, wie sich die Corona-Pandemie noch entwickelt, wir wissen nicht, wie sich der Weltmarkt entwickelt. Aber aktuell schaut es für Audi in Ingolstadt und in Neckarsulm nicht schlecht aus.

Trotzdem kann man eine gewisse Verunsicherung in der Audi-Belegschaft spüren ...

Stiedl: Natürlich, man hört immer wieder Gerüchte etwa über Arbeitsverlagerungen, über Standorte außerhalb Europas. Deshalb sehen wir es als wichtige Aufgabe, die Zukunftssicherung für die Heimatstandorte zu gewährleisten. Zu dem Transformationsprozess gehört ein Stück weit auch, neue Geschäftsfelder zu finden. Zum Beispiel verändert sich das Mobilitätsverhalten der Menschen. Nicht mehr jeder kauft sich, wenn er 18 wird, sofort ein Auto. Da kommen etwa Car-Sharing-Modelle ins Spiel. Auch hier muss, wie ich finde, ein Automobilkonzern Antworten finden.

Wie sieht denn die Arbeit eines Aufsichtsrats konkret aus? Wie oft trifft sich das Gremium?

Stiedl: Vom Gesetz her tritt der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft mindestens viermal im Jahr zusammen. Seine Aufgabe ist es, die Arbeit der Geschäftsführung zu überwachen. Der Vorstand informiert den Aufsichtsrat über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung. Der Aufsichtsrat muss das prüfen und gegebenenfalls auch kritisch hinterfragen.

Die Arbeitnehmervertreter sitzen im Aufsichtsrat mit den Vertretern der Anteilseignern zusammen. Im Fall Audi sind das etwa Mitglieder der Familien Porsche und Piëch. Treffen da nicht Welten aufeinander?

Stiedl: Ganz klar gibt es da einen Interessengegensatz. Das ist halt so. Wir vertreten die Interessen der Kolleginnen und Kollegen im Aufsichtsrat. Und die Kapitaleigner vertreten ihre Interessen. Da gibt es natürlich Konflikte. Unser Interesse ist immer, das Bestmögliche für die Beschäftigten herauszuholen. Und die IG Metall bei Audi ist ja dafür bekannt, dass wir das auch sehr laut und auch sehr erfolgreich tun können.

Was kann man eigentlich als Mitglied eines Aufsichtsrats verdienen?

Stiedl: Ich muss gestehen, ich weiß noch gar nicht, wie hoch die Aufsichtsratstantiemen bei Audi überhaupt sind. Aber wir als Gewerkschaftsvertreter geben den größten Teil der Tantiemen ja sowieso ab. Wir haben bei der IG Metall die Regelung, dass jeder Gewerkschafter, jeder Betriebsrat, der ein Aufsichtsratsmandat wahrnimmt, die Bezüge an die Hans-Böckler-Stiftung abführt. Es gibt dabei einen Eigenbehalt, der dazu dient, Ausgaben etwa für Fahrten zu Aufsichtsratssitzungen oder Übernachtungen auszugleichen. Aber ansonsten fließen die Tantiemen der Stiftung zu, die das Geld zum Beispiel für Stipendien einsetzt.

Sie sind auch Mitglied im Airbus-Aufsichtsrat und haben als IG-Metall-Chef in Ingolstadt Einblick in viele Unternehmen. Wie schätzen Sie die Lage der Metallbranche in der Region ein?

Stiedl: Im Moment durchaus positiv. Wir sind bisher in Gänze ziemlich gut durch die Corona-Krise gekommen. Wir stecken ja noch mittendrin und wissen nicht, wie sich das in nächster Zeit noch entwickelt. Aber wenn man sich anschaut, welche Pläne für Personalabbau und Standortschließungen verkündet wurden - etwa bei Conti-Temic oder Schaeffler - dann sind wir in Ingolstadt noch mit einem blauen Auge davongekommen. Auch bei Audi sollen ja an beiden Standorten 9500 Arbeitsplätze abgebaut werden. Das soll aber sozialverträglich gestaltet werden, etwa über Vorruhestandsregelungen. Was mir heute noch in der Seele wehtut, ist die Standortschließung bei Osram in Eichstätt. Aus meiner Sicht war das eine komplett falsche Entscheidung des Managements, wegen der 110 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben. Ansonsten gibt es zwar Firmen, die Schwierigkeiten haben, aber da konnten wir bisher immer Lösungen finden und zum Beispiel mit kollektiven Arbeitszeitreduzierungen die Arbeitsplätze halten. Wenn sich das in diesem Jahr weiter auf diesem Niveau bewegt, kommt die Metall- und Elektroindustrie in der Region relativ gut aus der Krise. Dann können wir alle miteinander zuversichtlich in die Zukunft schauen.

AUFSICHTSRAT

Die Führung einer Aktiengesellschaft ist im Aktiengesetz geregelt. Danach ist die eigentliche Unternehmensführung Aufgabe des Vorstands. Überwacht und begleitet wird dessen Arbeit von einem Kontrollgremium, dem Aufsichtsrat. Eine Besonderheit in Deutschland ist, dass in den Aufsichtsräten größerer Aktiengesellschaften nach dem Mitbestimmungsgesetz auch Vertreter der Arbeitnehmer sitzen. Bei Audi heißt das, dass zehn Aufsichtsräte als Vertreter der Anteilseigner auf der Hauptversammlung des Unternehmens bestellt werden. Weitere zehn Aufsichtsräte werden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens gewählt. Sieben von ihnen sind Vertreter der Belegschaft, drei Vertreter der Gewerkschaften. Im Regelfall tagt der Aufsichtsrat von Audi viermal im Jahr. Er lässt sich von der Unternehmensleitung über den Gang der Geschäfte und die Pläne unterrichten. Zu den Aufgaben gehört auch die Prüfung des Jahresabschlusses. Außerdem bestellt der Aufsichtsrat die Mitglieder des Vorstands - und er kann sie natürlich auch wieder abberufen.

DK

Johannes Greiner