Ingolstadt
Interimschef oder Dauerlösung?

Bram Schot will bei Audi eigene Akzente setzen - und kündigt einen neuen Kurs an

25.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:11 Uhr
Schot „übernimmt mit sofortiger Wirkung kommissarisch den Vorstandsvorsitz von Audi“, teilte der Autobauer mit. −Foto: Armin Weigel

Ingolstadt (DK) Seit einer Woche leitet Bram Schot den Ingolstädter Autobauer Audi. Der Niederländer übernahm den Posten kommissarisch nach der Festnahme von Rupert Stadler. Nun zeigt sich: Schot will nicht verwalten, sondern gestalten - und einiges anders machen als sein in U-Haft sitzender Vorgänger.

Vergangenen Dienstag wurde er zum Interims-Chef ernannt, am Freitag hatte er seinen ersten größeren internen Auftritt: Um 11 Uhr sprach Bram Schot im Gebäude A51 bei einer außerplanmäßigen Managementversammlung vor rund 100 Zuhörern. Wie einer der Anwesenden berichtet, sei es eine "sehr persönliche" Ansprache des 56-Jährigen gewesen. Vor allem aber hätten die Inhalte aufhorchen lassen. Einige seiner Aussagen lassen sich durchaus als Abkehr von Stadlers Kurs verstehen. Ein Hinweis darauf, dass man bei Audi offenbar nicht mehr mit einer Rückkehr des inhaftierten und beurlaubten Cefs rechnet.

Wichtig sei im Moment, die nahe Zukunft im Auge zu haben, erklärte Schot am Freitag. Im Klartext: Ihn interessiert mehr die Gegenwart und weniger das Jahr 2030. Sein Vorgänger hatte sich nur ungern zu aktuellen Problematiken geäußert, stattdessen viel lieber Visionen für die Zukunft präsentiert. Doch aktuell wartet ein Berg voller Probleme vor der Haustür - und das weiß Schot sehr genau.

Neben der Diesel-Affäre bereitet derzeit die Umstellung auf den neuen WLTP-Zyklus eine Menge Sorgen - dass es den meisten Konkurrenten im Moment ähnlich ergeht, ist nur ein schwacher Trost. Bei Audi sind aktuell weder der R8 noch der TT bestellbar, genausowenig wie sämtliche S- und RS-Modelle, e-tron- und g-tron-Varianten. Noch arbeitet man auf Hochtouren die bestehenden Aufträge ab - doch spätestens ab August droht die Streichung von Schichten. Die Produktionsplanung steht deshalb ganz oben auf der To-Do-Liste des neuen Audi-Chefs. Schot will zeigen, was er kann - gut möglich, dass er am Ende dann doch dauerhaft das Ruder des Autobauers in die Hand nimmt. "Er vermittelt nicht den Eindruck eines kommissarischen CEOs", sagt ein Manager. In die Karten spielen dürfte dem Niederländer auch, dass es im Moment schlicht an attraktiven Alternativen für den Vorstandsposten von Audi mangelt.

Und der neue Chef hat mit seinen Vorstandskollegen gestern bereits eine Entscheidung seines Vorgängers kassiert. Ursprünglich wollte Audi das erste vollelektrische Modell mit den vier Ringen auf dem Kühler Ende August in Brüssel vorstellen. Nun soll der e-tron wenige Wochen später in den USA der Öffentlichkeit präsentiert werden, wie das Unternehmen gestern mitteilte. Dort bestimmt noch der selbsternannte Pionier der Elektromobilität Elon Musk mit Tesla die Schlagzeilen.

Seine Karriere begann Schot nach einem Jahr bei einer Bank beim Autobauer Daimler. Unter anderem war er Daimler-Chef in den Niederlanden, später leitete er das Italien-Geschäft der Stuttgarter. 2011 wechselte er dann zum Volkswagen-Konzern, wo er unter anderem als Vertriebschef von VW-Nutzfahrzeuge tätig war, bevor er schließlich im September vergangenen Jahres als Vertriebschef bei Audi anheuerte. Zum Amtsantritt bei Audi hatte Schot noch im Hotel gewohnt, inzwischen hat er eine Wohnung bezogen. Seine Frau lebt aber weiter in den Niederlanden, die beiden Söhne studieren in den USA

Dass künftig einige Dinge anders laufen sollen, wird Schot auch Mitte Juli in Nürnberg verkünden. Gerade überarbeitet er angeblich das Programm der einmal jährlich stattfindenden Managementkonferenz. In seiner Rede am Freitag jedenfalls beschwor der Niederländer schon mal einen "neuen Geist" und erklärte, dass es ihm wichtig sei, wie Audi von der Außenwelt wahrgenommen werde. Die technische Aufarbeitung der "Diesel-Thematik" solle so bald als möglich abgeschlossen sein, er sei zuversichtlich, dass das bis Ende Juli klappe.

Direkt nach der Übernahme seines neuen Postens hatte sich Schot in einem Brief an die Audi-Belegschaft gewandt. Zwar hatte er sich darin "tief getroffen" von der Verhaftung Stadlers gezeigt. Dennoch waren auch hier einige Sätze durchaus als Kritik an Stadler zu verstehen, etwa: "Statt große Worte zu machen, große Taten schaffen!" Zudem erklärte er, den Mitarbeitern zuhören zu wollen. Zahlreiche Audianer nahmen Schot beim Wort und schrieben ihm E-Mails - mehrere Hundert sollen es gewesen sein. Diese habe der Niederländer alle beantwortet, heißt es - zwei Nächte lang. Nahbarkeit scheint ihm am Herzen zu liegen, angesprochen hatte er die Mitarbeiter in der zweiten Person: "Ich verspreche Euch, ich bin für Euch da."

Der auf Fotos meist streng dreinblickende Schot habe aber durchaus Sinn für Humor, berichtet ein Manager. Er finde es schade, dass die Niederlande bei dieser WM in derselben Gruppe spielten wie Italien, scherzte der fußballbegeisterte Audi-Interimschef am Freitag.