Berlin (DK
Langer, teurer Bahnstreik

Der Lokführer-Ausstand hat für die Bahn und ihre Kunden weitreichende Folgen

17.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

Berlin (DK) Keine 48 Stunden ließ die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bis zum nächsten Streik vergehen. Diesmal dauert die Arbeitsniederlegung nicht nur 14 Stunden wie zuletzt, sondern gleich zwei volle Tage. Beim Güterverkehr ist es sogar noch ein halber Tag mehr. So trifft die GDL auch die Transporte, die für die Nacht zum Samstag geplant waren.

Noch lässt sich nicht genau beziffern, wie teuer diese Arbeitsniederlegungen werden. Klar ist aber: Je länger die Streiks dauern, desto größer werden die finanziellen Schäden für die Bahn und andere Unternehmen, die auf sie angewiesen sind.

An einem kompletten Streiktag könnten allein die Umsatzeinbußen bei der Bahn einen zweistelligen Millionenbetrag erreichen. Der volkswirtschaftliche Schaden dürfte nach früheren Expertenschätzungen bis zu 50 Millionen Euro täglich betragen.

Im Durchschnitt sind pro Tag etwa 400 000 Fahrgäste in Fernzügen der Bahn unterwegs. Wegen der Wochenendpendler – vom Arbeitsort zur Familie und zurück – sind es freitags und sonntags mehr als 500 000 und zu Ferienbeginn wie diesmal noch ein paar mehr. Alles in allem sind nach Angaben der Bahn gut sechs Millionen Menschen täglich auf der Schiene unterwegs – wenn nicht gestreikt wird.

Wichtige Industriebranchen werden durch den 61-stündigen Streik im Güterverkehr von der Rohstoffversorgung abgeschnitten. „Das ist eine Katastrophe“, sagt der Logistikexperte des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik, Gunnar Gburek. „Selbst wenn es nicht zu Produktionsausfällen kommt, werden die Unternehmen einen finanziellen Schaden haben.“ Sie müssten ihre Lager nach dem Streik mit großem Aufwand wieder auffüllen oder Lieferungen auf Lastwagen umdirigieren.

So gehören die Speditionen wie die Autovermietungen und die Fernbusse zu den Profiteuren des Lokführerstreiks. „Unternehmen versuchen sicherlich, auf die Straße auszuweichen, wenn die Ware am Montag beim Empfänger sein muss“, sagt Andrea Marongiu vom Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg. Doch es sind nicht nur die Umsatzausfälle an einem Wochenende, die die Bahn treffen. Der Ruf als halbwegs verlässliches Verkehrsmittel leidet.

Dabei ist es doch das erklärte Ziel der Bundesregierung, mehr Menschen und Güter von der Straße auf die umweltfreundliche Schiene zu bringen. Bei der Fracht liegt die Bahn ohnehin stark im Hintertreffen. Nur 9,7 Prozent der Güter wurden im vergangenen Jahr auf der Schiene befördert, 76,7 Prozent kamen per Lastwagen ans Ziel.

Die Reaktionen auf den Streik waren am Freitag deutlich, die Kritik an dem Chef der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky, harsch: „So, reicht jetzt, liebe GDL-Lokführer. Geht verdammt nochmal an Eure Arbeit“, schreibt ein Nutzer eines sozialen Netzwerkes im Internet. Ein anderer urteilt: „Ich hoffe inständigst, es gibt eine Eisenbahner-Hölle, in denen die GDL-Typen um Weselsky dereinst schmoren werden“. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisiert den Streik ebenfalls. „Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut, dazu gehören auch Tarifauseinandersetzungen. Das verpflichtet aber auch, mit diesem hohen Gut sehr verantwortungsvoll umzugehen, also gerade auch die Folgen für Dritte gering zu halten“, erklärte Dobrindt im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion.

Selbst gewerkschaftsnahe Wirtschaftsforscher wie Gustav A. Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler Stiftung, schütteln nur noch den Kopf: „Diese Art von Auseinandersetzung ist wirtschaftlich schädlich, denn hier geht es nicht um berechtigte Einkommensansprüche der Beschäftigten, sondern um Macht“, sagte Horn im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Denn über Inhalte haben die Parteien noch nicht gesprochen – es geht darum, wer wen vertreten darf. Die GDL will nicht mehr nur über Lokführer verhandeln, sondern auch über andere Berufsgruppen. Die Rede ist mittlerweile von „Erzwingungsstreiks“.