Ingolstadt/Berlin
Patent-Trolle haben es künftig schwerer

Modernisierung des Patentrechts: Unterlassungsanspruch wird gelockert - Autoindustrie zufrieden

11.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:08 Uhr
Lange wurde gerungen um die Modernisierung des Patentrechts. Nun hat der Bundestag entschieden und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Unterlassungsanspruch eingezogen. −Foto: Leonhardt, dpa

Ingolstadt/Berlin - Das Vorhaben war alles andere als unumstritten, doch in den Augen der Befürworter für den Wirtschaftsstandort Deutschland unabdingbar: Der Bundestag hat in der Nacht auf Freitag einen Gesetzentwurf zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts abgenickt.

Im Kern geht es darum, sogenannten Patent-Trollen das Handwerk zu legen - oder es zumindest zu erschweren. Knackpunkt der Debatte war der Unterlassungsanspruch. Hier soll künftig gelockert werden.

Vor allem die Automobilindustrie machte sich in den vergangenen Monaten für die Novelle stark (wir berichteten). Sie beklagt etwa, dass es immer wieder zu Klagewellen von Patentverwertungsgesellschaften komme. Diese hätten oftmals einzig als Ziel, möglichst viel Geld aus den Auseinandersetzungen zu generieren. Branchen, deren Produkte oft mehrere 10000 Patente von vielen verschiedenen Zu- und Zu-Zulieferern beinhalten, sind hier besonders angreifbar. Und die deutsche Automobilindustrie zählt sich zu diesem Kreis.

Der Gesetzgeber hat nun entschieden: Bisher ist es so, dass ein Patentrechteinhaber relativ uneingeschränkt gegen jemanden vorgehen kann, wenn sein Wissen widerrechtlich genutzt wird. Hier soll eine Verhältnismäßigkeitsprüfung eingezogen werden. Ob ein Unterlassungsanspruch also unverhältnismäßige Härten für den Patentverletzer oder Dritte bedeutet, kann im Einzelfall juristisch bewertet werden. Das ist etwa der Fall, wenn teils jahrelange Produktionsstopps aufgrund des laufenden Rechtsstreits drohen könnten.

Bereits vor der Entscheidung haben VW und seine Ingolstädter Tochter Audi unserer Zeitung mitgeteilt, die Risiken infolge von Unterlassungsklagen durch Patent-Trolle seien "unverhältnismäßig". Die Produktion könne wegen einer "untergeordneten Komponente" gestoppt werden. Das Mittel des Unterlassungsanspruchs diene oft zur Durchsetzung unverhältnismäßig hoher Lizenzzahlungen. Entsprechend zufrieden zeigten sich die vier Ringe gegenüber unserer Zeitung am Freitag: "Die Modernisierung des Patentrechts war dringend notwendig", sagte Kai Brandt, Leiter Patente digitale/elektronische Systeme/Mobilität bei Audi. Der Gesetzgeber wolle die Patent-Trolle ausbremsen. "Das ist wichtig, denn die hohen Investitionen für Elektromobilität und Digitalisierung erfordern Planungssicherheit und ein stabiles rechtliches Umfeld beim Schutz des geistigen Eigentums. " Modernes Patentrecht verhindere willkürliche Blockaden und belohne gemeinschaftliche Innovationskraft, betonte Brandt.

Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) lobte die Reform. "Der Missbrauch des Patentrechts hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, es wurden spektakuläre Unterlassungsverfahren gegen die Industrie geführt", so Präsidentin Hildegard Müller.

Freilich finden sich auch Kritiker - etwa diejenigen Branchen, wo so manches Produkt nicht auf Tausenden Patenten basiert, sondern nur auf einigen wenigen. Unter anderem Siemens und BASF machten im Vorfeld der Entscheidung mobil und schrieben an die Politik. Und der Verband forschender Arzneimittelhersteller wertete Aufweichungen im Patentschutz als eine Schwächung industrieller Innovation. "Dem Innovationsstandort Deutschland wird das jedenfalls nicht gut tun", betonte Verbandspräsident Han Steutel am Freitag gegenüber der dpa.

Einfach sämtliche Technologien nutzen dürfen die Großen ihrer Branchen aber auch in Zukunft nicht. Denn als Ausgleich bekommen die Inhaber von Patenten Geldzahlungen. Und auch der eventuelle Anspruch auf Schadensersatz soll nach dem Beschluss erhalten bleiben. Für die Neuerungen stimmten im Übrigen die Koalitionspartner von Union und SPD. Die Opposition lehnte die Novelle ab. Die Reform sei eine "Verwässerung" des Patentrechts, sagte AfD-Abgeordneter Jens Maier. Tabea Rößner von den Grünen warf der Bundesregierung "Kungelei" mit der Autoindustrie vor.

DK

Christian Tamm