Unruhe im Konzern
Keine neuen Modelle und Software-Probleme: Gerüchte um Audi-Vorstand

30.11.2022 | Stand 18.09.2023, 22:00 Uhr

Markus Duesmann steht seit 1. April 2020 an der Spitze des Audi-Vorstandes. Davor war er von 2016 bis 1018 Mitglied des Vorstandes beim Konkurrenten BMW. −Foto: Kneffel, dpa

In ein paar Wochen geht 2022 zu Ende. Bereits jetzt lässt sich resümieren: Das Jahr wird trotz absehbarer Rekordgewinne mit einer gemischten Bilanz in die Unternehmensgeschichte des Autoherstellers Audi eingehen. Im Konzern herrscht Unruhe, der Vorstand zeigt sich nur noch selten in Ingolstadt. In seiner aktuellen Ausgabe beschreibt „Der Spiegel“ das Image des Audi-Vorstandsvorsitzenden Markus Duesmann als „angekratzt“.





Der Inhalt des Artikels war eher dürftig; umso mehr stellt sich die Frage, warum dieser Beitrag gerade jetzt erscheint. Sind die nicht nur im Werk kolportierten Gerüchte, dass im Audi-Vorstand wieder eine Personalrochade bevorsteht, gar nicht so aus der Luft gegriffen, wie mancher meint?

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Verzögerungen bei neuen Modellen

Vonseiten der Audi AG heißt es auf die Frage, ob im Vorstand Veränderungen anstehen, ganz klar: „Nein. Derartige Entscheidungen sind im Übrigen Sache des Aufsichtsrates.“ Allerdings deutet im Moment einiges darauf hin, dass es beim Ingolstädter Premium-Autobauer nicht richtig rund läuft. Um das festzustellen, genügt ein Blick in den Hof eines Audi-Händlers: Kein einziges neues Modell brachte Audi im Jahr 2022 auf den Markt – abgesehen davon, dass der e-tron rund erneuert und zum Q8 umgetauft wurde.

Das Brisante: Im nächsten Jahr könnte sich die Geschichte wiederholen. Der Q6 war ursprünglich für 2022 angekündigt, nun soll er Ende 2023 kommen. Insider sehen auch diesen Termin mittlerweile gefährdet. Wobei eine Sprecherin auf Nachfrage zum Q6 erklärt: „Wir haben bereits planmäßig mit der Vorserienfertigung begonnen und planen nach wie vor die Vorstellung im zweiten Halbjahr 2023.“

Die elektrifizierten Nachfolgemodelle für den A3 und A4, intern laufen sie unter E3 und E4, sollten 2024 kommen. Auch hier liegt man angeblich bereits hinter dem Zeitplan. Probleme scheint dabei vor allem die Software zu bereiten. Früher lästiges Anhängsel, das dafür sorgt, dass der Blinker blinkt und nicht leuchtet, ist die Computersteuerung mittlerweile zur zentralen Komponente eines Autos geworden. Beim VW-Konzern wurde die Tochter Cariad ins Leben gerufen, die die gesamte Software-Entwicklung unter einem Dach vereinen soll. Doch so erfolgreich die Arbeit der Audi- und VW-Ingenieure im klassischen Automobilbau ist, so wenig scheint dem Konzern die Entwicklung von Computerprogrammen zu gelingen. Cariad bringt nur wenig „auf die Straße“, wie man im Autojargon sagt, und hält offensichtlich den ganzen Betrieb auf. Aufsichtsratschef bei Cariad ist – nach Markus Duesmann und Herbert Diess, der als VW-Chef auch über dieses Problem gestolpert ist – inzwischen der neue VW-Vorstandsvorsitzende Oliver Blume; zu der Zeit, als er noch „nur“ Porsche-CEO war, bekanntlich kein Fan des Cariad-Projekts. Dazu kommt die seit der Corona-Pandemie angespannte Versorgungslage mit Halbleitern. Und natürlich, dass die Autoindustrie momentan mitten im größten Umbruch ihrer Geschichte steckt.

Dafür kann Duesmann wenig bis nichts. Er gilt als moderner Manager, aufgeschlossen, nahbar, sein Gegenüber eher gewinnend als überstimmend. Sein Ziel scheint es zu sein, Audi zwischen den Polen E-Mobilität und Formel 1 so zu formen, dass das Unternehmen den Spagat zwischen fortschrittlich-nachhaltig und dynamisch-erfolgreich schafft. Inzwischen gilt er auch als einer, der in Wolfsburg hundertprozentig als Audianer auftritt. Doch den Ruf, in einem schwierigen Umfeld den Laden mit Macherqualitäten am Laufen zu halten, hat er sich bisher nicht erarbeitet.

Darüber hinaus ist sein erstes Vorzeigeprojekt „Artemis“, das als eigene GmbH ein hypermodernes Auto (Arbeitstitel „Landjet“) entwickeln soll, im Grunde genommen gescheitert. Davon, wie ursprünglich angedacht, 2024 auf der Straße zu fahren, ist dieser Landjet offenbar weit entfernt. Gerüchten zufolge derzeit etwa drei Jahre.

Betrachtet man diese Verzögerungen, steht die Frage im Raum, wie es um die Ankündigung bestellt ist, ab 2026 keine neuen Verbrennermodelle mehr auf den Markt zu bringen. Angesichts der derzeit noch im Elektro-Segment erzielten Reichweiten und des Tempos beim Ausbau der Ladeinfrastruktur, wird dieser Zeitplan durchaus kritisch gesehen.

Befremden löste Duesmann auch mit seinen Äußerungen zu einem Tempolimit und Fahrverboten aus, die er erst dementierte, als sie schon drei Tage lang im ganzen Land debattiert worden waren. Noch mehr Befremden löste allerdings Hildegard Wortmann, im Audi-Vorstand zuständig für Marketing und Vertrieb, mit ihrer – allerdings ein paar Jahre alten – Äußerung aus, es sei nicht sicher, ob es Audi in zehn Jahren noch gebe.

Steht Duesmann zur Disposition?

Auch bei der Betriebsversammlung Anfang der Woche erhielt Wortmann dafür nochmal Schelte aus der Belegschaft. Sitzt sie vielleicht also bald nicht mehr im Audi-Vorstand? Dort ist übrigens Dirk Große-Loheide für die Sparten Beschaffung und IT zuständig. Ihn soll es angeblich zurück nach Wolfsburg ziehen. Steht also doch eine große Rochade im Vorstand bevor? Immerhin: Xavier Ros (Personal) und Gerd Walker (Produktion) scheinen fest im Sattel zu sitzen. Zu bedenken ist auch: Je mehr Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurück ins „Hauptquartier“ kommen, desto höher potenzieren sich Ratsch und Tratsch auf den Fluren.

Im Moment gibt es also nur Gerüchte. Angeblich soll es noch im Dezember eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung geben. Und man weiß, wie schnell es bei Audi manchmal gehen kann. So bleibt die Frage, wie die Miteigentümerfamilien Piëch und Porsche sowie die Gewerkschaftsvertreter im VW-Aufsichtsrat die Lage einschätzen. Und ob eine andere Konstellation im Vorstand besser geeignet wäre, zu verhindern, dass aus der Audi-Unruhe eine Audi-Krise wird.

− DK