Vorfälligkeitsentschädigung in der Kritik - Interview mit Verbraucherschützer Hartmut Schwarz

12.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr

Für Immobilienverkäufer mit laufender Finanzierung kann es aktuell sehr teuer werden. Grund: Für die entgangenen Zinsen verlangen Banken saftige Gebühren. Biallo.de hat hierzu mit Hartmut Schwarz von der Verbraucherzentrale Bremen gesprochen.

Herr Schwarz, wieso ist die Vorfälligkeitsentschädigung derzeit so hoch?
Die Marktzinsen für Immobiliendarlehen fallen seit Jahren. Die Banken dürfen einen Ausgleich verlangen, wenn sie das zurückgezahlte Geld nur zu schlechteren Konditionen wieder anlegen können. Als Referenzzins wurden vom Bundesgerichtshof die Umlaufrenditen für Hypothekenpfandbriefe akzeptiert. Waren vor zehn Jahren diese Differenzen noch gering (rund 0,5 Prozent), so sind sie aktuell extrem angewachsen. Wer vor drei Jahren eine Finanzierung für drei Prozent abgeschlossen hat, wird mit einer Umlaufrendite von null Prozent konfrontiert. Die Schadenshöhe wird also extrem höher ausfallen. Real stellen wir Größenordnungen zwischen 15 und 30 Prozent der Restschuld fest.

Wie viel dürfen Banken für die Vorfälligkeit verlangen und was ist die Praxis?
Die Berechnungsmethode ist zwar nicht gesetzlich festgeschrieben, aber durch die Rechtsprechung mittlerweile gefestigt. Mit Hilfe der sogenannten Aktiv-Passiv-Methode ermitteln Banken die Höhe des Ausgleichs. Dieser Betrag muss um eine Risiko- und Verwaltungskostenersparnis reduziert werden, die nicht pauschaliert werden darf, sondern auf den Einzelfall bezogen sein muss. Alle vertraglichen Optionen wie Sondertilgung oder Tilgungssatzwechsel müssen ebenfalls in voller Höhe berücksichtigt werden. In der Praxis stellen wir aber immer noch markante Fehler fest. Zum einen wird der entscheidende Stichtag des Geldeingangs beim Kreditgeber nicht berücksichtigt. Dadurch ist der verwendete Refinanzierungszins falsch. Zum anderen werden vereinbarte Sondertilgungen oder höhere Tilgungssätze nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Nur die Kreditnehmer, die sich wehren und darauf aufmerksam machen, bekommen eine korrigierte Berechnung. Oft werden auch die Laufzeiten zum Beispiel bei Forwarddarlehen falsch angesetzt. Dadurch zahlen Verbraucher mehr als sie eigentlich müssten.

Wie können sich Betroffene wehren?
Zunächst ist zu prüfen, ob eine vorzeitige Tilgung überhaupt erforderlich ist. Oftmals kann ein Pfandwechsel die bessere Wahl sein. Dabei wird das Darlehen nicht gekündigt, sondern auf ein neues Objekt übertragen. Eine weitere Möglichkeit wäre, bei guter Bonität und attraktivem Zins, dem Käufer der eigenen Immobilie das Darlehen zu überlassen. Dieser Schuldnerwechsel geht natürlich nur mit Zustimmung der Bank. Wenn das alles nicht greift, sollte der Verkäufer die geforderte Vorfälligkeitsentschädigung durch Experten überprüfen lassen. Das bieten die Verbraucherzentralen an, aber auch die Stiftung Warentest oder das IFF in Hamburg (Institut für Finanzdienstleistungen).

Was sollten Verbraucher im Vorfeld beachten?
Wichtig ist, im Vertrag alle machbaren Optionen zu vereinbaren. Sinnvoll sind Sondertilgungen und der kostenlose Tilgungssatzwechsel. Je höher hier vereinbart wird, umso geringer fällt ein eventueller Schadenersatz aus. Die Kreditnehmer sollten aber auch individuelle Ereignisse vor Vertragsabschluss berücksichtigen. Gibt es zum Beispiel in fünf Jahren einen garantierten Kapitalzufluss aus einer Versicherung, kann ein Teil des Kredits ohne Entschädigung getilgt werden. Dazu vereinbart man für diesen Betrag lediglich eine fünfjährige Zinsbindung. Es gibt aber auch Angebote von Banken, die eine jederzeitige Volltilgung ohne Entschädigung gegen einen Aufpreis beim Sollzins anbieten. Oder aber man handelt mit dem Kreditgeber zusätzlich eine einmalige Sondertilgung zu einem Stichtag aus, wenn die Schenkung oder Auszahlung vorab bekannt ist.

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