Ingolstadt
"Anfang 2019 könnte der Prozess beginnen"

Der Jurist Jan-Eike Andresen glaubt, dass der beurlaubte Audi-Chef Rupert Stadler schon bald vor Gericht stehen könnte

28.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:10 Uhr

Ingolstadt (DK) Der Abgas-Skandal spitzt sich für Volkswagen immer weiter zu: Seit eineinhalb Wochen sitzt der inzwischen beurlaubte Audi-Chef Rupert Stadler nun in U-Haft, VW muss in Niedersachsen eine Milliardenstrafe zahlen.

Welche Auswirkungen hat das auf die Klagen von Diesel-Besitzern? Darüber haben wir mit Jan-Eike Andresen gesprochen - er ist Mitgründer des Rechtsdienstleisters myRight, der nach eigenen Angaben 40000 VW-Kunden vertritt, die vom Wolfsburger Autokonzern Entschädigung verlangen. Laut Andresen sind davon 20 Prozent Audi-Käufer.

Herr Andresen, haben Sie mit der Festnahme des Audi-Chefs gerechnet?

Jan-Eike Andresen: Ja. Wir haben starkes Vertrauen in die Justiz. Nach den Erkenntnissen, die wir haben, ist es naheliegend, dass sich Herr Stadler strafbar gemacht hat. Alles weitere muss man in einer gerichtlichen Hauptverhandlung klären.

Sie haben Strafanzeige gegen Stadler erstattet. Glauben Sie, die Verhaftung hängt auch damit zusammen?

Andresen: Selbstverständlich. Wobei ich davon ausgehe, dass die Staatsanwaltschaft auch aufgrund eigener Erkenntnisse diese Verhaftung betrieben hat. Sie hat ja sehr lange und detailliert ermittelt. Für die Untersuchungshaft gelten strenge Anforderungen.

Welche Strafe könnte Rupert Stadler drohen?

Andresen: Das Gesetz sieht für Betrug und mittelbare Falschbeurkundung - insbesondere in einem schweren Fall - eine mehrjährige Haftstrafe vor.

Wird es aus Ihrer Sicht zu einem Prozess kommen?

Andresen: Wir gehen davon aus. Es spricht alles dafür, dass sich Herr Stadler einer Hauptverhandlung stellen muss.

Wie lange könnte es dauern, bis es zu einem Prozess kommt?

Andresen: Bei Herrn Stadler kann das möglicherweise schon relativ bald der Fall sein. Immerhin ist er ja aus Sicht der Staatsanwaltschaft dringend tatverdächtig. Es scheint also genügend Material zu geben, um entsprechende Straftaten beweisen zu können. Anfang 2019 könnte der Prozess beginnen.

Ist das zu spät für viele Diesel Betroffene? In einem Prozess könnten ja spannende Details ans Licht kommen.

Andresen: Für die Betroffenen des Abgas-Skandals ist die Verhaftung von Herrn Stadler eine große Chance und eine große Gefahr zugleich. Die Chance besteht darin, dass endlich ans Licht kommt, wer bei VW wann was gewusst hat. Damit könnte man Klagen von Verbrauchern noch besser vor Gericht bringen. Das große Problem ist aber, dass Ende des Jahres die Verjährungsfrist ablaufen wird für diese Ansprüche - und bis dahin haben wir wahrscheinlich noch nicht die Informationen von Herrn Stadler aus dem Gerichtsverfahren. Für die Zivilverfahren wird das also wohl nichts bringen. Das kann für den Verbraucher nur heißen: Nicht auf das Verfahren gegen Herrn Stadler warten, sondern schon heute seine Ansprüche anmelden.

VW muss eine Milliardenstrafe an das Land Niedersachsen zahlen. Wendet sich das Blatt nun in Deutschland im Diesel-Skandal gegen VW?

Andresen: Absolut. Bis jetzt konnte der VW-Konzern in Deutschland immer auf staatliche Rückendeckung bauen. Insbesondere was die Ebene der Bundesregierung anbelangt - diese hat den VW-Konzern immer mit Samthandschuhen angefasst. Das Blatt hat sich nun radikal gewendet. Die Bundesregierung ist zaghaft wie eh und je, aber die Staatsanwaltschaften greifen durch. Die sind nicht mehr bereit, dem Treiben von VW tatenlos zuzusehen.

Die Fragen stellte Sebastian

Oppenheimer.