Berlin
"GDL hat Vertrauen beschädigt"

Bahn-Personalchef Ulrich Weber über abgesagte Gespräche und Gerechtigkeit

16.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

Berlin (DK) Nach dem bisher längsten Lokführerstreik in diesem Jahr fährt die Deutsche Bahn wieder nach Plan. S-Bahnen in den Ballungsräumen wie Regionalverkehr rollten im Takt, teilte das Unternehmen gestern mit. Ulrich Weber, Personalvorstand der Deutschen Bahn, sprach mit unserer Berliner Redaktion über Angebote der Bahn, beschädigtes Vertrauen und Unruhe in der Belegschaft.

 

Herr Weber, die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) hat gerade 14 Stunden den deutschen Zugverkehr lahmgelegt. Warum musste es so weit kommen?

Ulrich Weber: Wir haben für einen Streik keinen Anlass geliefert. Diese Tarifrunde läuft anders ab als normalerweise. Die GDL ruft zu Streiks auf, obwohl wir noch gar nicht richtig verhandelt haben, und erklärt Gespräche für gescheitert, die noch nicht inhaltlich geführt worden sind. Es liegen unsererseits mehrere Angebote auf dem Tisch. Wir sind bereit zu verhandeln. Ein Streik bewirkt momentan nichts, bringt uns in der Sache kein Stück voran.

 

Sie haben ein Treffen mit dem GDL-Chef Claus Weselsky wegen des Streiks abgesagt. Gibt es einen neuen Termin und wie könnte man den verfahrenen Konflikt auflösen?

Weber: Ein paar Stunden vor einem vertraulichen Gespräch haben wir aus den Nachrichten erfahren, dass die GDL zum Streik aufruft, weil wir nicht verhandlungsbereit seien. Wir hatten aber gerade das Gegenteil bewiesen, auf unsere Initiative hin sollte dieses Treffen stattfinden, um zu Lösungen zu finden. Damit hat die GDL nicht nur das Vertrauen beschädigt, sondern auch die Geschäftsgrundlage verlassen.

 

Die GDL vertritt längst nicht mehr nur die Lokführer, sondern hat auch viele Mitglieder bei Zugbegleitern und Disponenten, nach eigener Aussage die Mehrheit. Ist es nicht nachvollziehbar, wenn die GDL nun auch für weitere Berufsgruppen verhandeln will?

Weber: Es macht niemand der GDL das Recht streitig, für ihre Mitglieder verhandeln zu wollen. Wir sprechen jederzeit mit der GDL auch über Zugbegleiter; ebenso, wie wir mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) auch über Lokführer sprechen. Aber wir müssen über die Herausforderung reden, Tarifkonkurrenz zu vermeiden. Sonst haben wir am Ende zwei unterschiedliche Tarifverträge für ein und dieselbe Arbeitnehmergruppe. Das führt in der Belegschaft zu Unruhe, Neid und Störung des Betriebsfriedens. Im Übrigen konstruiert sich die GDL mit dem „Zugpersonal“ eine Gruppe, die es so bei der DB nicht gibt. Das ist ein Spiel mit Zahlen, das wir gerne einmal objektiv feststellen lassen würden.

 

Warum versuchen Sie, die beiden Gewerkschaften an einen Tisch zu zwingen, obwohl das Bundesarbeitsgericht 2010 das Verfassungsrecht der Koalitionsfreiheit betont hat?

Weber: Ich appelliere nur an die Vernunft. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben Verantwortung für das Unternehmen und die Belegschaft. Wir möchten für unsere 200 000 Beschäftigten in Deutschland eine faire und transparente Personalpolitik betreiben und sie gemeinsam mit den Tarifpartnern entwickeln.

 

Die GDL wirft Ihnen vor, Sie würden die Gewerkschaft provozieren, um das Gesetz zur Tarifeinheit durchzusetzen. Ein berechtigter Vorwurf?

Weber: Der Vorwurf ist völlig aus der Luft gegriffen. Wir wollen mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zu kooperativen Verabredungen kommen – ohne Gesetzgeber. Dieser sollte allenfalls dann eingreifen, wenn der Betriebsfrieden in Gefahr gerät und wir uns auf keine gemeinsamen Spielregeln einigen können. Wir sagen ausdrücklich: GDL – Du bist bei uns Partner und spielst eine starke Rolle.

 

Kann sich die Bahn solch einen langen Konflikt überhaupt leisten, zumal sie zunehmend unter der Konkurrenz der Fernbusse leidet?

Weber: Natürlich können wir uns das nicht leisten. Ich kann aber doch nicht weichen, nur weil die GDL Druck über die Öffentlichkeit aufbaut, um Forderungen durchzusetzen, die wir nicht für erfüllbar halten. Das widerspricht schon meinem eigenen Gerechtigkeitsgefühl. Da nimmt sich jemand Rechte heraus, ohne seiner Verantwortung für das Unternehmen, die Mitarbeiter und die Kunden gerecht zu werden. Wir sitzen am Verhandlungstisch, und die GDL ist aufgefordert, endlich zurückzukommen.

 

Die Fragen stellte

Antje Schroeder.