Jahrhundertprojekt
Airbus-Betriebsratschef Thomas Pretzl über die Chancen und Risiken des Kampfflugzeug-Projekts FCAS

24.06.2021 | Stand 29.07.2021, 3:33 Uhr
Das deutsche FCAS-Zentrum: der Haupteingang des Airbus-Werks in Manching. −Foto: Meier

Ingolstadt - Das europäische Kampfflugzeug FCAS ist ein Jahrhundertprojekt. Ab 2040 soll das neue Luftkampfsystem den Eurofighter und sein französisches Pendant Rafale ablösen.

 

Die Kosten werden auf einen dreistelligen Milliardenbetrag geschätzt, den sich die Partnerstaaten Deutschland, Frankreich und Spanien teilen. Doch schon bevor die Entwicklung des Zukunftsfliegers überhaupt richtig begonnen hat, gibt es massiven Ärger in Deutschland, ob die Steuergelder nicht einseitig der französischen Seite zugutekommen.

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Am Mittwoch hat der Haushaltsausschuss des Bundestags nun mehr als vier Milliarden Euro für die weitere FCAS-Entwicklung bereitgestellt - und gleichzeitig Bedingungen gestellt, die eine deutsche Beteiligung auf Augenhöhe sicherstellen sollen. Das betrifft vor allem das militärische Luftfahrtzentrum von Airbus in Manching bei Ingolstadt. Das Werk mit knapp 5000 Mitarbeitern ist in Deutschland der Mittelpunkt der FCAS-Entwicklung. Wir sprachen mit Thomas Pretzl, dem Gesamtbetriebsratschef der Airbus-Verteidigungssparte, über die Chancen und Risiken des Projekts.

Herr Pretzl, der Haushaltsausschuss hat grünes Licht für die Weiterführung des FCAS-Projekts gegeben. Ein guter Tag für die Airbus-Beschäftigten vor allem in Manching?
Thomas Pretzl: Ja natürlich. FCAS ist Europas Verteidigungsprojekt der Zukunft - und eröffnet damit auch für den Standort Manching eine Perspektive.
Es gibt ja erhebliche Kritik an dem Projekt, sowohl was die Kosten als auch die Verteilung der Aufträge und die Nutzung der Entwicklungen angeht. Frankreich habe Deutschland über den Tisch gezogen, hieß es. Sind diese Bedenken inzwischen ausgeräumt?
Pretzl: Überhaupt nicht. Die Bedenken sind im Punkt Arbeitsverteilung absolut berechtigt. Wir sehen mit Sorge, dass Frankreich den Löwenanteil an der Technologie-Entwicklung bekommen hat. Deshalb setzen wir hier auf Nachverhandlungen der Industriepartner. Wir freuen uns, dass die Parlamentarier im Haushaltsausschuss mit ihren Maßgabebeschlüssen die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland unterstützen. Grünes Licht für FCAS, aber mit Bedingungen - das ist das Mittel der Wahl, um das Projekt erfolgreich weiterzuführen.

 

Die Kontrahenten in dem Streit sind die beiden FCAS-Hauptauftragnehmer Airbus, dessen Verteidigungssparte ihren Sitz in Deutschland hat, und Dassault in Frankreich. Besteht da wirklich so ein Ungleichgewicht?
Pretzl: Was den Technologiegewinn angeht auf jeden Fall. Im Moment sehen wir uns in Manching nur als verlängerte Werkbank. Das führt natürlich auch zu Enttäuschung bei den Beschäftigten.

Wie groß ist die Bedeutung von FCAS für die Zukunft des Airbus-Werks Manching?
Pretzl: Der Standort Manching wird heute geprägt - und auch getragen - vom Eurofighter. In Zukunft soll FCAS diese Rolle einnehmen. Deshalb ist es so wichtig, dass der Zugewinn an neuer Technologie auch hier anfällt. Unsere Forderung an Michael Schöllhorn, der ab Juli als neuer CEO die Airbus-Sparte Defence and Space übernimmt, ist ganz klar, dass hier nachverhandelt wird.

Der Airbus-Betriebsrat hat vehement gefordert, dass es nicht nur einen Demonstrator, also eine Art Versuchsflugzeug für neue Technologie-Komponenten, bei Dassault in Frankreich geben soll, sondern auch einen zweiten in Manching. Was ist daraus geworden?
Pretzl: Es ist nach wie vor so, dass wir einen in Deutschland zugelassenen Demonstrator haben wollen, der in Manching gebaut wird. Dieses Flugzeug soll auf dem Eurofighter basieren. Das ist eine zentrale Forderung.

Ist das auch eine Art Rückversicherung für den Fall, dass das FCAS-Projekt scheitern sollte?
Pretzl: Absolut. Uns ist insbesondere das Thema Urheberrechte sehr wichtig. Wenn die deutschen Steuerzahler für dieses Projekt zahlen sollen, dann müssen die Entwicklungsergebnisse auch für die deutschen Belange verwertbar sein.

Beim FCAS-Flugzeug hat Dassault die Systemführerschaft, bei den Drohnen und der Gefechts-Software liegt sie aber bei Airbus. Sind das nicht die zukunftsträchtigeren Felder?
Pretzl: Beides sind wichtige Elemente. Umsatzvolumen und auch Technologiegewinn sind aber beim Kampfflugzeug um ein Vielfaches größer.

DKInterview: Johannes GreinerFoto: Airbus-Betriebsrat